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Ausgabe:

1984

Spalte:

395-396

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Ökumene in Polen 1984

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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Seite 1

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395

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

396

an diesem Prozeß teilzuhaben. Wünschenswert wäre, daß auch die
Referate des sechsten Gespräches, das inzwischen stattgefunden hat,
veröffentlicht würden.

Berlin Chrisla Grengel

Bassarak, Gerhard [Hrsg.]: Ökumene in Polen. Hrsg. in Verb, mit
dem Polnischen Ökumenischen Rat. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1982.232 S. 8". Pp. M 9,80; Ausland 14,-.

Dem Vorwort des Hrsg. folgen aus der Feder polnischer Autoren
13 Beiträge, die in den drei Hauptteilen „Konfession", „Ökumene",
„Diaspora und Diakonie" zusammengefaßt sind. Als Anhang sind
eine Zeittafel und Angaben über die Autoren beigefügt. Diese gehören
sämtlichen Kirchen an, die im Polnischen Ökumenischen Rat vertreten
sind. Leider trifft das nicht zu auf die römisch-katholische Kirche,
„die zwar an vielen Stellen angesprochen ist, aber nicht selber zu Wort
kommt" (11).

Im ersten Teil äußert sich zunächst Karol Karski über „Bekenntnisstrukturen
in Polen im Wandel der Jahrhunderte". Als „Einführender
Überblick" Vermittelt dieser Aufsatz ein bei aller Kürze sehr
anschauliches Bild der Entwicklung vom Ende des ersten Jahrtausends
bis in die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts.

In weiteren Beiträgen werden „Die Polnische Autokephale Orthodoxe
Kirche", „Die altkatholischen Kirchen" und „Die Freikirchen
in Polen" dargestellt. Den breitesten Raum aber nimmt der Essay des
Bischofs der Evangelisch-Augsburgischen Kirche, Janusz Nar-
zyhski, „Zur Geschichte des Luthertums in Polen vom 16. bis zum
20. Jahrhundert" ein. Die einzelnen Kapitel sind überschrieben: „Die
vorreformatorischen Reformbestrebungen", „Die Ursprünge der
Reformation und der Entwicklung des Luthertums im Königreich
Polen und Großherzogtum Litauen im 16. und 17. Jahrhundert",
„Das Luthertum in Polen in der Zeit der Teilungen", „Die Integration
des Luthertums im unabhängigen Polen 1918-1939", „Die Evangelisch
-Augsburgische Kirche in Polen in den Jahren des zweiten Weltkrieges
und der Okkupation 1939-1945" und „Die Evangelisch-
Augsburgische Kirche in der Volksrepublik Polen 1945-1980". Was
in dieser Studie gesagt wird, geht über die schon in sich wertvolle Vermittlung
historischen Wissens weit hinaus, nicht zuletzt durch die
unpolemischen, wohl aber freimütigen Feststellungen über die noch
immer unbefriedigende Haltung des polnischen Katholizismus zum
Ökumenismus sowie über die heutige Situation und das heutige
Selbstverständnis der Lutheraner in Polen, wobei man dem Buch im
ganzen entnehmen kann, daß dies nicht nur für die Lutheraner, sondern
auch für die anderen Kirchen des Polnischen Ökumenischen
Rates zutrifft. - Einige Zitate:

„Was die Beziehung zwischen der lutherischen und der römisch-katholischen
Kirche betrifft, so ist der ÖkumenismuS in Polen ein vereinzeltes Phänomen
geblieben. Trotz der weltweit gewandelten Atmosphäre und des neuen Klimas
nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil beteiligen sich in Polen nur einige
Priester, Nonnen und irenisch gesinnte Laien an ökumenischen Aufgaben. Breitere
Kreise des römisch-katholischen Kirchenvolkes hat der Ökumenismus
noch nicht erreicht, und ihr Verhältnis zu den Gliedern anderer Kirchen hat
sich nicht spürbar gewandelt. 1979 ist es sogar zu gewaltsamen Kirchenbesetzungen
evangelischer Gotteshäuser in der masurischen Diözese gekommen. Die
Identifikation von Polentum und Katholizismus ist noch nicht völlig überwunden
." (98)

„Die in der Zeit zwischen den Weltkriegen geltende Verfassung sicherte der
katholischen Kirche eine privilegierte Stellung. Erst in Volkspolen hat sich die
rechtliche Situation der Minderheitskirchen geändert. Zum ersten Mal in der
Geschichte Polens wurde allen Konfessionen die volle Gleichberechtigung
garantiert und das Verhältnis zu ihnen im Geiste der Toleranz und Freiheit
gestaltet. Daher hat die Evangelisch-Augsburgische Kirche trotz grundsätzlicher
Unterschiede zwischen Marxisten und Christen die neue Gesellschaftsordnung
Volkspolens begrüßt. .." (99,.

„Die Erfahrungen der verflossenen 35 Jahre haben bewiesen, daß die Volksrepublik
die Gesellschaft nicht in Gläubige und Ungläubige teilt, sondern daß
die einzigen Kriterien eine schöpferische und konstruktive Mitarbeit und das
Engagement in allen wichtigen Fragen der Nation sind. Demzufolge unterstützen
die Lutheraner in Polen das Bestreben des Staates nach Frieden und
sozialer Gerechtigkeit." (ebd.)

„Die lutherische Kirche in Polen versteht die Rolle der Kirche in den Kategorien
des Dienstes und nicht in denen des Triumphalismus. Der Dienst unserer
Kirche soll nicht Selbstzweck, er soll Dienst an unserem Volke sein." (100)

Was sich in diesen Zitaten ausdrückt, wird im zweiten und dritten
Teil des Buches erweitert und vertieft. Die Auslührungen der verschiedenen
Autoren zum Thema „Ökumene", nämlich „Historische
Traditionen des Ökumenismus in Polen", „Die Entwicklung der ökumenischen
Bewegung in Polen", „Ökumene in einem Land, das den
Sozialismus aulbaut", „Die Bibel im Dienst der ökumenischen Annäherung
der Christen in Polen" und „Die Christliche Theologische
Akademie als Bindeglied zwischen den Konfessionen" zeigen nicht
nur, wie bedeutsam die Geschichte des Christentums in Polen gerade
auch unter ökumenischem Aspekt gewesen ist, sondern ebenfalls, als
wie beachtlich der heutige Beitrag der polnischen nicht-römischkatholischen
Kirchen in der Ökumene und lür sie gelten kann.

Wenn schließlich im dritten Teil zunächst „Probleme und Chancen
der Diaspora" abgehandelt werden, bestätigt dieser Aufsatz, daß die
Kirchen des Polnischen Ökumenischen Rates für Aussagen zu diesem
Thema ganz besonders kompetent sind, und wenn dem dann noch
zwei Beiträge über „Kirchen und Christen in der sozialistischen
Gesellschaft in Polen" und „Engagement für den Frieden" folgen, so
veranschaulichen diese, welchen Stellenwert neben der „klassischen"
Diakonie heute auch in den Kirchen des Polnischen Ökumenischen
Rates die gesellschaftliche und politische Diakonie erlangt hat.

Man darf gewiß sein, daß dieses Buch eine breite, dankbare Leserschaft
gefunden hat und weiterhin finden wird, weit über die Grenzen
unseres Landes hinaus.

Leipzig Siegfried Krüge!

Ökumenik: Missionswissenschaft

Jathanna, Origen Vasantha: The Decisiveness of the Christ-Event and
the Universality of Christianity in a World of Religious Plurality.

With Special Reference to Hendrik Kraemer and Alfred George
Hogg as well as to William Ernest Hocking and Pandipeddi Chen-
chiah. Bern-Frankfurt/M.-Las Vegas: Lang 1981. XI, 574 S. 8" =
Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums,
29. Kart.sfr98.-.

Vorliegende Arbeit ist im wesentlichen theologiegeschichtlich
orientiert, versucht aber auch, die systematisch-theologische Fragestellung
nach dem spannungsvollen Verhältnis von entscheidender
Bedeutsamkeit des Christusereignisses auf der einen und dem universalen
Heilswillen Gottes auf der anderen Seite zu bedenken, d. h. das
ante Christum natum-Probem zu lösen.

Vf. untersucht zunächst die Begriffe „Christusereignis", „entscheidende
Bedeutsamkeit", „Absolutheit", „Einzigartigkeit", „Endgültigkeit
", mit denen die missionstheologische Diskussion spätestens seit
dem 19. Jahrhundert befrachtet ist. Leider wird der problematische
Begriff der „Universalität" nicht diskutiert, obwohl er in der neueren
Diskussion um eine Hermeneutik für den inter-religiösen Dialog eine
entscheidende Rolle spielt.

Mit äußerster Gründlichkeit und unüberbietbarer Kenntnis der
Quellen werden dann vier recht unterschiedliche und z. T. in Europa
wenig bekannte oder nur oberflächlich verstandene Missionstheologen
vorgestellt: Hendrik Kraemer (1888-1965), Alfred George Hogg
(1875-1954), William Ernest Hocking (1873-1966) und Pandipeddi
Chenchiah (1886-1959). Man liest diesen Teil mit Gewinn, zumal
seine methodische Geschlossenheit vorbildlich ist.