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Ausgabe:

1984

Spalte:

378

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Basile de Césarée, Contre Eunome 1984

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Seite 1

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377

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

378

heit. in Geduld und Demut bei der sittlichen Pflichterfüllung in Beruf, Familie
und Staat zu verharren.'* (S. 197) Mit dieser ganzen Konstruktion gibt Ritsch]
der Religionskritik von Feuerbach und Marx Recht. Er kann ihr von seiner
Position aus nichts entgegensetzen (S. 223). Eine überzeugende theologische
„Ableitung" der Natur aus Gott ist Ritsehl nicht gelungen. Vielmehr muß gesagt
werden : „Gott erscheint bei Ritsehl - zugespitzt gesagt - als der Befreier der
Menschheit von seiner eigenen Schöpfung." (S. 232)

Überspringen wir den frühen Herrmann mit seiner Metaphysik-
Kritik in der „Periode der relativen Sekurität nach 1870" (S. 251fT)
und kommen sogleich auf den späten Herrmann mit seinem „Rückzug
der Theologie auf das innere Leben im Zeitalter des Imperialismus
" (S. 299). Die sich zuspitzenden gesellschaftlichen Widersprüche
und Krisen (die „große Depression" Anfang der neunziger Jahre) werden
in einem sozialdarwinistischen Pessimismus als naturgegeben, in
der Natur des Menschen liegend angesehen. Der Kulturprotestantismus
schlägt um in Kulturpessimismus. Der religiöse, lebensphilosophisch
orientierte Irrationalismus hält Einzug in die Theologie,
immer noch gestützt durch den Neukantianismus als seine erkenntnistheoretische
Voraussetzung. „Die Erfahrung der Todesträchtigkeit
der Natur" erscheint bei Herrmann „als .Weg zur Religion'" (S. 306).
Mehr als „Weg zur Religion" kann die Natur freilich nicht sein, in der
Religion selbst spielt die derartig negativ gesehene Natur keine Rolle
mehr. (Vgl. das oben Sp. 376 wiedergegebene Urteil des Autors über
W. Herrmann!)

Aus dem Dargelegten ist wohl deutlich geworden, daß man sicher
schon in gewisser Hinsicht von einer Art Anpassung an ein bürgerliches
Naturverständnis sprechen kann. Aber der Begriff der „Anpassung
" bleibt bei Hasler weitestgehend unerörtert. Er denkt wohl primär
an unbewußte Anpassung. Aber es gibt ja auch bewußte Anpassung
, und bei dem Theologen, dessen Biographie vielleicht am stärksten
unter das Stichwort einer bewußten Anpassung an bestimmte
Teile des Bürgertums gestellt werden kann, bei Friedrich Naumann,
sieht das Verständnis der Natur interessanterweise ganz anders aus als
bei dem ihm nicht gleichaltrigen, aber doch gleichzeitigen Herrmann.
In seinen zwischen 1895 und 1902 geschriebenen und in der „Gotteshilfe
" dann gesammelt erschienenen Andachten gibt es bezeichnenderweise
einen umfangreichen Abschnitt „Gott und Natur", obwohl
er ja doch der Ideologie der Eigengesetzlichkeit reichlich Tribut gezollt
hat. Also eine ganz andere Art der „Anpassung" und ein anderes,
aber durchaus wohl auch „bürgerliches" Naturverständnis. Man
denke auch an R. A. Lipsius, A. Dorner, O. Pfleiderer, E. Troeltsch
mit ihrer dezidierten Kritik an Ritsehl und Herrmann, obwohl sie
doch ausgesprochenermaßen Repräsentanten eines gebildeten Bürgertums
waren. Es ist ja auch deutlich, daß „Anpassung" nach der
Darstellung Haslers bei Schleiermacher ganz anders strukturiert ist als
bei W. Herrmann; bei dem einen könnte man von harmonisierender,
gleichgestimmter Anpassung sprechen, bei dem anderen von apologetisch
-konträrer. Solche Erwägungen zeigen m. E„ daß eine allzu
direkte, unmittelbare Ableitung der Theologiegeschichte aus der ökonomischen
und politischen Entwicklung nicht möglich ist, so gewiß
allgemeine, oft verschlungen vermittelte und vielfach gebrochene Zusammenhänge
gewiß bestehen. Übrigens ist sich Haslcr der vielen
methodischen Schwierigkeiten seines Unternehmens vollauf bewußt
(vgl. S. 20-25). Er trägt seine Vermutungen und Ableitungen nicht
mit dem heute bisweilen anzutreffenden Fanatismus eines dogmatischen
Eiferers vor, sondern mit sympathischer Bescheidenheit. Das
macht sein Buch zu einer so anregenden Lektüre.

Was „Anpassung" nicht als historisches Faktum, sondern als
grundsätzliche Kategorie der Theologie betrifft, sei abschließend an
die Auffassung des schweizerischen, verstorbenen Theologichistori-
kers Ulrich Ncuenschwandcr erinnert, daß es Tür die Theologie zwar
keine Anpassung an die Zeit, wohl aber an die besser erkannte Wahrheit
geben darf und muß.

Berlin Hans-Hinrich Jcnssen

Basile de Cesaree: Contre Eunome suivi de Eunome Apologie. Intro-
duetion, Traduction et Notes de B. Sesboüe avec la collaboration
pour le texte et l'introduction critiques de G.-M. de Durand et
L. Doutreleau. Tome IL Paris: Cerf 1983. 355 S. 8' = Sources Chre-
tiennes, 305. Kart, ffr 284.-.

Band 305 setzt den Text von Band 299 fort, über den ThLZ 108,
1983 Sp. 380f berichtete. Das 2. Buch der Schrift des Basilios handelt
vom Sohn (10-143), das 3. Buch vom Heiligen Geist (144-175).
Neben dem griechischen Text stehen die Verweise auf die Ausgabe
von Migne, PG 29, Sp. 537-669. Die französische Übersetzung bietet
noch Zwischenüberschriften. Basilios schrieb diese Schrift 364 als
Priester in Cäsarea. Eunomios hatte seine Apologie 361 geschrieben.
Er vertrat die arianische Lehre von der Geschöpflichkeit des Sohnes
und des Heiligen Geistes. Der Text wird auf den Seiten 235-299 geboten
mit Verweisen auf den Text bei Migne, PG 30, Sp. 837-868. Die
Problematik der Überlieferung wird offen dargelegt (177-229). Der
Eunomios-Text wird nur im Rahmen der Schriften des Basilios überliefert
, das älteste Manuskript stammt aus dem 11., die nächsten
Manuskripte aus dem 14. und 15. Jahrhundert (198-216). Der Bearbeiter
Louis Doutreleau verweist auf die Übereinstimmung seiner Ergebnisse
mit denen von Richard Paul Vaggione, der in der Reihe
Oxford Early Christian Texts die Werke des Eunomios vorbereitet
(198).

G. H.

Herp, Henri: De processu hurnani profectus. Sermones de diversis
materiis vitae contemplativae. Introduction et edition critique par
Georgette Epinay-Burgard. Wiesbaden: Steiner 1982. XII, 278 S.
gr. 8' = Veröffentlichungen des Instituts lür Europäische Geschichte
Mainz. Abt. für abcndländ. Religionsgeschichte, 106. Kart.
DM 58,-.

Henri Herp trägt seinen Namen nach seinem Geburtsort Erp in Bra-
bant, 1445 wurde er Rektor des Hauses der Brüder vom gemeinsamen
Leben in Delft. Auf einer Romreise 1450 wurde er Franziskaner. In
den Jahren 1450-70 erschienen mehrere Schriften von ihm; die meisten
wurden 1538 unter dem Sammeltitel „Theologia mystica" gedruckt
(Nachdruck 1966). Seine Schrift „Spiegel der Vollkommenheit
" erschien 1931 gedruckt. Die hier anzuzeigende Schrift blieb
bisher ungedruckt. Sie enthält 21 Sermone (92-267). Die Ausgabe
stützt sich auf 9 Manuskripte, von denen allerdings nur 2 den Text
vollständig enthalten. Der Inhalt der Sermone wird vorher in Kurzfassung
geboten (34-76). Drei Gedanken von Herp sind hervorzuheben:
Laien können ein vollkommenes Leben führen ohne Übernahme
mönchischer Gelübde; der Gehorsam gegenüber Vorgesetzten hat
eine Grenze in Eingebungen des Heiligen Geistes; die Werke an sich
sind ohne Kraft, wenn sie nicht unterstützt werden von einer gereinigten
Intention, die nicht sich selber sucht, sondern Gott allein. Als
Quellen werden Dionysius Areopagites sowie die lateinischen Väter
Hieronymus, Ambrosius, Cassian, Augustin, Cassiodor und Gregor
d. (lt . erwähnt (79). Aber auch die Victoriner, die Zisterzienser sowie
französische Franziskaner haben eingewirkt. Der Einfluß des Thomas
von Aquin ist so deutlich, daß die Frage entstehen konnte: Gehört
Herp unter die Thomisten? (81) Wichtig waren schließlich auch Einflüsse
von Tauler und Ruysbrock; man hat Herp sogar als „Herold"
des Ruysbrock bezeichnet. Die Bibliographie füllt im Kleindruck die
Seiten 269-275.

G. H.

Bressan, Luigi: Votum Tridentino inedito di G. Lainez sul matrimonio
(Gr. 64. 1983 S. 307-330).

Farantos, Mcgas: Die Frage nach der Kirche in Luthers Rcchtfertigungslehrc
(EvTh43,1983 S. 557-573).

Gamble, Richard CTaig: Augustinus contra Maximinum. An Analysis of
Auguslinc's Antiarian Writings(Diss. theol. Basel 1983).