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Ausgabe:

1984

Spalte:

299-301

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hecke, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Die alttestamentlichen Perikopen der Reihen III - VI 1984

Rezensent:

Conrad, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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die Lektionen der jeweiligen Sonntage behandelt, andere liturgische
Texte aber ausklammert, ist er genötigt, sich immer wieder auch mit
den Problemen der Perikopenordnung, speziell mit deren Revision
durch die lutherische liturgische Konferenz zu befassen. Dabei be-
schlcicht einen mitunter das Gefühl, daß historische Zufälligkeiten
der Liturgiegeschichte zu dogmatischen Problemen hochstilisiert
werden. Denn so sinnvoll und dogmatisch gewichtig der Aulbau des
Kirchenjahres auch immer sein mag, eine dogmatische Auslegung, die
bis ins Detail des ein/einen Sonntags vordringen will, wird wohl
immer ein wenig überinterpretieren müssen. Trotzdem ist nicht zu
übersehen, daß gerade die Bindung an das Kirchenjahr mit wesentlichen
theologischen Überzeugungen und Erkenntnissen des Verfassers
zusammenhängt: „Was die Evangelien bewegt und eint, ist auch
das Bewegende und Einende im Kirchenjahr." In beiden geht es um
den „von Ostern und Auferstehung her in sein irdisches Dasein wiederkehrenden
Jesus Christus" (10). Gerade der Epiphaniaskrcis ist für
diese „Wiederkehr des Erhöhten im Irdischen" typisch, während die
Evangelien der Vorpassion mehr auf das Leben und Handeln des
Christen im Alltag bezogen sind. Dahinter steht eine bestimmte
„Chronologie" der Offenbarung - „Chronologie nicht logisch-linear,
sondern hermeneutisch-dialektisch verstanden: im Sinne der Wiederholung
und Verdoppelung von Zeit des irdischen und erhöhten Christus
." (24) Diesem Zeitversländnis(derRez. wundert sich, warum hier
nicht der gängige Begriff der repraesentatio verwendet wird) korrespondiert
ein bestimmter Umgang mit den Texten und ihren durch die
historisch-kritische Exegese herausgestellten ursprünglichen Abgrenzungen
. Steiger bekennt sich zu dem alten hermeneutischen Grundsatz
„sacra scriptura sui ipsius interpres", nicht um historische Kritik
zu übergehen, sondern um nicht ins „Eindimensionale" (20) zurückzufallen
. Er will auf diese Weise die Vielfalt der Zusammenhänge und
Bedeutungen herausarbeiten. Und in der Tat sind die geistreichen Meditationen
des Buches gerade für einen Prediger, der schriftgemäß aber
nicht eintönig predigen will, eine Fundgrube von originellen Gedanken
. Besonders eindrucksvoll sind die Abschnitte, in denen parallele
Texte miteinander vergleichend behandelt werden (z. B. die Evangelien
zum 3. und 4. Sonntag nach Epiphanias). Hilfreich auch die Auslassungen
des Verfassers zur Taufproblematik im Zusammenhang mit
dem Evangelium von der Taufe Jesu am ersten Sonntag nach Epiphanias
. Jeder Sonntag bietet eine andere Perspektive, so daß es unmöglich
ist, die Vielfalt der Gedanken und Gesichtspunkte auch nur
annähernd wiederzugeben.

Diese Vielfalt macht das Lesen des Buches aber dann auch oft beschwerlich
. Dazu kommen eine Menge theologischer Urteile, zu
deren Begründung sich der Rezensent wenigstens eine Fußnote
wünschte; und schließlich die Diktion überhaupt, die dem Leser oft
den Sinn des ganzen eher verdunkelt als erhellt. Trotz dieser Beschwernisse
aber ist Steigers „Dogmatik im Kirchenjahr" für den mit
dem Gottesdienst der Kirche verbundenen Theologen ein sehr
anregendes und lehrreiches Buch.

Karl-Marx-Stadt Friedrich Jacob

Hecke, Karl-Heinz: Die alttestamentlichen Perikopen der Reihen

III—VI. Zur exegetischen Verantwortung und Abgrenzung der alt-
testamentlichen Predigttexte. Frankfurt/M.-Bern: Lang 1982.
203 S. 8° = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie
, 180. sfr46,-.

Daß die Abgrenzung der in den kirchlichen Perikopenordnungen
festgelegten Predigttexte und deren Zuordnung zu den einzelnen
Sonntagen und Festen des Kirchenjahres nicht immer den Erkenntnissen
der modernen wissenschaftlichen Exegese entspricht, dürfte
allen Predigern, die exegetisch verantwortungsbewußt zu arbeiten
bemüht sind, kein Geheimnis sein. Immer wieder ergeben sich Diskrepanzen
, die es dem Prediger erschweren, exegetischen Erkenntnissen
Rechnung zu tragen, oder ihn geradezu nötigen, die vorgegebene

Textauswahl zu korrigieren. Es ist daher sehr begrüßenswert, daß es
der Vf. unternommen hat, einmal grundsätzlich zu einem Teilgebiet,
nämlich den alttestamentlichen Predigttexten, Stellung zu nehmen
und damit die Notwendigkeit einer entsprechenden Überprüfung zu
verdeutlichen. Gegenstand seiner Untersuchung' sind die in der
1958 von der Lutherischen Liturgischen Konferenz herausgegebenen
„Ordnung der Predigttexte" enthaltenen Perikopen. Aus räumlichen
Gründen und auch zur Vermeidung von Überschneidungen beschränkt
er sich auf die im Titel genannten Reihen. Nicht berücksichtigt
werden also vor allem die Texte der Psalmenreihe.

Sein methodisches Vorgehen und seine Beurteilungsmaßstäbe, darunter
auch die soeben genannten Einschränkungen, begründet der Vf.
in der Einleitung (S. 9-14). Im Hauptteil der Arbeit (S. 15-144) behandelt
er die einzelnen Texte nach ihrer Reihenfolge in der deutschen
Bibel. Für jedes biblische Buch gibt er in der Regel zusammenfassend
einige Hinweise auf die Fachliteratur, insbesondere die
Kommentare. Bei jedem Einzeltext gibt er zunächst weitere Literaturhinweise
, hier vor allem auch auf Predigtmeditationen in den gängigen
Reihen, wie etwa GPM und Calwer Predigthilfen, oder in den
Meditationsbänden von G. Voigt. Vereinzelt nennt er ausgeführte
Predigten. Anschließend schildert er kurz die exegetische Situation
und leitet daraus sein Urteil über die Abgrenzung in der Perikopenordnung
und über die Einordnung der Texte in das Kirchenjahr mit
den damit verbundenen hermeneutischen Implikationen ab. In je
einem Exkurs geht er zusammenfassend aufdie erzählenden Texte aus
dem Pentateuch zur Passion, auf die Gottesknechtslieder und aufdie
prophetischen Texte zur Passion ein und nimmt hier vor allem zur
Frage einer christologischen Deutung Stellung. In einem Überblick
(S. 145-148) stellt er die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Anhangsweise
führt er in einem Ausblick (S. 149-163) nochmals die Texte auf,
die in die seit 1978 gültige Perikopenordnung entweder unverändert
oder nur mit Veränderungen in der Abgrenzung bzw. Zuordnung zum
Kirchenjahr übernommen wurden, und nimmt dazu kurz Stellung.
Den Abschluß des Buches bilden ein Anmerkungsteil (S. 165-201)
und ein Verzeichnis der ständig benutzten Literatur (S. 203).

Zu welchen Ergebnissen kommt nun der Vf., und wie sind sie zu
beurteilen? Was zunächst die Abgrenzung der Perikopen betrifft, so
stellt er fest, daß diese nur in der reichlichen Hälfte der Fälle exegetisch
vertretbar ist. In den anderen Fällen, insbesondere bei prophetischen
Texten, werden häufig Verse, die zu einer geschlossenen Einheit
bzw. zu einer Komposition notwendig hinzugehören, weggelassen
oder nicht zugehörige hinzugefügt. Bei umfänglicheren Texten,
d. h. vor allem bei Erzählungen, aber auch bei Texten aus dem Buch
Ezechiel, wird des öfteren eine Auswahl von Versen getroffen, durch
die die Aussage des Textes vereinseitigt oder unsachgemäß akzentuiert
wird. Lediglich die wenigen psalmartigen Stücke, wie etwa
lSam 2,1-10, sind fast durchweg sachgemäß abgegrenzt worden. Diesen
Ergebnissen des Vf. ist im großen und ganzen zuzustimmen. In
Einzelfallen weist er selbst auf Unstimmigkeiten unter den Exegeten
hin, die eine sachgemäße Entscheidung erschweren (vgl. S. 62-64). Es
ist freilich nicht zu übersehen, daß es bei dem Bemühen um sachgemäße
Abgrenzung auch immer um Ermessensfragen geht. So bemängelt
der Vf., daß in einigen Perikopen Textteile zusammengestellt
sind, die wohl zur gleichen literarischen Schicht gehören oder redaktionell
verbunden sind, aber doch sehr unterschiedliche Aussagen enthalten
, die ihrerseits nur schwer in einundderselben Predigt zur Geltung
gebracht werden können, so z.B. bei Gen 1,26-31; 2,1-3
(S. 15-17) oder Ex 33,12-23 (S. 440- Hier geht es also um die gedankliche
„Ökonomie" innerhalb der Predigt. An dieser Stelle kann man
sicher geteilter Meinung sein, auch wenn die Überlegungen des Vf.
zweifellos begründet sind. Gelegentlich stellt sich auch die Frage,
welche Stufe in der Entwicklung eines Textes für die Abgrenzung
maßgeblich sein sollte. So hält es der Vf. nicht für angemessen, zu
Gen 22,1-14 auch die Verse 15-18 hinzuzunehmen, da diese ein späterer
Zuwachs sind (S. 19). Aber kann nicht auch ein späterer redaktioneller
Zusammenhang, zu dem in diesem Falle übrigens auch V. 19