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Ausgabe:

1984

Spalte:

381-382

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Tendenzen der katholischen Theologie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1984

Rezensent:

Frieling, Reinhard

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Seite 1

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381

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

382

Methodisch geht der Autor in folgender Weise vor: Er zitiert viel
und ausführlich. Abschnitte aus den verschiedenen Texten des Konzils
werden zusammengefügt, um auf diese Weise durchgehende Gedankenlinien
zu verfolgen, auch wenn sie zuweilen mehr am Rande
der eigentlichen Aussagen verlaufen. Besonders die Beschlüsse über
die Kirche „Lumen gentium" und über die Kirche in der Welt von
heute „Gaudium et spes" kommen ausführlich zu Wort. Diese durchgehenden
Linien sind nun aber nicht zunächst die großen Themen des
Konzils, sondern diese erscheinen jeweils dort und auch nur insoweit,
wie und wo sie etwas austragen zur Entfaltung der Haltungen und
Bewußtseinsinhalte, um die es dem Autor zu tun ist. Und so wird im
ersten Teil vom Glauben gesprochen, von der Notwendigkeit der
Glaubensbereicherung, dem Glauben als Gabe Gottes und bewußte
Haltung des Menschen, dem Verhältnis von Glaube und Dialog und
schließlich von Wissen um die Kirche als Grundlage der „Konzilsinitiation
". Im zweiten Teil, „Bewußtseinsbildung", geht es um die
großen Glaubensinhalte Schöpfung, Trinität, Erlösung (hier auch um
„Maria im Mysterium Christi und der Kirche"), Kirche als Gottesvolk
sowie um das geschichtliche und eschatologische Bewußtsein der
Kirche als Gottesvolk. Der dritte Teil endlich, der die erforderlichen
Haltungen aufweisen soll, handelt von Sendung und Bezeugung, Teilhabe
, menschlicher Identität und christlicher Verantwortung, Ökumene
, Apostolizität sowie vom Aufbau der Kirche als Gemeinschaft.
Das bedeutet: Im Grunde geht es um so gut wie alles. Das aber scheint
ein wenig zu viel, um den Finger unmißverständlich auf das wirklich
Spezifische legen zu können.

Rez. gesteht deshalb, über das D. Vatikanische Konzil aus diesem
Buche nicht sehr viel Neues gelernt zu haben. Was ihm aufging, war
eben die Optik, durch die der Autor seinerzeit das Konzil betrachtete,
und der Rahmen, in den eres einsetzte. Und das zu zeigen war ja wohl
auch der Zweck der Publikation. Die ständigen pastoralen Appelle
des Papstes an Haltungen und Bewußtsein der Gläubigen (und oft in
recht traditionellem Sinne) haben damit doch einen recht erhellenden
Hintergrund erhalten und werden auch in ihrer Motivation deutlicher
. Und man muß wohl-auch von daher verstehen, daß manche
Reformen an anderen Stellen nicht so recht von der Stelle kommen.
Allerdings wirkt das Buch darüber hinaus dann auch ziemlich anregend
für weiteres Nachdenken. Seit seinem ersten Erscheinen sind ca.
10 Jahre vergangen. Was ist nun in diesen 10 Jahren an Bewußtsein
gewachsen und an Haltungen gewonnen worden? Und vor allem: Der
Autor erlangte das höchste Amt in der römischen Kirche. Mit diesem
Buch, dessen Neuausgabe in anderen Sprachen sicher nicht ohne seinen
Willen geschah, zu dem er also nach wie vor steht, hat er in der
Tat einen Schlüssel geliefert und auch ein Programm für sein Handeln
in diesem Amte im Sinne solcher Bewußtseinsbildung. Um so mehr
wäre jetzt, mehr als 20 Jahre nach Eröffnung des Konzils, noch einmal
zu fragen, wie weit damit dem Konzil und seinen Intentionen tatsächlich
Rechnung getragen wird.

Schöneiche b. Berlin Hubert Kirchner

deutsame Anregungen von der deutschen Wissenschaft erhält", kann
nicht übersehen werden, daß die römisch-katholische Kirche insgesamt
gegenwärtig mehr durch Tendenzen im romanischen ßereich
und durch „einheimische Theologien" in der sog. Dritten Welt, besonders
in Lateinamerika, herausgefordert wird. Den Autoren ist dies
durchaus bewußt, so daß dieser Hinweis auch keinen Vorwurf darstellt
, sondern lediglich für die Erwartungen des Lesers bedeutsam ist.
Das vorliegende Buch enthält auch bei der Begrenzung auf den
deutschsprachigen Raum erhellende und lesenswerte Passagen.

Die zweite Abgrenzung betrifft die Konfession. W. Beinert meint,
die Konzentration auf die römisch-katholische Theologie sei vertretbar
, weil „die denominationellen Grenzen in der Gegenwart keine
wirklich entscheidende Bedeutung" mehr haben (S. 10). Diesem Urteil
kann man wohl nur bedingt zustimmen. Zwar erfahren die Theologen
heute allenthalben, daß alte konfessionelle Kontroversen an
kirchentrennendem Gewicht verloren haben und viele brisante theologische
Gegensätze heute quer durch die Konfessionen gehen; aber
insgesamt zeigen sich dem konfessionskundlich interessierten Leser
auch des vorliegenden Bandes noch viele konfessionsspezifische Ansätze
theologischen Denkens, so daß es angemessen ist, weiterhin von
„katholischer" und „evangelischer" Theologie zu sprechen. Bei
grundsätzlichen hermeneutischen Fragen, bei der biblischen Exegese,
ja sogar bei der Christologie fallen vordergründig kaum konfessionelle
Probleme auf. Beim Bezug auf die Ekklesiologie, die Moraltheologie,
die Soziallehre und das Kirchenrecht jedoch offenbaren die Bochumer
Beiträge vorwiegend katholische Fragestellungen.

Wie beispielsweise die „Theologie der Ortskirche als ökumenischer
Impuls" seit dem II. Vatikanum nachgezeichnet wird, ist evange-
lischerseits so nicht mitvollziehbar, trotz erfreulich offener Ansätze:
die „ortskirchlich-eucharistisch orientierte Ekklesiologie" wird vorrangig
in ihrer Beziehung zum hierarchisch gegliederten Amt erörtert
, wobei dann noch das Verhältnis von Papst und Bischöfen als
theologisch gewichtiger erscheint als das von Bischöfen und Priestern.
Die „Gemeinde" tritt auffällig zurück hinter dem „Amt" - eine bei
aller Betonung des Laienapostolats und neuer Strukturen wie Pfarrgemeinderäten
auffallende Tendenz der römisch-katholischen Theologie
. (Seit Ende der siebziger Jahre hat sich diese Tendenz sowohl im
innerkatholischen wie im ökumenischen Gespräch noch verstärkt!)

In den Beiträgen zur Sexualethik, zur Soziallehre und wirtschaftlichen
Mitbestimmung, zur Kirchen- und Sozialgeschichte sowie zur
Religionspädagogik illustrieren die Bochumer Vorlesungen, wie die
römisch-katholische Theologie mit dem II. Vatikanum den Geist der
Neuzeit eingeholt, und sich einer „relativen Autonomie irdischer
Wirklichkeiten" geöffnet hat. Spannungen zwischen Theologie und
bischöflichem Lehramt werden dabei von den Autoren nur angedeutet
. In der kirchlichen Praxis haben sie in den letzten Jahren eher zu-
als abgenommen, nicht zuletzt durch die mehr konservativ geprägte
Theologie des gegenwärtigen polnischen Papstes.

Bensheim Reinhard Frieling

Kaufmann, Gisbert [Hrsg.]: Tendenzen der katholischen Theologie
nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. München: Kösel 1979.
213 S. 8*. Kart. DM 29,80.

Die elf Beiträge dieses Buches dokumentieren den Versuch der
Katholisch-Theologischen Abteilung der Ruhr-Universität Bochum,
während eines Kontaktstudiums für Priester und Religionslehrer Tendenzen
der Wirkungsgeschichte des II. Vatikanum bei einzelnen theologischen
Disziplinen anzusprechen. Es wird deutlich, wie schnell
sich einerseits theologische Problemstellungen verändern und wie
andererseits die kirchen- und praxisorientierte katholische Theologie
auch nach dem Konzil sich selbst treu bleibt und Identität bewahrt.
Freilich liegt eine bedeutsame geographische Begrenzung vor: Es
geht um Theologie im deutschen Sprachraum. Bei allem Respekt vor
der These (S. 10). „daß nach wie vor die internationale Theologie be-

Dingemans, G. D. J.: Schepping in cschatologisch perspectief (kerk cn theo-
logie 34,1983 S. 293-309).

Richer, Peter: Bürgerliche Religion. Eine theologische Kritik. München:
Kösel 1983. 235 S. 8". Kart. DM 29,80.

Fackre, Gabriel: Narrative Theology. An Overview (Interp. 37, 1983
S. 430-452).

Jäger, Alfred: Theologie der Erde. Zur theologischen Funktion einer Schöpfungslehre
(WuD 17,1983 S. 153-162).

Petri, C: Het begrip natuur in de theologie (kerk en theologie 34, 1983
S. 310-328).

Verbürg, J.: Concept van een scheppingstheoiogic (kerk cn theologie 34,
1983 S. 284-292).

Verweyen, Hansjürgen: Aufgaben der Fundamentaltheologie (TThZ92,
1983 S. 204-215).