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Ausgabe:

1984

Spalte:

370-372

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Ebel, Jobst Christian

Titel/Untertitel:

Wort und Geist bei den Verfassern der Konkordienformel 1984

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

370

530) des Unternehmens, worüber sich jeder dogmen- und theologiegeschichtlich
Interessierte angesichts vieler ähnlicher lange Erscheinungsfristen
beanspruchender Publikationen nur freuen kann. So
wird es für das ganze Gebiet christlicher Lehrbildung ein Standardwerk
geben können mit einem zeitlich relativ geschlossenen For-
schungs- und Literaturstand.

Mutig und gewagt zugleich hat der Herausgeber die drei in Aussicht
genommenen Bände mit Überschriften, gewissermaßen mit Stichworten
, versehen. Band 2 war unter dem Begriff „Konfessionalität" erschienen
und hatte unter diesem Leitbegriff Reformation und Gegenreformation
behandelt. Band 3 nun erhält als Leitbegriff „Ökumenizi-
tät". Andresen hatte seine terminologische Entscheidung schon in
dem Vorwort des zuerst erschienenen (2.) Bandes begründet. Der jetzt
zur Besprechung vorliegende Teil des Gesamtwerkes spricht fast anderthalb
Jahrtausende Lehrentwicklung „im Rahmen der Katholizi-
tät" an. Die Darstellung ist geführt von der „Entstehung christlicher
Lehrnormen und -formen" bis zur „Theologie in der Zeit der Reformkonzilien
", also bis in diezweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Die fünf Mitarbeiter des hier anzuzeigenden Bandes, jeder von
ihnen ein ausgewiesener Forscher für jeweils seinen Part, haben ihre
Aufgabenfelder folgendermaßen abgesteckt: „Die Anfange christlicher
Lehrbildung" (1. u. 2. Jahrhundert) (C. Andresen, 1-98),
„Dogma und Lehre in der Alten Kirche" (3. bis 5. Jahrhundert)
(A. M. Ritter, 99-283), „Dogma und Lehre der Orthodoxen Kirche
von Byzanz" (7. bis 14. Jahrhundert) (K. Wessel, 284^f05),
„Dogma und Lehre im Abendland. Erster Abschnitt: Von Augustin
bis Anselm von Canterbury" (4. bis 12. Jahrhundert) (E. Mühlenberg
, 406-566), „Zweiter Abschnitt: Die Zeit der Scholastik" (1 l.bis
15. Jahrhundert) (M.A.Schmidt, 567-754).

Die Vorzüge des Bandes: Auch wenn bei fünf Mitarbeitern im Horizont
der Feststellung einer einheitlichen „Linie" weder pauschale laudatio
noch allgemein gültige kritische Einwände angebracht erscheinen
, so dürfen doch durchweg Übersichtlichkeit, verläßliche Information
, Bekanntgabe des Forschungsstandes, ein ausgedehnter Anmerkungsapparat
und vor den einzelnen Kapiteln bzw. Abschnitten eine
imponierend reiche Notierung der Literatur in Petitdruck dankbar
quittiert werden. An und für sich bietet jeder Mitarbeiter eine in sich
geschlossene Leistung, und man ist doch auch veranlaßt, bei der
Kompliziertheit der ineinandergreifenden Probleme in der Theologiegeschichte
die Präzision in der jeweiligen Abgrenzung der Beiträge
zu bewundern. Es wäre müßig, hier und da Akzentkorrekturen zu verlangen
; deren Aufnahme würde die Kritik wieder anderer Rezensenten
hervorrufen. Wichtig ist, daß das Leitmotiv, auch theologische
Strömungen dann aufzunehmen, wenn sie nicht dogmen- bzw. bekenntnisbildend
gewirkt haben, durchgehalten wurde. Dieses kann
man allen Mitarbeitern bescheinigen. Im allgemeinen ist auch angesichts
der Vielzahl der Lehrbildungen das Wesentliche in der verbindlichen
kirchlichen Lehrentwicklung erkennbar geblieben, so schwierig
solche Beobachtungen auch sein mögen angesichts des Fehlens einer für
alle Kirchen Dogmen und Bekenntnisse setzenden Instanz.

C. Andresen setzt konsequent bei Christus, beim neutestament-
lichen Zeugnis, besonders profiliert durch die paulinische und johan-
neische Theologie, an. Seine bisherigen Forschungen zur Theologie
des 2. Jahrhunderts zwischen Mythos und Logos fließen sehr deutlich
in die Darstellung auch dieses Bandesein. A. M. Ritter stellt in Anknüpfung
an die großen Dogmengeschichten seit Adolf von Harnack
die trinitätstheologische Entwicklung, hier besonders das Konzil von
Nicäa (325). und dann den christologischen Streit, hier besonders das
Konzil von Chalkedon (451), in den Mittelpunkt seines Beitrages. K.
Wessel führt in der erforderlichen Breite die Gründe für die Abgrenzung
zwischen Rom und Byzanz an und geht dabei folgerichtig auf die
verschiedene Beurteilung der Bilderfrage ein. Darüber hinaus werden
aber auch und wesentlich Lehre, Kultus und Recht als Kriterien für
den Bruch zwischen Ost- und Westkirche erläutert.

Der vierte Teil ist sinnvollerweisc untergliedert worden. Die Entwicklung
im Abendland zwischen Augustin und Anselm wird von E.

Mühlenberg unter starker Betonung des augustinischen Erbes behandelt
. In Anselms Lehrsystem wendet sich der Verfasser besonders
pointiert dem Begriff der „ratio" zu. M. A. Schmidt, Verfasser des
einschlägigen Faszikels in „Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch
" (1969), führt das Riesenfeld der Scholastik von deren Frühzeit
bis zu Nikolaus von Kues vor. Der Herausgeber C. Andresen dankt
M. A. Schmidt für die Möglichkeit, den Schmidtschen Beitrag durch
„kleinere Zufügungen" zu ergänzen, die Andresen zugunsten einer
von ihm im Vorwort angedeuteten „Generallinie" für erforderlich
gehalten hatte.

Der Herausgeber weist ferner in seinem Vorwort daraufhin, daß das
Verständnis der Kirchen- und Dogmengeschichte als „Geschichte der
Auslegung der Heiligen Schrift" (XIV) „nicht ohne ein bestimmtes
Vorverständnis möglich" sei, das „im protestantischen Bereich heimisch
" ist. In diesem Zusammenhang nennt C. Andresen R. Bultmann
und H. Conzelmann, deren Vermächtnis er mit „Theologie als
Schriftauslegung" kennzeichnet. Von den beiden genannten Theologen
her, denen sich der Herausgeber besonders verbunden weiß, erkennt
er das „neutestamentliche Mitspracherecht innerhalb der
dogmengeschichtlichen Diskussion" und bezieht diese Einsicht nicht
nur auf die Einschätzung von Lehrsätzen der beiden ersten Jahrhunderte
. '

Fragen an den Band: Vielleicht ist trotz des oben dargetanen Kriteriums
des Herausgebers bei den einzelnen Beiträgen der Geschichte
der Bibelexegese doch zu wenig Raum gegeben? Vielleicht ist für das
Kontinuum der Lehrentwicklung auf den reformatorischen Grundansatz
hin oder von diesem her nicht alles transparent gemacht, was
zum Verständnis der Reformation im 16. Jahrhundert erforderlich
wäre? Kommt die spätere Mystik (Tauler, Seuse, 736), kommt schon
Bernhard von Clairvaux nicht ein wenig zu kurz weg? Zufälligkeit der
Auswahl und Relativität solcher Fragen sind dem Rezensenten deutlich
. Sie können in diesem Zusammenhang nicht mehr sein als ein
kleines Zeichen der Bereitschaft zum engagierten Mitdenken.

Eine Reihe von Druckfehlern sind stehengeblieben. Sie ließen sich
bei einer sicher nötigen zweiten Auflage leicht ausmerzen, etwa was
die Schreibweise des Namens Lanfranc angeht (544, 548, 567).

Der Band bereichert mit seiner weiten Fragestellung die Kenntnis
christlichen Denkens über anderthalb Jahrtausende. Er faßt Forschungen
von Jahrzehnten zusammen. Er ermöglicht in qualifizierter
Weise jede Art der Weiterarbeit. Er zeigt, daß unsere Kultur ohne die
Wirkungsgeschichte des Neuen Testaments Gottes mit seinem Volk
nicht zu denken ist. Allen an dieser bedeutsamen Geschichtsschreibung
Beteiligten gelten Dank und hohe Anerkennung.

Berlin Joachim Rogge

Ebel, Jobst Christian: Wort und Geist bei den Verfassern der Konkor-
dienformel. Eine historisch-systematische Untersuchung. München
: Kaiser 1981. 334 S. gr. 8° = Beiträge zur Evangelischen Theologie
, 89. Kart. DM 58,-.

Dieser Arbeit geht es um eine „systematische Rekonstruktion" des
Themas Wort und Geist als Aussagen, die „Teile eines weitgehend in
sich geschlossenen Begründungszusarnnfcnhanges theologischer Aussagen
im 16. Jahrhundert" sind. Der Vf. gibt in den Vorüberlegungen
im einzelnen Rechenschaft darüber, was dies für die Methode der
Arbeit bedeutet: Einer historischen Frageintention, die die Verbindlichkeit
der Aussagen der Konkordienformel (FC) vorerst ausklammert
, die übrigen Schriften ihrer Verfasser gleichrangig bewertet und
die zeitlichen Grenzen der Untersuchung mit 1568 und 1583 setzt,
entsprechen systemalische Erwägungen, die für die historische Untersuchung
relevant sind, aber auch zur Gewinnung verbindlicher Aussagen
von Theologie und Kirche heute beitragen wollen. Dafür werden
einige Probleme und Aporien benannt, die in der heutigen systematisch
-theologischen Diskussion eine Rolle spielen und aus dem
theologischen Ansatz Gerhard Sauters (der diese Bonner Dissertation