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Ausgabe:

1984

Spalte:

345-347

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Watters, William R.

Titel/Untertitel:

Formula criticism and the poetry of the Old Testament 1984

Rezensent:

Koch, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 5

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send dargestellt, wobei zugleich historische Präzisicrungen versucht
werden. Urheber und ursprünglicher Tradentenkreis der Sichcm-
schicht ist nach M. die Israel/Jakob-Gruppe in der Zeit, da sie noch
eine eigene Größe darstellt, aber schon mit jahweverehrenden mittelpalästinensischen
Gruppen in Verbindung steht. Das führt zu einem
Ansatz zwischen 1200 und 1100 v.Chr.

Die elohistische Überarbeitung erhebt die einstmalige Entscheidung
der Israel/Jakob-Gruppe für Jahwe zu einem gesamtisraelitischen
Vorgang. E gestaltet den Aufriß in formaler Anlehnung an seine
Sinaierzählung. „Der Bundesschluß zu Sichern ist also eine literarische
Projektion des E, das Verhältnis von Sinaibund zu Sichembund
ein rein literarisches" (S. 260). E ist nach M. zeitlich nahe vor dem
Untergang des Nordreiches Israel anzusetzen. Aus dem Nachweis
einer elohistischen Redaktionsschicht in Jos 24 sind redaktionsgeschichtliche
Folgerungen zu ziehen: eine Tetrateuch-Theorie ist nicht
mehr zu halten, und der Hexateuch-Theorie ist der Vorzug zu geben
(soS. 2680-

Die jehovistische Überarbeitung ist typisch redaktionell und kann
daher (so M. gegen P. Weimar) nicht als das Ende eines jehovistischen
Geschichtswerkes angesehen wefden. Sie stellt den Versuch dar, die
Katastrophe von 722 theologisch zu verarbeiten. Der Jehovist wird
von M. nur wenig später als der Elohist datiert, um 700 n. Chr.

Die deuteronomistische Überarbeitung, die, wie die Untersuchung
ergibt, in zwei Phasen erfolgt ist, bezieht Sinaitradition und Gesetzeswerk
redaktionell aufeinander und gibt beide als sachliche Einheit
aus, .ja es hat den Anschein, daß die dtr. Überarbeitung von Jos 24
. . . überhaupt nur in der Konsequenz des zuvor eingefügten Deute-
ronomiums erfolgt ist" (S. 278). Da zumindest die erste Phase der dtr.
Überarbeitung vorexilisch ist, sei zu schließen, daß die Einfügung des
Deuteronomiums in das Werk des Jehovisten in der letzten Zeit des
Südreiches Juda vorgenommen worden ist.

Die künftige Forschung über Jos 24 wird an Mölles sorgfältiger
Untersuchung nicht vorübergehen können. Was die beiden ersten
Schritte, die literarkritische und die formkritische Analyse betrifft, so
kann man sich ihrer Evidenz kaum entziehen. Die vorgenommene
Schichtung des Textes wirkt auch in Einzelheiten überzeugend, wenn
sich auch die Frage nicht unterdrücken läßt, ob wirklich jede der verschiedenen
Redaktionen den älteren Bestand ungeschmälert übernommen
hat. Bei manchen der historischen Folgerungen, die vom
dritten Abschnitt an gezogen werden, lassen sich Zweifel anmelden.
Ist wirklich so klar erwiesen, daß Josua weder mit Ephraim noch mit
der Mosegruppe noch mit der Landnahme etwas zu tun hatte, sondern
nur charismatischer Führer der kleinen Israel/Jakob-Gruppe war?
Läßt sich wirklich auf Grund einer dem Elohistcn zugesprochenen
Schicht in Jos 24 eine Datierung des Elohisten begründen? Wie wäre
es, wenn diese Schicht nicht elohistisch, sondern protodeuterono-
misch wäre? Dann entfielen manche der von M. gezogenen Folgerungen
. Jedenfalls ließen sich auf der Grundlage der von M. vorgenommenen
Schichtung des Textes mehrere voneinander abweichende geschichtliche
und überlieferungsgeschichtliche Theorien entwickeln.

Gern wird man wieder M. in seinem Beweisgang dafür folgen, daß
eine Konföderation der Stämme Israels auf einem Landtag zu Sichern
aus Josua 24 nicht ableitbar sei, daß der in Jos 24 berichtete Bundesschluß
kein historisches Faktum sei, vielmehr eine literarische Projektion
späterer Zeit und daß der Text überhaupt keine Grundlage für die
Annahme eines sichemitischen Bundesfestes liefert.

Berlin Ludwig Wächter

Watters, William R.: Formufa Criticism and the Poetry of the Old
Testament. Berlin-New York: de Gruyter 1976. XVI, 227 S.
gr. 8* = Beiheft zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft
, 138. Lw. DM 92,-.

Seit S. Gevirtz (Pattern in the Early Poetry of Israel 1963) die
These von einem festen Grundstock von Wortpaaren als entscheidende
Grundlage für die Ausbildung des Parallelismus membrorum

und damit der Poesie in Ugarit und Israel aufgestellt hat. suchen
angelsächsische Exegeten nach solchen Verbindungen und ihren
Abwandlungen in den verschiedenen alttestamentlichen Büchern.
Diesem Trend folgend, möchte W. die „Formelkritik" als eine
eigene Auslegungsmethode einführen. Sie hat die einzelnen Literaturwerke
systematisch auf sämtliche auftauchende Wortpaare und
wiederholte Phrasen hin zu untersuchen, um von daher die Originalität
bzw. Kreativität der Autoren und ihre Traditionsgebundenheit
zu bestimmen, darüber hinaus Grundbestand eines Werkes und
(redaktionelle) Komposition von einander abzuheben. Die Studie
greift als repräsentative Beispiele Jesaja, lob, Klagelieder und Rut
heraus. Eine Liste der Word Pairs und phrases am Schluß der Studie
S. 155-218 präsentiert das Ergebnis. Der Leser sollte mit ihr beginnen
, denn sie liefert die Basis Für das, was vorher auf S. 1-154
ausgeführt wird. Die Vielzahl der Einträge beeindruckt und läßt
einen bemerkenswerten Fleiß erkennen. Es liegt auf der Hand, wie
wichtig derartige Zusammenstellungen nicht nur für die Originalität
der hebräischen Autoren, sondern auch - worauf W. nicht aufmerksam
macht - für semantische Untersuchungen des Hebräischen
sind (vgl. K. Koch, Was ist Formgeschichte,41981,303-308).

Eine kritische Überprüfung läßt jedoch bei jeder der - wenn ich
recht addiere - I 519 Nummern die Problematik statistischer Zusammenstellungen
erkennen. Überprüft man die vorgeführten Wortpaare
und Phrasen, so läßt sich leider fast bei jedem Beispiel über die
Einstufung von Stellen streiten. Die „Formelkritik" müßte den BegrifT
des Wortpaares und seines verschiedenartigen Gebrauchs doch wohl
exakter abgrenzen, ehe die daraus gezogenen Schlüsse allgemeingültig
werden können (Watters schließt aus seinen Aufstellungen, daß
dadurch die Aufteilung des Jcsajabuches auf drei verschiedene
Komplexe oder die nichtjeremianische Abfassung der Lamentationes
erkennbar werden).

Als Beispiel greife ich den ersten Eintrag heraus, dem ich
zufälligerweise näher nachgegangen bin. Für Jesaja wird S. 155
unter Nr. 5 am parallel jisru'el gelistet und dafür 4 sichere Stellen
angegeben samt einer unsicheren, die hier auf sich beruhen mag
(10.22). Schaut man jene im hebräischen Text nach, so liegen sie
auf sehr verschiedenen Ebenen. Die Klassifikation des Wortpaares
bestätigt sich zwar 1,3, wo die beiden Nomen in den zwei Bikola
einer poetischen Zeile als Wechselglieder auftauchen; allerdings
wird das erste Wort mit Suffix gebraucht „mein Volk", was doch
wohl für die Parallelität nicht ohne Belang sein dürfte. Bei den
anderen drei angeführten Stellen handelt es sich nur sehr bedingt
um Wechselglieder. 11,16 verheißt „eine Straße für den Rest seines
I 'olkes, welches von Assur übrig bleiben wird, wie sie entstanden
war für Israel am Tage seines Heraufzugs aus dem Land Ägypten";
die Parallelität von am und jisru'el taucht hier nicht innerhalb
von zwei Bikola einer Langzeile auf, sondern bezieht sich auf zwei
verschiedene Zeilen, das Wechselglied am ist gegenüber jisra el
nicht nur um das Suffix, sondern auch um S*'ar erweitert. In 14,2,
der nächsten Stelle, die W. anführt, werden die ammim, die
fremden Völker, als solche geschildert, die hei jisru'el zu seiner
Heimat zurückbringen: hier läßt sich keineswegs am und jisru'el
isoliert in Beziehung setzen. Im letzten Beleg 19,25 ergeht ein
Segensspruch über „mein Volk Ägypten, das Werk meiner Hände
Assur, Und mein Erbteil Israel". Auch diese Stelle bietet kein
striktes Wortpaar, wie auf der Hand liegt. Ähnliche Bedenken
entstehen bei dem Verzeichnis stehender Wendungen, die nach W.
nicht aus geprägtem Sprachgut stammen sollen, sondern je freie
Assoziationen des Autors auf Grund von „everyday analogies"
(S. 75 vgl. 77) darstellen. Darunter listet er Ausdrücke wie „heiliger
Berg", „ausgestreckte Hand", „Wild des Feldes", die uns in der
Übersetzung zwar poetisch vorkommen mögen, für den Hebräer
aber wohl so alltägliche Verbindungen waren wie für uns „Haustür"
oder „Tankstelle".-Ist das'der Fall, läßt sich aber dafür die Frage
von Kreativität oder Traditionsgebundenheit schlechterdings nicht
ableiten."