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1984

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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295

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

296

Themen zu reflektieren und sieh den aktuellen Fragen auszusetzen.
Der riskante Weg zur Konkretion ist hier mit Mut besehritten
worden.

Leipzig Joachim Wiebering

Coste, R.: Les episcopats allemand et americain et la construction de la paix
(NRTh 115, 1983 S. 498-514).

Honecker, Martin: Tendenzen und Themen der Lthik (ThR 48, 1983
S. 349-382).

Jutlien, J.: Lea aciences humainea laitaent-ellea encorc un avenira la morale?
(NRTh 115, I983 S. 481-497).

Manenschijn, Gerrit: Spanningen rond christelijk handelen. Sociaal-filoso-
fische benadering van pluraliteit in de ethiek (TTh 23, 1983 S. 381-402).

Piegsa, Joachim: Jesus Christus als .Norm' christlicher Ethik (ThGL 73,
1983 S. 134-146).

Valiin, Pierre, S. J.: Letravail et lestravailleursdans le mondc chrelien. Paris:
Desclee 1983. 188 S. 8" = Bibliotheque d'Histoire du Christianisme, 3. Kart. Ifr
98.-.

Praktische Theologie: Allgemeines

Winkler, Eberhard: Impulse Luthers für die heutige Gemeindepraxis.

Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1983. 104 S. gr. 8' = Aufsätze und
Vorträge zur Theologie und Religionswissenschaft, 78. Zugleich
Stuttgart: Calwer= Arbeiten zur Theologie, 67.

Unter den zahlreichen Neuerscheinungen zum 500. Geburtstag
Martin Luthers im Jahr 1983 zeichnet sich der Beitrag Eberhard
Winklers dadurch aus, daß er das Schwergewicht nicht auf die Erhellung
der zeitgeschichtlich-biographischen Umstände von Leben und
Werk Luthers legt, sondern Luther mit der heutigen Gemeindewirklichkeit
ins Gespräch zu bringen sucht. Winkler betont den
Situationsunterschied zwischen der Reformationszeit und heute, der
eine unbesehene Repristination Luthers verbietet. Dennoch ist Winkler
der Überzeugung, daß die Beschäftigung mit Luther dazu hilft, von
den aktuellen Problemen zur Mitte des Glaubens zu kommen. Diese
Mitte ist, wie gerade von Luther zu lernen ist, weder eine abstrakte
Lehre noch auch die kirchliche Institution, sondern eine Person,
nämlich Jesus Christus.

Mit Luther unterstreicht Winkler den unbedingten Vorrang des
Wortes Gottes für das Leben des einzelnen Christen wie für die gesamte
Kirche. Allerdings ist es leichter, diesen reformatorischen
Grundsatz theoretisch zu bejahen, als konkrete Folgerungen daraus zu
ziehen und heute zwischen richtiger und falscher Lehre und richtiger
und falscher Autorität in der Kirche zu unterscheiden. Die historischkritische
Bibelwissenschaft erlaubt uns nicht mehr die gleiche Unbefangenheit
im Umgang mit der Bibel, wie sie uns bei Luther begegnet.
Dennoch liegt schon für Luther die eigentliche Autorität des Wortes
Gottes nicht in der objektiven Richtigkeit von Wörtern oder Sätzen,
sondern in der Begegnung mit Jesus Christus als Person. Dadurch wird
jedes klerikale Amtsbewußtsein problematisch und doch zugleich am
christozentrischen Auftragsbewußtsein festgehalten.

Vom Einsatz bei der Autorität des Wortes Gottes her könnte man
vermuten, daß Winkler sich zuerst mit den Problemen der Predigt und
des Gottesdienstes befaßt. Tatsächlich wendet er sich nach einem einleitenden
Abschnitt über den Aufbau der Gemeinde aber zuerst den
Bereichen Diakonie, Seelsorge und Unterweisung zu und kommt erst
danach zur Beschäftigung mit Spezialfragen der Predigt und des Gottesdienstes
. Für Winkler hat diese Reihenfolge zwar nicht den Charakter
einer prinzipiellen Rangordnung. Wohl aber hofft er mit der
Voranstellung der Diakonie dem in der kirchlichen Praxis besonders
gefährlichen Verbalismus zu entgehen und den engen Zusammenhang
von Glaube und Tat, wie er auch Luther wesentlich war, herauszustellen
. Freilich ist für Winkler die Besinnung auf Luther gerade hier kein
Anlaß zu einer stolzen protestantischen Bilanz, das Defizit an konkretem
Nächstendienst liegt von der Reformationszeit an bis heute klar
zutage. Auch sind in der Aufgabe heutiger Gesellschaftsdiakonie nicht
unmittelbar Anleihen bei Luther zu machen. Aber auch in diesem Bereich
gibt Luther mehr konkrete Impulse, als bei einem schematischen
Verständnis seiner Lehre von den Zwei Reichen oft gesehen wird.
Winkler bringt dafür verschiedene interessante Beispiele. Wenn
auch die Rückbesinnung auf die Reformation nicht den Blick auf die
heutigen globalen Probleme verengen darf, kann sie nach Winkler
dazu helfen, über den globalen Problemen und Programmen nicht die
zuerst dem Einzelnen geltende rettende Liebe zu vergessen.

Im Abschnitt über die Seelsorge ist es Winkler, wieder im Anschluß
an Luther, wichtig, daß bei grundsätzlicher Bejahung heutiger psychologischer
Kenntnisse und Methoden die Seelsorge nicht zur Sache einzelner
Spezialisten wird, sondern in der Verantwortung des Allgemeinen
Priestertums bleibt. Auch darf die Selbsterfahrung nicht zum letzten
Ziel werden, sondern es ist zu berücksichtigen, wie der Erfahrungsbereich
im Glauben zugleich immer überschritten wird.

Im Abschnitt über die Unterweisung teilt Winkler die Überzeugung
, daß hier noch weniger als in anderen Bereichen ein Anschluß an
Luthers pädagogische Methoden möglich ist. Aber auch hier kommt
es auf beherzigenswerte Impulse Luthers an. Vor allem ist Luthers
Grunderkenntnis festzuhalten, daß der C hrist im Werden und nicht
im Gewordensein existiert. Das führt zur Bejahung eines fortgesetzten
Lernens als jedem Einzelnen wie jeder Gemeinde gestellter Aufgabe.
Der Kleine Katechismus, der Generationen hindurch als Grundbuch
der Unterweisungdiente, ist heute nur in Auswahl zu berücksichtigen.
Er bietet dann aber auch heute mancherlei Beherzigenswertes, vor
allem was seine Struktur anbelangt. Anzustreben bleibt ein neuer
Katechismus, der das Wesentliche in didaktisch optimaler Form
sagt.

In dem Abschnitt über die Predigt wird zu Recht die Frage gestellt,
ob angesichts der heutigen veränderten Kommunikationsbedingungen
nicht der einseitig monologische Charakter der Predigt problematisch
geworden ist. Allerdings verdient nach Winkler die Frage nach
dem Inhalt des in der Predigt zu Bezeugenden immer den Vorrang vor
der Frage nach der Form. Von Luther bleibt zu lernen, wie die Erfahrung
der Anfechtung die Predigt befruchtet, und wie ein rechtschaffener
Prediger immer selber erster Hörer der von ihm auszurichtenden
Botschaft ist. An Luthers eigener Predigtweise besticht der enge Zusammenhang
von Kognitivem und Affektivem, von objektiver Lehre
und persönlicher Erfahrung. Angesichts der heute sehr begrenzten
Fähigkeit des Zuhörenkönnens kommt in der Predigtvorbereitung der
Kunst des Weglassens und dem seelsorgerlich bestimmten Dialog besondere
Bedeutung zu. Aber auch darin kann Luther Lehrmeister
sein.

Winklers Arbeit endet mit einem Abschnitt über die Ordnung des
Gottesdienstes. Gegen liturgische Gesetzlichkeit wird mit Luther daran
festgehalten, daß es keine zeitlose normative Form für den Gottesdienst
gibt. Die Sache des Evangeliums soll allein den Maßstab für die
Gestaltung der Ordnung abgeben. Die Tradition ist nicht leichtfertig
beiseitezusetzen, aber sie hat immer nur dienende Funktion. Die
Mitte des Gottesdienstes ist der lebendige Herr selber. Wo Menschen
im Vertrauen auf seine Verheißung ihn in ihrer Mitte wissen, geschieht
Gottesdienst.

So verschieden die Gemeindesituation in den Kirchen in der Deutschen
Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik ist, so
lohnt es sich hier wie dort. Winklers Studie sorgfaltig zur Kenntnis zu
nehmen. Man kann nur wünschen, daß das in vielen Gemeinden auch
wirklich geschieht.

Stuttgart Gerhard Heintze

Merkel, Heinz, u. Horst Seibert: Perspektiven des Alterns. Alte Menschen
in der Kirchengemeinde. Unter Mitarbeit von D. Finger.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1983. 95 S. m.
3 Abb. kl. 8° = Gemeindediakonie. Kart. DM 9,80.