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Ausgabe:

1984

Spalte:

304-305

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Achtzig Chorsätze zum Wochenlied 1984

Rezensent:

Albrecht, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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Bereich deutlich abzeichnenden Gefahr entgegenwirken, daß der diakonische
Rat und die diakonische Tat an „kompetente" Beratungsinstitutionen
wegdelegiert werden (die jedoch, wie aufgezeigt, längst
nicht so umfassend effektiv sind) und die „offensive" (Geh-Struktur)
Breitendiakonie der Gemeinde immer mehr erlahmt. Die Gemeinde-
diakonie, deren Motivation aus dem Glauben erwächst, soll durch
diese methodischen Rezeptionen in ihrer Effektivität nachhaltig verstärkt
werden. Es handelt sich also um eine erneute human-sozialwissenschaftliche
Anleihe zur dringenden Steigerung der Effizienz
kirchlich-diakonischer Praxis, wobei diese Feststellung keine Herabsetzung
meint.

Die Vfn. ist sich aber offensichtlich bewußt, daß eine derartige
methodische Rezeption allein das Erlahmen der Gemeindediakonie
nicht aufzuheben vermag. Von daher nimmt die theologische Grundbesinnung
über den „Diakonieauftrag der christlichen Gemeinde"
(31) in der Veröffentlichung einen relativ breiten Raum ein. Hinsichtlich
der ekklesiologischen Grundposition (etwa „Kirche = Kirche für
die Menschen" [29], „offene, solidarische Gemeinde" [35]), die u. a.
vom II. Vatikanischen Konzil, aber auch speziell von der Theologie
Johann Baptist Metz' her begründet wird, ist das hohe Maß an Übereinstimmung
mit neueren evangelischen ekklesiologischen.Positionen
eindrücklich. Überhaupt enthält die Veröffentlichung keinen einzigen
exklusiv konfessionalistischen Satz. Im Sinne ihrer gemcindediako-
nischen Ausrichtung zieht die Vfn. auch „das Konzept der Gemeindeorientierung
des Deutschen Caritasverbandes" (4. S. 38-44) heran.
Dabei macht u. a. der Teilabschnitt 4.1.1 „Die Entfremdung zwischen
Gemeinde und Caritasverband" deutlich, wie sehr sich bestimmte
Probleme in katholischer und evangelischer Kirche ähneln. Im Gegenzug
zu einer einseitigen Ausrichtung auf den professionellen,
diakonischen Experten setzt sich die Vfn. entschieden für eine positive
„Neubewertung ehrenamtlicher Mitarbeiter" ein, wobei sie die etwas
altvaterische Bezeichnung allerdings zugunsten der Benennung „freiwillige
oder freie Mitarbeit in der Sozialarbeit" (46) preisgeben
möchte. Sozialpädagogisch geprägte Gemeindediakonie hängt entscheidend
an einer neuen Wertung solchen freiwilligen Dienstes.
Diese Helfer müssen allerdings unabdingbar zur Aus- und Weiterbildung
bereit und willig sein. (5.4. Die Weiterbildung freiwilliger Mitarbeiter
im sozialen Dienst, S. 50-58)

Die Arbeit berichtet auch bereits über „zwei Beispiele der Verwirklichung
der Caritas der Gemeinde" im Zielhorizont der Vfn. (71 ff)
und schließt mit differenzierten Abwägungen hinsichtlich der „Chancen
sozialpädagogischer Beratung in der Pfarrgemeinde" (92) und
möglicher Schwierigkeiten bei der Integration dieses Konzeptes
(96-98).

Die Veröffentlichung stellt einen beachtlichen diakoniewissen-
schaftlichen Beitrag dar und bietet für den Gemeindepfarrer und jeden
Gemeindemitarbeiter viele Impulse und Hinweise für die gemeinde-
diakonische Praxis. Das Buch enthält ferner (113-131) ein Nachwort
des Herausgebers Matthias v. Kriegstein, in dem er die Intention der
von ihm verantworteten Reihe „Praktische Wissenschaft: Kirchengemeinde
" referiert.

Leipzig Manfred Haustein

Heibich, Peter, Horst Seibert und Friedrich Thiele: Die soziale Arbeit
der Kirche. Ein Diakonie-Lexikon. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn, 1982. 187 S. 8° = GTB Siebenstern,
1048.

In ca. 240 alphabetisch geordneten Artikeln bietet das Buch auf
knappem Raum reichhaltige Informationen über theologische
Grundlagen (z. B. Abendmahl, Bibel, Diakonie, Jesus Christus),
Geschichte (besonders in Kurzbiographien) und gegenwärtige Praxis
der Diakonie. Humanwissenschaftliche Aspekte werden angemessen
berücksichtigt. Viele Hinweise gelten den sozialpolitischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen der Diakonie in der BRD (z. B. Arbeitsrecht
). Einige Artikel spiegeln spezifische Probleme der dortigen
Gesellschaft wider, durch die sich die Diakonie herausgefordert weiß
(z. B. Arbeitslose, ausländische Arbeitnehmer). Durch sinnvolle Auswahl
der Stichworte und gediegene Ausführung entstand ein gelungenes
kleines Nachschlagewerk, das auch der Einführung in die Dia-
konik zu dienen vermag. Der konkrete Situationsbezug begrenzt
natürlich die Verwendbarkeit über die BRD hinaus. Einige Druckfehler
bei Daten blieben unkorrigiert.

E. W.

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Achtzig Chorsätze zum Wochenlied. Hrsg. im Auftrag der Konferenz
der Landesobleute der Evangelischen Kirchenchorwerke in der
DDR und des Verbandes evangelischer Kirchenchöre Deutschlands
von Volker Ochs. Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik;
Kassel: Bärenreiter Verlag 1982. II, 1 10 S. 4".

Bei der liturgischen Neubesinnung seit den zwanziger Jahren unseres
Jahrhunderts bekam auch das alte Graduallied seine Funktion als
Lied zwischen den gottesdienstlichen Lesungen zurück. Im 16. und
17. Jahrhundert war die Ausbildung eines auf die Perikopen bezogenen
Liedes erfolgt, das den Charakter des Hauptliedes im sonntäglichen
Gottesdienst erhielt. In der Aufklärungszeit geriet dieser Zwischengesang
bei der Beschränkung auf eine Schriftlesung in Wegfall.
Die liturgische Restauration des 19. Jahrhunderts behielt teilweise die
einfache Lesung bei, teils setzte man (so in Sachsen) das Glaubenslied
als Graduallied zwischen den Lesungen ein. Das Hauptlied wurde
bzw. blieb das Lied vor der Predigt.

Mit der Einführung der lutherischen und unierten Agenden I wurde
mit der doppelten Schriftlesung auch das Graduallied wieder fest im
Gottesdienst verankert: ein de-tempore-bezogenes Lied, das Jahr für
Jahr wiederkehrte. Dabei griff man auf die traditionellen lutherischen
Ordnungen zurück, führte sie aber in revidierter und ergänzter Form
wieder ein. Besonders für die Kirchenmusiker ist es wichtig, schon im
voraus zu wissen, welches das Wochenlied (dieser Name bürgerte sich
für das alte Graduallied nunmehr fest ein) des jeweiligen Sonntags ist,
weil die Vorbereitungszeit des Chores sich im allgemeinen über mehrere
Wochen erstreckt.

Die Kirchenchorwerke stellten für die Wochenlieder mehrere Sammelbände
mit drei- und vierstimmigen Vertonungen für gleiche und
gemischte Stimmen bereit, die sich weitester Verbreitung erfreuen.
Mit den „Achtzig Chorsätzen zum Wochenlied" wurde nun eine Ergänzung
vorgelegt, die aus mehreren Gründen erforderlich war. Einige
der Wochenlieder hatten sich in den Gemeinden nicht recht eingebürgert
. Diese sollen entweder durch ein anderes ersetzt bzw. soll ihnen
fakultativ ein Ausweichlied zugeordnet werden.

Ein Negativbeispiel ist etwa das bisherige Wochenlied für den Sonntag
Invocavit „Gott der Vater wohn uns bei". Es wurde von den Gemeinden
- wohl wegen der Gleichförmigkeit der drei Strophen - nicht
eigentlich angenommen. Unabhängig davon war dieses Lied ein ausgesprochener
liturgischer Mißgriff, weil der textliche Schluß der drei
Strophen „ . . . so singen wir Halleluja" dem guten Brauch widerspricht
, daß das Halleluja in der Fastenzeit entfallt. Die Neuordnung
schlägt nun statt dessen zwei Lieder zur Auswahl vor, deren Texte
in thematischer Nachbarschaft zum Sonntagsevangelium (Versuchung
Jesu) stehen: „Ein feste Burg ist unser Gott" und „Ach bleib
mit deiner Gnade". Ersteres dürfte aber in unseren Gemeinden so
stark mit dem Reformationsfest verbunden sein, daß es fraglich ist, ob
hier eine Umgewöhnung möglich ist (so sehr dies zu wünschen wäre,
um Luthers Lied nach Psalm 46 den Charakter der „Marseillaise des
Protestantismus" zu nehmen!).

Das Angebot von Alternativliedern für mehr als 40 Sonn- und