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Ausgabe:

1984

Spalte:

379-381

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Johannes Paul nII. Papst, Quellen der Erneuerung 1984

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

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Kliding, Heinz: Wahrheit als Richtigkeit. Eine Untersuchung zur Schritt ,De
verdate' von Anselm von CanterburylDiss. theol. Basel 1983).

Ylengus, Raymond: Le «compromis» catholique selon Ernst Troeltsch
(RSR 71,1983 S. 235-244).

Snela, Bogdan: Kirche und Wissenschaft - die Rolle des Papstes im Galilei-
ProzeßtUniv. 38, 1983 S. 1283-1294).

Standaert, Nicolas: Een conlucianistische kijk op het christendom (Bijdr.
1983 S. 301-319).

Sauter, Gerhard: Die Wahrnehmung des Menschen bei Martin Luther.
(EvTh43,1983 S. 489-503).

Weernekers, Jan: De Theologie van Angelus Merula, met name onderzocht
of invloeden vanuit de Reformatie. Die Theologie des Angelus Merula, vor
allem untersucht hinsichtlich ihrer Beeinflussung von der Reformation her (mit
einer Zusammenfassung in deutscher Sprache). Amsterdam: Rodopi 1983 X,
149 S. 8'.

Systematische Theologie: Allgemeines

Wojtyla, Karol: Quellen der Erneuerung. Studien zur Verwirklichung
des Zweiten Vatikanischen Konzils. Übers, aus dem Ital. v. A. Berz.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1981. 368 S. gr. 8'. Lw. DM 45,-.

An Büchern über das Zweite Vatikanische Konzil, dessen Abschluß
nun auch bereits wieder über 1 '/j Jahrzehnte zurückliegt, mangelt es
eigentlich nicht. Deshalb bedarf es eines besonderen Grundes, wenn
ein Verlag sich entschließt, die Liste der Erscheinungen weiter zu verlängern
, und noch dazu um ein Buch, das auch schon vor zehn Jahren
geschrieben wurde. Dieser Grund aber liegt offen zutage: Er liegt gar
nicht so sehr in der Materie. Er liegt weit mehr in der Person des Autors
: Karol Kardinal Wojtyla, seinerzeit Enjbischof von Krakau, der
gegenwärtige Papst Johannes Paul II. Die Tatsache, daß inzwischen
eine ganze Reihe von Arbeiten, dazu Dramen und Gedichte Wojtylas
in verschiedene Sprachen übersetzt neu aufgelegt wurden, beweist das
weite Interesse, mehr von diesem Papst zu erfahren und sein Denken
und Wirken heute mit seinem Denken und Wirken damals zu erklären
, ihn heute auch aus seiner Vergangenheit als Professor, als Erz-
bischof einer solchen Diözese und das heißt nicht zuletzt auch als
Polen zu verstehen. Offenbar ist das möglich.

Angesichts der Eindeutigkeit nun, mit der sich der Papst sogleich zu
Beginn seines Pontifikats zu dem Konzil bekannte, sowie der Art und
Weise, wie er in seinen vielen Reden Texte des Konzils zitiert, scheint
es ein besonderer Glücksumstand, daß der Papst selber eine Art
Schlüssel lieferte. Und daß dieser nicht sehr lange nach Abschluß des
Konzils vorgelegt wurde, mitten aus den Verpflichtungen in einer
Diözese heraus, muß nicht unbedingt ein Nachteil sein, auch wenn zu
berücksichtigen bleibt, daß eine Reihe von gesamtkirchlichen Gesichtspunkten
seinerzeit noch nicht so im Mittelpunkt der Betrachtung
stehen konnte, wie es dann nach der Wahl zum Papst notwendig
wurde.

Die vorliegende „Studie" wurde bereits 1972 in polnischer Sprache
vorgelegt. 1981 erfolgte eine italienische Edition. Die deutschsprachige
Ausgabe ist eine Übersetzung aus dem Italienischen. Hinter ihr
liegt also bereits ein doppelter Übersetzungsakt. Der sprachlichen
Fassung scheint das nicht in jeder Hinsicht zugute gekommen zu sein.
Freilich mag es nicht nur an diesem zweimaligen Übersetzen liegen,
daß die Lektüre nicht ganz einfach ist. Es ist schon Stil des Autors,
die Sätze vielfach zu überfrachten mit Assoziationen, Nebensätzen
und Appositionen, die nicht unbedingt der Stringenz der jeweiligen
Aussage förderlich sind. Manche Passagen, einzelne Sätze und selbst
Überschriften schon sind nahezu unverständlich, zumindest ausgesprochen
kompliziert. Das ist schade, hängt aber wohl, zumindest teilweise
, auch damit zusammen, wie der Autor sein Thema angeht.

Wohin der Autor mit dieser „Studie" tendiert, geht aus ihrem Titel
und auch aus dem Untertitel nicht direkt hervor. Deutlicher sind erst
die Überschriften über die drei Teile, in die sich das Buch gliedert:
„Grundbedeutung der durch das konzil vermittelten Initiation" (das

ist ein Beispiel für eine mehr verhüllende als aufschließende Überschrift
), „Bewußtseinsbildung" und „Bildung der Haltungen". Das
bedeutet: Es stimmt nur sehr eingeschränkt, wenn es einleitend heißt,
das Buch „ließe sich eher als ein Leitfaden ansehen, der in die einschlägigen
Dokumente des Zweiten Vatikanums einführt" (S. 16).
Denn es geht dem Autor nicht um einen Kommentar zu den Dokumenten
des Konzils. Auch nicht darum, die konkreten Beschlüsse in
einen weiteren Zusammenhang zu stellen und von dort her einsichtig
zu machen. Wie diese zu verstehen sind, wird vorausgesetzt. Aber
auch darum geht es nicht, die Beschlüsse nun weitergehend auf die
Erfordernisse der katholischen Kirche in Polen anzuwenden und
konkrete Schritte zu ihrer Verwirklichung aufzuzeigen. Auch das ist
alles offenbar kein Problem. Denn es geht um etwas grundsätzlich
anderes, um einen ganz eigenen Ansatz. Es geht darum, daß das
Konzil in diesem Buch von einem ganz bestimmten Gesichtspunkt
aus betrachtet wird, dem der Rezeption, und diese dann mit ihren verschiedenen
Einzelmomenten unter einen spezifischen Leitgedanken
gestellt wird, unter den tragenden Begriff der „Glaubensbereicherung
", die zum Grundpostulat der Verwirklichung des Zweiten Vatikanums
erklärt wird. Interessant ist dieser Ansatz ganz gewiß. Und
nicht nur das. Er ist ebenso gewiß auch nötig. Denn an der Rezeption
liegt schließlich alles. So weit, so gut. Es wäre aber freilich mit dem
Autor darüber zu diskutieren, ob damit, wie dieser Forderung hier
nachzukommen gesucht wird, auch wirklich der Intention des Konzils
Genüge geschieht. Es wäre zu fragen, ob. nicht so, wie es hier geschieht,
das Konzil mit seinen vielfältigen Kurskorrekturen, seinen ganz konkreten
praktischen Initiativen und Neuansätzen für den Weg der ganzen
Kirche, und eben nicht nur für den einzelnen Gläubigen, sondern
gerade auch für die Kirche als Institution, sofort auf ein Gleis geschoben
wird, das sich u. U. sogar als ein Abstellgleis erweisen könnte. Es
ist doch wohl eine Verkürzung des IL Vatikanischen Konzils, wenn
einleitend festgestellt wird: „Ein Pastoralkonzil... ist in erster
Linie bestrebt, vermittels der Wahrheit, die es verkündet, in Erinnerung
ruft oder klärt, den Christen, ihrer Denk- und Handlungsweise
einen Lebensstil zu geben" (S. 21), und daraus die Möglichkeit abzulesen
, „uns auf das Bewußtsein der Christen zu konzentrieren und auf
die Haltungen, die sie sich zu eigen machen sollen" (S. 22).

Natürlich ist es richtig, daß das Konzil nur auf dem Wege über eine
Neubesinnung, über neue „Haltungen" und ein neues „Bewußtsein"
verwirklicht werden kann. Wie richtig es ist, oder anders, wie schwer
es ins Gewicht fallt, wehn es bei der Einführung von Veränderungen
an der notwendigen vorherigen Neuorientierung von Bewußtsein und
Haltung mangelt, zeigt sich z. B. an der Resonanz, die die Opposition
des suspendierten Erzbischofs Lefebvre und seiner Sinnesverwandten
gegen das Konzil in Teilen der römischen Kirche gefunden hat. Insofern
kann also das Anliegen des Autors nur bejaht werden. Aber wenn
es sich damit auch schon erschöpft, und es dann näherhin heißt, es sei
„klar, daß die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils in
Richtung einer Vertiefung des Wissens um die Erlösung erfolgen
muß" (S. 78), so fällt damit doch einerseits der Anspruch an die Kirche
weitgehend heraus, während andererseits der neue Wein des Konzils
allzu schnell und selbstgewiß in die alten Schläuche allgemeiner
theologischer Richtigkeiten, und d. h. Unverbindlichkeiten, gefüllt
wird. Allzu selbstverständlich wird das Spezifische des Konzils in den
Rahmen des Traditionellen hineingenommen, so daß bald nur noch
ziemlich abstrakte Wahrheiten übrigbleiben, über die sich aufzuregen
nicht mehr lohnt. Das betrifft z. B. das Verständnis der Konzilsaussagen
über die Kirche als „Volk Gottes". Von vielen Beobachtern war
seinerzeit gerade dieser Aspekt als ein besonders gewichtiger Punkt
der Neuorientierung der Ekklesiologie hervorgehoben worden. Bekannt
ist aber auch, daß sich Bischof Wojtyla auf dem Konzil gegen
diesen Begriff ausgesprochen hatte. Entsprechend muß man jetzt
jeden Zündstoff vermissen: Der Begriff „ermöglicht" in der Interpretation
Wojtylas, „die Wahrheit über die Vaterschaft Gottes und die
universale Reichweite der Erlösungswirklichkeit genauer zu erfassen"
(S. 110), und analog eigentlich überall.