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1984

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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Erfahrung bezieht. Insbesondere die Lehre von der „Geisttaufe"
läßt erkennen, daß Barth von der Priorität des Geisthandelns Gottes
bei der Umwandlung und Aktivierung des ganzen Menschen ausgeht.
Dennoch läßt sich das „pneumatisch-ekklesiale Anfängsgeschehen",
das der Vf. meint, bei Barth nicht eigentlich verifizieren. Es fehlt der
Gedanke einer schrittweisen Einbeziehung des Menschen in die
Gnade mit Hilfe der Kirche. Barth wird vorgeworfen, daß er das Wirken
des Geistes ZU unmittelbar darstelle und es nicht hinreichend an
die Vermittlung durch die Kirche bindet. Zum anderen differenziert
er das Ergritfenwerden des Menschen von der Gnade (= vom Geist)
nicht im Sinne der vorbereitenden und eigentlich rechtfertigenden
Gnade. Leider unterbleibt in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung
mit Barths Stellungnahmen zurtridentinisehen Rechtfertigungslehre
, die es doch mehr als gewagt erscheinen lassen, sein Verständnis
der „Geisttaufe" in eine Linie mit der „gratia excitans et
adiuvans" des Tridentinums bzw. des „instinetus Spiritus saneti" des
Thomas von Aquin zu stellen (vgl. S. lOOfl). Eür Barth ist die „Geisttaufe
" der Vollzug der Manzen Rechtfertigung des Menschen. Auf sie
bleibt jeder Mensch als Ereignis angewiesen. Sie ist nicht ein Prozeß
der durch den Geist unterstützten Selbstzuwendung des Menschen zu
seiner Rechtfertigung durch die Taufe. Barths Ablehnung des sakramentalen
Verständnisses der Wassertaufe, für die der Vf. im übrigen
gar kein Verständnis aufbringt (vgl. S. 630. läßt für diese Denkform ja
auch überhaupt keinen Spielraum. Wenn der Vf. also eine „weitgehende
Konvergenz zwischen Karl Barth und dem katholischen
Denken" (S. 3541) bei der Darstellung des „Anfangs des Heilsweges"
feststellt, dann bezieht sich das auf sehr allgemeine Aussagen über das
Wirken des Geistes, das allem menschlichen Wirken vorangeht.

Das 2. Kapitel („Beiträge Karl Barths zur Pneumatologie",
S. 122-206) und das 3. Kapitel-der Arbeit („Aspekte einer ökumenischen
Pneumatologie", S. 207-353) entsprechen einander. Der
Vf. will exemplarisch an der Darstellung der „drei Grundmysterien
des Christentums" (S. 2) durch Karl Barth zeigen, daß die Ekklesiologie
der „Horizont", die Christologie die „Mitte" und die Trinitdts-
lehre der „Abschluß" einer „künftigen ökumenischen Pneumatologie
" ist (vgl. S. 335).

In bezug auf die Ekklesiologie wird zunächst positiv herausgehoben
, daß Barth seine „Kirchliche Dogmatik" „mit dem Geschehen
der SelbstolTenbarung Gottes in der Kirche beginnen läßt" (S. 246).
Sendung und Zeugnis der Kirche gehören unabdingbar zum „wahren
Zeugen" Jesus Christus hinzu. Gegen Barth wird jedoch eingewendet,
daß nach seiner Anschauung der Heilige Geist „nur punktuell in die
Sphäre des Sichtbaren und geschichtlich Erfahrbaren" eintritt
(S. 234). Die katholische Lehre muß dagegen von einer der Inkarnation
des Logos in Jesus entsprechenden „Kenosis" des Heiligen Geistes
in die Kirche hinein sprechen (vgl. S. 241, 250, 267). Diese Kenosis
garantiert die geschichtlich kontinuierliche Anwesenheit und
Sichtbarkeit (!) des Heiligen Geistes in „Wort, Amt und Sakrament"
der Kirche (vgl. S. 234). Das Verständnis der Kirche als „sacramen-
tum", wie es das Vaticanum II formuliert hat. wird darum vom Vf. als
die entscheidende ekklesiologische Aussage angesehen.

Um diese Aussage begründen zu können, ist eine differenzierte
Sicht der Christologie erforderlich. Die schon erwähnte Unterscheidung
zwischen einer Logos- und einer Geistgeschichte in Jesus macht
es möglich, von einem „mit dem Werk des Sohnes nicht identische(n)
Geschichtsbezug des Geistes" zu reden (vgl. S. 268), der sich durch die
Erhöhung Jesu Christi hindurch an die Kirche heftet. Einen solchen
Geschichtsbezug des Geistes meint der Vf. auch bei Barth „zumindest
indirekt und anfänghaft" (ebd.) entdecken zu können, sofern nach
Barth die Ausrüstung Jesu zu seinem Dienst (Taufe Jesu) von der Inkarnation
unterschieden wird und das Versöhnungsgeschehen mehr
beinhaltet als nur die Geschichte des Logos. Es hat - wie Barths Versöhnungslehre
zeigt - einen wesentlichen Bezug auf die Kirche und
den Menschen, der zum Glauben kommen soll. In Barths eigenem
Verständnis soll dieser Bezug jedoch geradezu verhindern, daß die
Themen der Soteriologie und Ekklesiologie zu eigenständigen Themen
werden. Darum wahrt insbesondere der Heilige Geist die Einheit
der Person und des ganzen Werkes Jesu. Dem Vf. aber liegt am
genauen Gegenteil. Er möchte Raum bekommen für ein Wirken des
Geistes, für das eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Wirken
Jesu Christi charakteristisch ist.

Diese Eigenständigkeit begründet letztlich- die Trinitätslehre. Sie
hat die Pointe, „daß der eine Gott (nämlich der Vater. . .) sich in der
Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes als der eine in seiner
Unterschiedenheil zeigt" (S. 351). Das erlaubt es, das Werk des
Geistes in seiner Besonderheit gegenüber dem Werk des Sohnes zu
sehen. Barths Trinitätslehre wird dagegen vorgehalten, daß sie in den
opera trinitatis ad extra zu einseitig Äußerungen des einen göttlichen
Wesens sehe (vgl. ebd.). Versteht man dagegen mit H. Mühlen den
Heiligen Geist als „göttliche Homoousie in Person", dann ist er die
besondere „Zeitwerdung des göttlichen Wir" des Vaters und des Sohnes
, „das .. .jede Überlieferung von Wort, Amt und Sakrament in der
Kirche allererst ermöglicht und freisetzt" (S. 3430- Damit ist die
Ekklesiologie, auf die der Vf. in der ganzen Arbeit zielt, im Wesen
Gottes selbst verankert.

Bemerkenswert ist die Stringenz und Sachlichkeit, mit der der Vf. in
allen Teilen der Arbeit seine Grundüberzeugungen expliziert. Sie verdient
„ökumenisch" zu heißen, weil sie ohne Verschleierungen des
eigenen Standpunktes versucht, so weit wie möglich einem ganz
anderen theologischen Ansatz zu folgen. Sie hat aber ihre deutlichen
Grenzen darin, daß sie die Sachfragen des theologischen (und „konfessionellen
") „Vorverständnisses" gar nicht erst zur Diskussion stellt.
Der Umgang mit Barths Theologie bleibt darum weithin abstrakt und
führt kaum zu Vertiefungen, die auch von Barth her einleuchten
könnten. Denn wenn im Blick auf eine künftige „ökumenische Pneumatologie
" wirklich auf Barth gehört würde, dann wäre die immer
wiederkehrende Pointe solcher Pneumatologie sicher nicht die gottmenschliche
Wirklichkeit der Kirche neben der gott-menschlichen
Wirklichkeit Jesu Christi. Die Pneumatologie würde dann eher dazu
dienen, diese Behauptung zu überwinden. Vermutlich würde sie dann
erst beginnen, wahrhaft „ökumenisch" zu sein.

Berlin WolfKrötke

Döring, Heinrich: Rechtfertigung heute (Cath 37,1983S. 36-70).
Kasper, Walter: Anthropologische Aspekte der Buße (ThPQ 163, 1983
S. 96-109).

Lies, Lothar: Trinitätsvergessenheit gegenwärtiger Sakramententheologie
(ZKTh 105,1983 S. 290-314).

Schulte, Raphael: Zugänge zum christlichen Gott. Zu Walter Kaspers theologischer
Gotteslehre (H K 37, 1983 S. 174-178).

Weier, Reinhold: Die Notwendigkeit der Sakramente (TThZ92. 1983
S. 184-190).

Systematische Theologie: Ethik

Handbuch der christlichen Ethik, hrsg. von A. Hertz, W. Korff,
T. Rendtorff, H. Ringeling. Bd. 3: Wege christlicher Praxis. Freiburg
-Basel-Wien: Herder; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1982.600 S. gr. 8°. Lw. DM 98-

Die ersten beiden Bände des Handbuchs (erschienen 1978) sind im
Diskussionsprozeß der theologischen Ethik schon unentbehrlich geworden
und haben einen breiten Leserkreis gewonnen. Freilich sind in
ihnen manche Fragen offen gelassen worden, sei es weil das entsprechende
Thema nicht behandelt wurde, sei es weil die Beantwortung
unbefriedigend geblieben ist. In einer „kritischen Bestandsaufnahme
der Diskussion um die beiden ersten Bände" (557-567) geht der federführende
Herausgeber W. Korff auf die bisher erschienenen Rezensionen
in wissenschaftlichen Zeitschriften und auf die Stellungnahmen
katholischer Bischöfe zu dem Werk ein (daß auch evangelische Kir-