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Ausgabe:

1984

Spalte:

19

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Humanizing America's iconic book 1984

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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19

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

20

steht ein sehr buntes Bild. Es wird verstärkt durch die außerordentliche
Vielfalt der Themen, die behandelt werden. Die Mehrheit der
Beiträge beschäftigt sich mit neutestamentlichen Fragen; aber - entsprechend
der Bezeichnung des Kongresses - auch alttestamentliche
und frühjüdische Gegenstände kommen zur Verhandlung. Einige
Arbeiten greifen in das Gebiet der Alten Kirche hinüber, sogar ethische
und dogmatische Fragen werden thematisiert, freilich jeweils in
Beziehung zu biblischen Gegebenheiten. Es wäre der Übersichtlichkeit
und Wirkung des Bandes, der insbesondere der neutestamentlichen
Bibelwissenschaft eine Fülle von Anregungen anbietet, dienlich
gewesen, wenn seine Beiträge in einer sachlichen Ordnung präsentiert
worden wären. So erweckt er den Eindruck eines Irrgartens.
Das beigefügte Gesamtregister zu den Bänden I-Vll der „Studia
Evangelica" enthält nur die Verfassernamen aller Beiträge und ermöglicht
daher nur eine sehr begrenzte Orientierung.

T.H.

Tucker, Gene M., and Douglas A. Knight [Eds.]: Humanizing Ameri-
ca's leonic Buok. Society of Biblical Literature. Centennial Addres-
ses 1980. Chico, CA: Scholars Press 1982. XV, 169 S. 8* = Biblical
Scholarship in North America, 6. Kart. $ 17.50; Lw. $ 29.95.

Die Hundertjahrfeier der Society of Biblical Literature wurde im
November 1980 mit einem festlichen Mammut-Kongreß begangen,
gemeinsam mit der American Academy of Religion, mit den American
Schools ofOriental Research und mit den Scholars Press Associates
. Von den 3 134 Teilnehmern gehörten I 059 als Mitglieder der
Society of Biblical Literature an, deren Mitgliederbestand sich im Verlaufe
des Jahrhunderts erfreulicherweise von 8 auf 4 936 erhöht hat,
"making it the largest professional society in religion in North America
, if not in the World" (XI). Verbunden mit dem Jubiläum ist ein
umfangreiches Publikationsprogramm, das sich insbesondere zwei
Hauptthemen widmet, der Geschichte der Bibelwissenschaft, speziell
in Nordamerika, und der Bibel in Geschichte und Kultur Amerikas.

In der vorliegenden Broschüre sind acht Hauptvorträge zusammengestellt
, die in den fünf Sektionen des Kongresses vom November
1980 gehalten wurden. Von besonderem Interesse Für den europäischen
Leser ist der erste Beitrag von M. Marty (America's Iconic
Book, 1-23), der einen Überblick zur Geschichte der Bibel Wissenschaft
in den USA während der letzten hundert Jahre vermittelt und
zugleich in das Anliegen des Kongreßthemas einführt: Es geht um
neue Zugänge zur Bibel, deren ,ikonisches' Verständnis in der amerikanischen
Kultur nach wie vor weithin dominiert, trotz der Ergebnisse
der historisch-kritischen Forschung. Ein mehr ,humanistisch'
orientiertes Verständnis soll diese traditionelle Position verändern.
Fragen der theologischen bzw. allgemein weltanschaulichen Voraussetzungen
, die einen neuen Zugang zur Bibel ermöglichen können,
erörtern sodann L. Gilkey (Scripture, History, and the Quest for
Meaning, 25-38) und H. Küng (To What We Can Still Cling: A Christian
Orientation at a Time Lacking in Orientation, 39-56). Um einen
Beitrag zum Zugang zur Bibel durch moderne Sprachanalyse bemüht
sich J. H. Miller (Parable and Performative in the Gospel and in
Modern Literature, 57-71). Vom Standpunkt einer gesellschaftsanalytischen
Betrachtung setzt sich E. Leach für eine Abwendung von
der historisch orientierten Bibelauslegung ein (Anthropological
Approaches to the Study of the Bible during the Twentieth Century,
73-94). G. Feeley-Harnik versucht mit Mitteln der vergleichenden
Anthropologie dem Verständnis von biblischen Aussagen über
die soziale Situation der Sklaven dienlich zu sein (Is Historical
Anthropology Possible? The Case of a Runaway Slave, 95-126). Den
'Approaches to the Bible through History and Archaeology' gewidmet
sind die letzten beiden Beiträge von H. Tadmor (Treaty and Oath in
the Ancient Near East, 127-152) und Y. Yadin (Is the Temple Scroll
aSectarian Document?, 153-169).

K.-H. B.

Altes Testament

Zenger, Erich: Israel am Sinai. Analysen und Interpretationen zu
Ex 17-34. Altenberge: CIS-Verlag 1982. 200 S. 8'.

Der Vf., der bereits mehrere Arbeiten zum Buche Exodus veröffentlicht
hat', legt nun in dieser Publikation eine weitere Studie vor, die
aus Vorlesungen entstanden ist. Sein Anliegen ist es, durch seine Exegese
mitzuhelfen, „daß die Bibel (wieder) ein befreiendes Lebensbuch
wird" (vgl. das Vorwort). Dieser Zielstellung entsprechend trägt das
1. Kapitel die Überschrift: „Der theologische Kontext der Interpretationen
: die neuzeitliche Freiheitsgeschichte". Der Vf. möchte durch
seine Untersuchung dazu beitragen, „die von der .Exodus-Theologie'
intendierte Freiheitstheologie in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen
und wenigstens ansatzhaft zu aktualisieren" (S. 15). In den beiden
folgenden Kapiteln geht er zunächst auf die seinen Untersuchungen
zugrundeliegende Pentateuchhypothese und die Kompositionsstruktur
des Exodusbuches als Entwurf einer solidarischen Freiheitsgeschichte
ein. Kapitel 4 und 5 enthalten Analysen von Ex 17,1-7 und
17,8-16. Im nächsten Kapitel wird die religionsgeschichtliche Bedeutung
der Sinaiüberlieferungen behandelt. Nach literarkritischen Beobachtungen
und redaktionsgeschichtlichen Hypothesen zu Ex 19-34
(Kapitel 7) werden in Kapitel 8 Schwerpunkte der vorexilischen
Sinaitheologie in Ex 19-34 aufgezeigt. Das letzte Kapitel „Der offene
Schluß des Exodusbuches: Befreit zum Befreien" läßt noch einmal das
Anliegen des Vf. deutlich werden. Literaturverzeichnis und Bildnachweis
sind dankenswerterweise beigefügt.

Die Lektüre der vorliegenden Studie hinterläßt einen etwas zwiespältigen
Eindruck. Neben guten Beobachtungen und Anregungen,
für die man dem Vf. dankbar sein kann, geben manche Ausführungen
zu Bedenken Anlaß.

Daß versucht wird, die Aussagen der Texte für die uns heute
beschäftigenden Probleme nutzbar zu machen, ist zu begrüßen.
Gleichwohl sollte eine saubere Trennung zwischen der Erfassung des
„ursprünglichen" Sinns der Überlieferungen (einschließlich der Deutungen
und Akzentsetzungen durch die Redaktionen) und der praktisch
-theologischen Anwendung vorgenommen werden, weil sonst -
und das ist m. E. eine Gefahr, der der Vf. nicht immer entgangen ist -
vorschnell unsere Fragestellungen für die Interpretation der Bibeltexte
maßgebend werden.

So erfreulich es ist, daß in der gegenwärtigen Forschung, wie auch in
der vorliegenden Studie, die bisher meist vernachlässigte Endgestalt
der Überlieferung immer mehr ins Blickfeld gerät, ist es doch auf der
anderen Seite zu bedauern, daß die Ergebnisse der form- und überlieferungsgeschichtlichen
Arbeit weithin zurücktreten. Auf die literar-
kritische Analyse wird jedoch - mit Recht - nicht verzichtet. Im
Gegensatz zu seinen früheren Veröffentlichungen2 möchte der Vf.
jetzt nicht mehr von einem „elohistischen Geschichtswerk" sprechen.
Er rechnet lediglich damit, daß elohistische Fragmente in das jahwisti-
sche Geschichtswerk (J), zu dem weniger Texte gehören als weithin
angenommen wird, um 700 v. Chr. im Rahmen einer gründlichen
Bearbeitung eingefügt wurden. Das so entstandene jehowistische
Geschichtswerk (Je) wurde nach 587 mit dem Deuteronomium (D)
zusammengearbeitet. Durch die Verbindung mit weiteren geschichts-
theologischen Erzählungen entstand das deuteronomistische Geschichtswerk
(DtrG), das nach Ansicht des Vf. von Gen 2,4b bis
2Kön 25 reicht (S. 21), also nicht erst in Dtn 1 einsetzt. Diese Um-
fangsbestimmung des deuteronomistischen Geschichtswerks bedarf
wohl der Überprüfung. Mit DtrG wurde die dritte Quelle P (PG priesterliche
Grundschrift, nach Überarbeitung Ps) im 5. vorchristlichen
Jahrhundert verbunden. Die entscheidenden Anstöße gingen also jeweils
von einer Quelle (J, Dund P) aus (vgl. S. 21).

Bei der Durchführung der Analyse ist positiv zu beurteilen, daß der
Text von Ex 19 zunächst in bezug auf seinen „geschehensmäßigen
logischen Ablauf untersucht wird und erst danach weitere Beobachtungen
semantischer und theologischer sowie syntaktisch-stilistischer