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Ausgabe:

1984

Spalte:

413-424

Autor/Hrsg.:

Thümmel, Hans Georg

Titel/Untertitel:

Aspekte und Probleme des sog. Arianischen Streites 1984

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

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Hoffnungen der Menschen: so erscheint Johannes XX11I. in diesen
Texten. Hoffnungen auf eine charismatische Leitfigur unschuldiger
LJnbekümmertheit, großzügiger Freiheit, unprätentiösen Dienstes
und spontaner Menschenliebe . .. Daß diese Hoffnungen und Maßstäbe
aber an einer geschichtlichen Figur festgemacht werden können,
läßt die Utopie nicht länger vage und unbestimmt bleiben . . . Johannes
XXIII. - eine Realutopie von Papsttum!" (127)

Kapitel V „Papst-Satiren und Grotesken" bietet Traumszenen aus
einem Fellini-Film (1290, noch einmal W. Koeppens Roman „Der
Tod in Rom" (131-133), Werner Dürrsons Erzählung „Der Analphabet
", die in New York spielt sowie eine Kriminalstory von
Claretta Cerio, die die Entfuhrung eines Papstes ausmalt, der im
Vatikan durch einen Doppelgänger vertreten wird, weil eben der
Papst eine auswechselbare Figur sei (135-137). Der Brasilianer
J. Bethencourt schrieb das Schauspiel „Der Tag. an dem der Papst
gekidnappt wurde", in dem ein fiktiver Papst Albert VI. in seiner
Güte an Johannes XXIII. erinnert (137-141). Der Papst wird zur reinen
Phantasiefigur bei dem Amerikaner John L'Heureux. „Roman
Ordinary" heißt seine Erzählung, die K. als „Schauermärchen und
Gruselstory" bezeichnet (146). Daran schließen sich an die Zeichnungen
Dürrenmatts „Der Kampf der drei Päpste", „Zwölf Päpste die
Bibel auslegend" und „Der letzte Papst". Es geht „um eine satirische
Entlarvung des .Päpstlichen' als einer menschlichen Verhaltens- und
Denkweise, als dem Symbol für alles Rechthaberische, das letztlich
unhuman wird". Doch zähltauch „der Protestant Dürrenmatt zu den
seltenen Zeitgenossen . . ., die im Papst eine Figur von großmächtigem
Symbolgehalt erblicken"21. Kapitel VI bietet Texte, die „ganz
als Papst-Utopie konzipiert sind" (151); 1) Der Papst - ein Revolutionär
? Ein Tagtraum von Walter Jens; 2) Der letzte Papst: Ökumene
als Utopie (W. Solowjew-S. Knecht); 3) „Papst auf dem Drahtseil"-
die Papstromane von Morris L. West und Walter F. Murphy. K. stellt
fest, daß sich oft solche Künstler um das Thema Papsttum bemühen,
die der Kirche fern stehen, weil „der Papst zu einer herausfordernden
menschlichen Problemfigur geworden" ist (171). Schneider. Hoch-
huth und Brecht konnten „der Papstfigur im großen Drama noch
Kontur geben"; in den siebziger Jahren „tritt diese Form der großen
Literatur ganz zurück" (172). Lyrik fehlt überhaupt; doch bietet
K. Petrusgedichte von Eva Zeller und Rudolf Otto Wiemer: „Auf
Petrus lassen sich leichter Gedichte machen als auf das Papsttum."
Nach K. könnten jedoch „Petrus-Texte oft auch lyrische Annäherungen
an das Papsttum auf assoziative, indirekte Weise" sein (128).

Abschließend bemüht sich K. darum, Ordnung in die Fülle des
gebotenen Materials zu bringen, was nicht ganz einfach ist. Auf der
vorletzten Seite formuliert er seine Zusammenfassung: „Ein im Geiste
des Nazarencrs erneuertes universales Papsttum als Motor einer universal
zu erneuernden Kirche: Das ist das Bild, das Schriftsteller heute
vom Papsttum zeichnen, und das ist die theologische Herausforderung
, die in diesem literarischen Material steckt." (201) Aufjcden Fall
bestätigt K. das Bild einer großen Vielfalt von Urteilen und Fragen,

das sich auch schon aus den vorher genannten Büchern zur Papstgeschichte
ergab. Diese Vielfalt sei dem Greifswalder Altmeister der
Kirchengeschichte Ernst Kähler vorgelegt als ein Zeichen des Dankes
und bleibender Verbundenheit.

Päpste und Papsttum. Hrsg. von Georg Denzler, Stuttgart: Hierse-
mann 1971 ff. Von den 21 Bänden erschienen 4 in 2 Bänden, so daß äußerlich
gesehen 25 Bände vorliegen.

3 Bd. 14 von Carlo Servatius, 1980.

' Bd. 15 von Rudolf Pesch, !980(ThLZ 109,1984 Sp. 381).

4 Bd. 16 von Peter Herde, 1981.

5 Bd. 18 von Walter Ulimann, 1981.

1 Bd. 20 von Jürgen Ziese, 1982 (ThLZ 109.1984 Sp. 271 f).

' Bd. 17 von Myron Woitowytsch, 1981 (ThLZ 108. 1983 Sp. 126-128).

* Bd. 19 von Kenneth R. Stow: Taxation, Community and State. The Jews
and the Fiscal Foundation of the Early Modern Papal State, 1982 (ThLZ 109.
1984 Sp. 45ft.

' Bd. 21 von Gerald P. Fogarty. 1982.

10 Karl Bosl. Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter. Stuttgart 1982 =
MGS 26 (ThLZ vorliegende Heft, Sp. 449).

" Josef Urban, Die Bamberger Kirche in Auseinandersetzung mit dem
Ersten Vatikanischen Konzil. 2 Bde. (Diss. theol. kath. 1981). Selbstverlag des
Historischen Vereins Bamberg 1982 (ThLZ vorliegendes Heft, Sp. 454).

13 Zimmermann, Harald: Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte
im Spiegel der Historiographie. Mit einem Verzeichnis der Päpste vom
4. bis zum 15. Jahrhundert. Stuttgart: Ulmer 1981. 254 S. 8° = Uni-Taschenbücher
, 1151. Kart. DM 22,80.

" Hergemöller, Bernd-Ulrich: Die Geschichte der Papstnamen. Mit 24 Abb.
Münster: Rcgcnsbcrg 1980. 248 S. 8".

14 Horn, Stephan Otto: Petrou Kathedra. Der Bischof von Rom und die
Synoden von Ephcsus (449) und Chalcedon. Paderhorn: Bonifatius-Druckerei
1982. 291 S. gr. 8" = Konfessionskundliche und kontroverstheologischc Studien
, XLV. Lw. DM 28,-.

15 Horn, S. 138 unter Hinweis auf W. de Vries, Die Struktur der Kirche
gemäß dem Konzil von Chalkedon(451)in: Oricntalia Christiana Periodica 35,
1969,69.

'* H.-J. Sieben. Die Konzilsidec der Alten Kirche. München-Paderborn-
Wien 1979 = Konziliengcschichte, Reihe B. S. 126-141 und 381-395 (nach
Horn.a. a. O.S. 13).

13 Fuhrmann, Horst: Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt
und Gestalten. München: Beck 1980. 250 S„ 142 Abb. kl. 8" = Beck'schc
Schwarze Reihe, 223. Kart. DM 19.80.

1 Harald Zimmermann, Von der Faszination der Papstgeschichte besonders
bei Protestanten oder Gregor VII. und J. F. Gaab. In: Jahrbuch für die
Geschichte des Protestantismus in Österreich 96. 1980 = Festgabe für Wilhelm
Kühnert, hrsg. von Peter F. Barton. 53-73.

14 Fink, Karl August: Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter.
München: Beck 1981. 212 S. 8". Kart. DM 38.-.

30_Karl-Josef Kuschcl: Stellvertreter Christi? Der Papst in der zeitgenössischen
Literatur. Zürich: Gütersloh 1980 = Ökumenische Theologie. 6. Auf
Kusehels Werke war bereits in ThLZ 108, 1983 Sp. 619-622 hingewiesen
worden.

31 Kuschcl. a.a.O. 149 unter Berufung auf M.Glaser. Einleitung zu
F. Dürrenmatt. Bilder und Zeichnungen, hrsg. von Ch. Strich. Zürich 1978.

Aspekte und Probleme des sog. Arianischen Streites

Von Hans Georg Thümmel, Greifswald
Ernst Kähler zum 70. Geburtstag

Der Streit über die Frage nach der Gottheit Jesu Christi und nach
seinem Verhältnis zum Vater hat sich durch den größeren Teil des
4. Jahrhunderts hingezogen und hat weitgehend das Zeitalter der werdenden
Reichskirchc geprägt, so wie andererseits die neuen Machtverhältnisse
seinen Verlauf bestimmt haben.

Die Auseinandersetzungen sind oft Gegenstand der Forschung gewesen
.' Dabei haben sich immer wieder Abweichungen von einem geläufigen
Bild ergeben. Es scheint an der Zeit zu sein, die Akzente

anders zu setzen und ein neues Bild dieser Epoche zu entwerfen. Das
soll in der folgenden Skizze geschehen.

Der Streit wird auch der .arianischc' genannt. Richtig daran ist, daß
die Theologie des Arcios den Anlaß zum Ausbruch gab. Doch ging es
darin um weitere und tiefere Fragen, die auch durch die bald erfolgte
Verurteilung des Areios nicht gelöst waren. Wird die Mehrheit östlicher
Theologen in diesem Streit als .Arianer' bezeichnet, so entspricht
das weder deren Selbstvcrständnis noch den Tatsachen. Wci-