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Ausgabe:

1984

Spalte:

364-365

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bainton, Roland Herbert

Titel/Untertitel:

Martin Luther 1984

Rezensent:

C., U.

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

364

Nuntiaturberiehte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken.

3. Abt. 1572-1585, 6. Bd.: Nuntiatur Giovanni Delfino«
(1572-1573). Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts in
Rom bearbeitet von Helmut Goetz. Tübingen: Niemeyer 1982.
XXI, 552 S. DM 156,-.

Die deutschsprachigen historischen Institute Roms haben 1891 und
1893 die Bearbeitung der verschiedenen päpstlichen Nuntiaturen im
engeren Gebiet des alten Reiches untereinander aufgeteilt. Dabei fiel
der wichtige Pontifikat Gregors XIII. 1572-1585, unter dem das
päpstliche Gesandtschaftswesen seinen entscheidenden Ausbau erfuhr
, als „Dritte Abteilung" der „Nuntiaturberiehte aus Deutschland
" an das damalige Preußische, heute Deutsche Historische Institut
. Bereits 1892 und 1894 erschienen dort zwei umfangreiche Bände
von J. Hansen, in denen römische Korrespondenzen zu zentralen Ereignissen
der Reichspolitik zusammengestellt waren. 1891 wurde
K. Schellhass für die weitere Bearbeitung der Wiener Nuntiatur eingestellt
. Er konzentrierte sich aber statt dessen auf die außerordentlichen
Nuntien Portia und Ninguarda, die Gregor XML zwecks Durchsetzung
der katholischen Reform nach Deutschland entsandt hatte. Die
Portia-Korrespondenz .erschien 1896-1909 als Bd. 3-5 der Dritten
Abteilung der Nuntiaturberiehte. Im Falle der Ninguarda-Nuntiatur
entschied sich Schellhass aber statt einer reinen Edition Für die Veröffentlichung
einer aktengesättigten Darstellung, die er 1930-39 in zwei
Bänden vorlegte. Seither stagnierte die Arbeit an der Dritten Abteilung
. Nachdem aber nicht nur die Zweite, sondern neuerdings auch
die Erste Abteilung abgeschlossen ist, wird jetzt die Dritte mit dem
vorliegenden, von H. Goetz besorgten 6. Band wieder aufgenommen
und hoffentlich zügig weiter fortgesetzt werden. Es handelt sich um die
ordentliche Nuntiatur des Giovanni Delfino am Wiener Hof 1571-78,
deren erster Teil noch unter den Pontifikat Pius' V. fiel und daher bereits
1967 im Rahmen der Zweiten Abteilung von J. Rainer veröffentlicht
wurde (vgl. meine Besprechung in: Römische Quartalschrift 63,
1968, 114-116). Der vorliegende Band umfaßt 173 Stücke Korrespondenz
zwischen dem Nuntius und Rom von Mai 1572 bis April
1573 sowie einen Anhang von 43 teilweise höchst interessanten „ergänzenden
Aktenstücken". Sämtliche 216 Dokumente sind im vollen
Wortlaut ediert, was angesichts des Zerfalls der Originale vor allem
auch als Konservierung dieser Quellen verstanden werden muß. Damit
entzieht sich Goetz von vornherein dem ewigen Streit über Vollausgabe
oder Regestierung von Nuntiaturberichten. Die Kommentierung
beschränkt sich im Gegensatz zu früheren Bänden bewußt auf die
Erläuterung von Begriffen und Namen, ist aber in diesem Rahmen
recht gründlich und zuverlässig. Nur Anm. 9 auf S. 189 ist zumindest
mißverständlich: Der Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg hat
1577 doch resigniert, um zu heiraten! Außerdem sollte man den
Kölner Rat im Regest nicht als „Senat" vorstellen (S. 212) und die
„stati" der kaiserlichen Länder nicht mit „Staaten", sondern mit
„Stände" übersetzen (S. 230). Das sorgfältig gearbeitete Register läßt
m. E. dank Berücksichtigung von Sachbegriffen und Querverweisen
keine Wünsche offen. Hingegen sind die einleitenden Ausführungen
zur Sache ein bißchen knapp ausgefallen.

Es blieb das wichtigste Anliegen der päpstlichen Politik, Kaiser
Maximilian H. in Zusammenarbeit mit spanischen Diplomaten für
das Bündnis gegen die Türken, konkret für einen flankierenden Angriffin
Ungarn zu gewinnen, der die im Mittelmeer operierende Flotte
entlasten sollte. Da der Kaiser diesen Wunsch zu Recht mit dem Hinweis
auf die Kräfteverhältnisse und die unsichere Unterstützung
durch das Reich abweisen konnte, war die Kurie bestrebt, einen
Reichstag zu diesem Thema herbeizuführen. In diesem Zusammenhang
gehört die wenig bekannte Tagung der Räte der Kurfürsten in
Mühlhausen/Thüringen im Sommer 1572, über die neue Quellen
mitgeteilt werden (Nrr. 15,35,43,3*, 10*).

Obwohl dies weder vom Nuntius noch vom Bearbeiter ausdrücklich
festgestellt wird, verschränkt sich dieses Ziel päpstlicher Politik ganz
offensichtlich mit dem wichtigsterrProjekt des Kaisers in diesem Jahr,

der polnischen Thronfolge für seinen Sohn Ernst, für die sich der Kardinallegat
Commendone einsetzen sollte, dessen Berichte übrigens
durch die Hände Delfino« nach Rom liefen. Da die Polen aber wenig
geneigt waren, einen Habsburger zu wählen - der Anhang enthält
einige aufschlußreiche Berichte über die polnische Szene - schwenkte
die päpstliche Politik zur Begünstigung Heinrichs von Anjou, des späteren
Heinrich III. von Frankreich. Als diese Schwenkung im Herbst
1572 längst vollzogen war, wurde von Rom dem Kaiser und dem
Nuntius immer noch weisgemacht, die päpstliche Unterstützunggelte
nach wie vor Erzherzog Ernst. Erst im Dezember 1572 wird der Kaiser
offensichtlich mißtrauisch und der Nuntius erkennt, welches Doppelspiel
getrieben wird (bes. Nrr. 102, 115). Nun winkt der Kaiser jedesmal
mit seinem Ligabeitritt, wenn für Habsburg günstige Nachrichten
aus Polen kommen, während die Kurie ihre Absichten weiter verschleiern
läßt. Der Nuntius muß aber immer wieder seinen Verdacht
melden, der Kaiser werde doch bei dem 1568 geschlossenen und noch
bis 1576 gültigen Waffenstillstand mit der Pforte bleiben und das übliche
„Geschenk" (seinen Tribut!) nach Istanbul schicken. Das scheint
Maximilian dann auch getan zu haben, als der am 7. März 1573 geschlossene
Sonderfriede Venedigs mit den Türken bekannt wurde.

An der Rechtgläubigkeit des „rätselhaften Kaisers" äußert Delfino
keine Zweifel, offensichtlich hat ihn die verbindliche Haltung gewonnen
, die Maximilian in den zahlreichen Audienzen, von denen berichtet
wird, einzunehmen pflegte. Bisweilen hat der Kaiser auch durchaus
dem „gegenreformatorischen Druck" des Nuntius nachgegeben;
zu erwähnen wäre etwa die Vertreibung des Tileman Hesshus, der als
Begleiter Herzog Johann Wilhelms von Sachsen nach Wien gekommen
war und dort beträchtlichen Zulauf bei seinen Predigten hatte
(Nr. 22). Das Gemetzel der Bartholomäusnacht hat Maximilian allerdings
mißbilligt und sich nicht bewegen lassen, die Erlaubnis zur
Publikation der aus diesem Anlaß verkündeten Jubiläumsbulle in seinen
Ländern zu geben, dem Nuntius gegenüber mit der zutreffenden,
aber unvollständigen Begründung, er würde dadurch bei den Reichsfürsten
kompromittiert. In Briefen an eben diese Fürsten führte Maximilian
aber eine andere Sprache (Nrr. 51, 63, 72, 74, 84, 86,87, 20*,
28*). Goetz hat den vom Bearbeiter der französischen Parallelnuntia-
tur Salviati (1572-78), P. Hurtubise, entdeckten, aber bislang nicht
veröffentlichten Text dieser umstrittenen Bulle im Anhang publiziert
(Nr. 22*).

Ständig ist auch vom Streit um den Großherzogtitel für Toskana die
Rede, den Pius V. unter Übergehung des Kaisers verliehen hatte.
Doch spielen neben diesen politischen Problemen auch die im engeren
Sinne kirchlichen eine große Rolle: die Aktivität der Protestanten,
nicht zuletzt auf verschiedenen Landtagen, muß beobachtet und bekämpft
werden, es gab auch allerhand Probleme der Ordensdisziplin
, Dispensen und Pfründenbesetzungen zu lösen. Am schwierigsten
war die Besetzung ungarischer Bistümer, Klöster und Stifte, die
von Türken und Calvinisten bedroht waren und wo die Informationen
über die Kandidaten sehr zu wünschen übrig ließen (vgl. Nr. 5*). Insgesamt
handelt es sich um eine typische Hofnuntiatur mit ausgesprochen
diplomatischem Charakter, im Gegensatz zu „Gegenreforma-
tionsnuntiaturen" wie Köln. Vor allem am Fall polnische Thronfolge
ist dabei deutlich zu erkennen, daß „nationale" Nuntiaturberichtsedi-
tionen des überkommenen Typs stets nur begrenzte Erkenntnisse
über die päpstliche Politik zu liefern vermögen. Daher beginnt das
Deutsche Historische Institut in Rom jetzt neue Wege zu gehen, um
die Perspektive der römischen Zentrale, wo die Informationen zusammenströmen
, stärker zur Geltung zu bringen.

Augsburg Wolfgang Reinhard

Bainton, Roland H.: Martin Luther. Aus dem Amerikari. v. H. Dör-
ries. Veränd. Nachdruck der von B. Lohse hrsg. 7., Überarb. Aufl.
der deutschen Ausgabe. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe
des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen) 1983.
370 S. m.86 Abb. 8".