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Ausgabe:

1984

Spalte:

358-359

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Studies in Midrash and historiography 1984

Rezensent:

Holtz, Traugott

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357

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

358

Ein 1. Kap. - "The eschatological discourse in Matthew" (S. 7-29)
- führt kurz in die Haupttendenzen der Forschung ein und hebt die
redaktionskritische Ausrichtung der Studie hervor.

Das 2. Kap. - "The christology of the discourse in Matthew 24"
(S. 30-182) - stellt heraus, daß die mit 24,3 einsetzende Rede thematisch
durch eine mit 23,32 beginnende Einleitung vorbereitet wird, in
der Vf. den entscheidenden „Schlüssel" der Interpretation von
Mt 24.3-31 sieht. Für Mt 23,34 zieht er aus der Umwandlung des
Weisheitsspruches der Q-Vorlage (vgl. Lk 11,49f) in ein Herrenwort
den Schluß, daß Matthäus Jesus mit der Weisheit Gottes identifiziert.
Israel, das zu allen Zeiten die Boten der Weisheit zurückgewiesen hat,
lehnt auch Jesus, die inkarnierte Weisheit, ab. Wegen dieser Ablehnung
wird Israel 23,38 mit dem Gericht bedroht: Die Gegenwart
Gottes (Shekina), die-in Jesus-Sophia verkörpert ist, wird Israel verlassen
. Im pointierten Weggang Jesu aus dem Tempel (24,10 zeigt
Matthäus die Erfüllung dieser Drohung an. Mit 24,3 setzt eine neue
Szene ein, in der Jesus als inkarnierte Weisheit nur noch zu den Jüngern
spricht.

Das 3. Kap. - "The Testament of Jesus" (S. 183-361) - bestimmt
zunächst die eschatologische Rede vom Kontext und der Funktion her
als Testament von Jesus-Sophia. Vf. versteht Mt 24,3-31 als ausschließlich
an die Jünger gegebene Offenbarung und deutet den Text
deshalb konsequent als Wort an die Gemeinde des Matthäus: die Warnung
vor den falschen Propheten (24,4-8, vgl. 24,10-12.23-25.26-28)
bezieht sich auf Enthusiasten in der Gemeinde, denen die noch ausstehende
Parusie aus dem Blick gekommen ist; 24,9-14 stellt dagegen
als Aufgabe in der Zeit zwischen Auferstehung und Wiederkunft Jesu
die Bezeugung des Evangeliums durch Wort und Tat heraus; die dem
Ende vorausgehende „Trübsal" (24,15-22) zeichnet hintergründig die
Gefahr des Abfalls von Jesu Gebot; erst das „Zeichen des Menschensohnes
" kündigt die Parusie an und zeigt zugleich, daß der Menschensohn
derselbe Jesus ist, der als inkarnierte Weisheit angenommen
oder abgelehnt worden ist.

Das 4. Kap. - "The significance of the eschatological discourse for
interpreting the gospel of Matthew" (S. 361-403) - sucht schließlich
die Hauptthemen der eschatologischen Rede - Christologie und Jüngerschaft
- in den Horizont des gesamten Evangeliums zu stellen. Vf.
beurteilt die Weisheitschristologie als entscheidende Komponente im
christologischen Entwurf des ersten Evangelisten, die auch für das
Verständnis der Jüngerschaft und damit der Matthäusgemeinde von
Bedeutung ist, insofern sich der Jünger als Gesandter der in Jesus
inkarnierten Weisheit verstehen darf.

Angefügt sind 5 zusammenfassende Darstellungen zu wichtigen
Begriffen (S. 404-484), zwei hilfreiche Register (S. 435^*64) und eine
Zusammenfassung der Arbeit (S. 465).

Vf. hat sich in seinem Buch einem wichtigen Text zugewandt und
ohne Zweifel eine beachtenswerte Auslegung erstellt, die neben einer
Vielzahl wertvoller Einzelbeobachtungen vor allem auch durch den in
sich geschlossenen Entwurf beeindruckt. Problematisch erscheint für
die Grundthese allerdings, daß die Identifikation Jesu mit der Weisheit
nicht direkt ausgesagt ist, sondern jeweils erst aus Hintergründen
und Analogien erschlossen werden muß. Es bleibt gerade für die dem
Vf. so wichtige Stelle Mt 23,34 die Frage, ob sich die Umwandlung
des Weisheitsspruches in ein Herren wort in der Tat nur damit erklären
läßt, daß Jesus mit der inkarnierten Weisheit identifiziert werden
soll. Vor allem: wäre eine solche-Andeutung dem Leser, der die
Schrift ja nicht auf dem Hintergrund der Vorlagen liest, verständlich?
Diese Anfrage von M. D. Johnson an M. J. Suggs, die Vf. ausführlich
bespricht, scheint uns durch die von ihm erbrachten Argumente
keineswegs entkräftet zu sein. Auch hinsichtlich Mt 24,1 stellt sich bei
der doch eigentlich relativ zurückhaltenden Redaktion des Markustextes
die Frage, ob Matthäus mit dieser Überleitung tatsächlich eine
so gewichtige theologische Aussage intendiert, wie Vf. annimmt.

Hier und an anderen Stellen bleiben also bei dieser anregenden
Arbeit Fragen offen.

Erfurt Claus-Peter März

Ellul, Jacques: Apokalypse. Die Offenbarung des Johannes - Enthüllung
der Wirklichkeit. Ins Deutsche übertr. von J. Meuth. Neukirchen
-Vluyn: Neukirchener Verlag 1981. VII, 263 S. 8". Kart.
DM 38,-.

Jacques Ellul (geboren 1912), als christlicher Politikwissenschaftler.
Zeit- und Gesellschaftskritiker bekannter Sozial- und Rechtshistoriker
der Universität Bordeaux (Frankreich), hat sein Interesse nun
auch der letzen Schrift des neutestamentlichen Kanons zugewandt.
Sein Buch «L'Apocalypse, Architecture en Mouvement», 1975 bei
Desclee et Cie (Paris - Tournai) erschienen, wurde jetzt, in der vorbildlichen
Übersetzung von Jörg Meuth, vom Neukirchener Verlag
auch in deutscher Sprache vorgelegt.

Der Verfasser will - im Gegensatz zu den sich in Details verlierenden
Kommentaren der Fachexegeten - den Sinn und die Struktur der
Apokalypse herausarbeiten, die „als ein Ganzes verstanden werden
muß, dessen Teile ihre Bedeutung nur in der Beziehung auf den
Gesamtzusammenhang gewinnen" (S. 3).

Nach einer Einführung (S. 1-3) und zwei Einleitungsabschnitten zum
„Methodenproblem" (S. 3-12) und zum Thema „Apokalypse und Prophelie"
(S. 13-27) widmet Ellul seinem Vorhaben acht Kapitel: „Die .Struktur'"
(S. 28-53; A: „Grundlinien einer Dynamik"; B: „Die Apokalypse und ihr
Inhalt"); „Der Schlußstein" (S. 54-89; zu Apk 8,1-14,5); „Das Opferlamm -
der Himmelsherrscher" (S. 90-115; zu Apk 1.5.14.19.22); „Die Kirche und ihr
Herr" (S. 116-135; zu Apk 2-4); „Die Offenbarung der Geschichte"
(S. 136-162; zu Apk 5-7); „Das Gericht" (S. 163-209; zu Apk 14,6-20,15);
„Die Neue Schöpfung" (S. 210-229; zu Apk 21.22,1-5); „Hymnen und Doxo-
logien" (S. 230-256; zu Apk 1.4.5.7.12.15.19.22). Der Band wird beschlossen
durch Literaturverzeichnis(S. 257f)undStellenregister(S. 259-263).

Da Ellul kein Neutestamentier ist, konnte auch keine eigentlich
exegetische Untersuchung entstehen. Stattdessen spürt der Autor
„dynamischen" Strukturen der Apokalypse nach („Architektur in Bewegung
", S. 28), läßt sich von einzelnen Aussagen der Johannesoffenbarung
zu christlicher, teilweise meditativ dargebotener Zeit-, GeselU
Schafts- und Politikkritik inspirieren und kämpft einen vergeblichen
Kampf mit der historisch-kritischen Auslegung der Apokalypse, insbesondere
mit Religions-, Traditions- und Redaktionsgeschichte.

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Wie bei einem Dilettanten in neotestamenticis nicht anders zu erwarten, ist
die Zahl sachlicher Fehler und Fehlurteile beträchtlich (z. B. die apodiktische
Trennung der Apokalypse von der jüdischen Apokalyptik, S. 6; die Behauptung
, nur der Widder von Apk 13,11, aber nicht das „Lamm" besäße Hörnergegen
Apk 5,6! -, S. 85; die Identifikation der 7 Siegel von Apk 5,1 mit den
7 Geistern von Apk 1,4, S. 139 ; die Identifikation der beiden Reiter auf weißem
Pferd Apk 6,2; 19,11, S. 142f; die Verkennung der heilsgeschichtlichen Rolle
der Wüste, S. 161; die Ableitung des Bedeutungsinhalts der „Gnade" vom lateinischen
gralia/gralis statt vom griechischen charis, S. 255f Anm. 12).

Mindestens ein Teil dieser Irrtümer hätte sich vermeiden lassen,
wenn der Autor sein Manuskript einem Neutestamentier zur Durchsicht
übergeben hätte; freilich zeigen Elluls anmaßende Urteile über
„gewisse Ausleger" und ihre „eigenartige Idee" (S. 160T; vgl. auch
S. 4f;S. 143, Anm. 2;S. 150, Anm. 5), daß es ihm nicht ums Belehrtwerden
, sondern nur ums Belehren ging.

So ist Elluls Buch für den Neutestamentier überflüssig, ja ärgerlich.
Vielleicht erkennt jedoch seinen Wert, wer die klugen und bedenkenswerten
Äußerungen des Verfassers zu Gewalt und Gewaltlosigkcit. zu
Offenbarung und Geschichte, zu Politik und Entfremdung als selbständige
Gedanken (und ohne den Anspruch einer Apokalypseaus-
legung) zu lesen vermag. „Alles ist Gnade" - das ist zwar nicht „die
zentrale Botschaft der Apokalypse des Johannes" (so Ellul S. 255 zu
Apk 22,21), aber doch wohl des Neuen Testaments in seiner Gesamtheit
.

Mainz Otto Böchcr

France, R. T., and David Wenham [Eds.]: Gospel Perspectives. Stu-
dies in Midrash and Historiography. Vol. III. Sheffield: JSOT Press
1983.299 S.8L Pp. DM45,-.

Der 3. Band, den das Gospel Research Project of Tyndale House,
Cambridge, vorlegt (vgl. zu Bd. I ThLZ 106, 1981 Sp. 197; zu Bd. 2