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1984

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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tialization of Time" 114-125). A.s These ist, daß die ontologische
Einheit der Zeit, als deren authentischen Ausdruck in Tillichs System
er Jesus als den Christus, die Mitte der Geschichte, interpretiert, sowohl
die Voraussetzung dafür ist, daß die endliche Vernunft durch die
Offenbarung Gott als den Grund des Seins erkennen kann, als auch
die Teilhabe des Menschen am ewigen Leben begründet. Dieses chri-
stologisch präzisierte Zeitverständnis liegt nach A.s Deutung auch
Tillichs „retrospective eschatology" zugrunde, deren Hauptgedanke,
daß nichts qualitativ Neues in der Dimension des Unbedingten hervorgebracht
werden kann, das nicht schon im neuen Sein Jesu als des
Christus enthalten wäre (117, vgl. SThd II, 131). A. zu der These zuspitzt
: "Eschatology means thus for Tillich christology." (136)

Die Hauptschwierigkeiten dieser Untersuchung liegen in der gewählten
Methode der „Systemanalyse", wobei A. voraussetzt, daß
Tillichs Denken als ein System zu betrachten ist, in dem ein Strukturprinzip
aufgezeigt werden soll, in das seine Reflexion über den Zeitbegriff
reduziert werden kann (vgl. 30- Dadurch werden die erheblichen
Differenzen in Tillichs systematischen Entwürfen zum Zeitverständnis
nivelliert. Das wird exemplarisch deutlich in A.s Interpretation
des Kairosbegriffs bei Tillich. Zwar übernimmt A. den von Clayton
(a. a. O. 207ff) erbrachten Nachweis, daß im Kairos-Artikel von 1922
der Kairos nicht christologisch qualifiziert wird, was erst in der überarbeiteten
Fassung des Aufsatzes in "The Protestant Era" (1948) und
in den Ges. Werken (vgl.bes. GW IV, 24) geschieht. Aber A. interpretiert
die an eine kairos-bewußte Geschichtsphilosophie zu stellende
Doppelforderung, die absolute Spannung des Geschlechtsbewußtseins
der absoluten Formen der Geschichtsphilosophie mit dem Universalismus
der relativen Formen zu vereinigen, was die Paradoxic
impliziert, daß das, was im Kairos geschieht, zugleich absolut und
nicht absolut sein soll (vgl. Die Tat 1922, 340), als das Paradox der
Rechtfertigungslehre: "Existing under the kairos means partieipation
in the Christian paradox (the Cross of Christ)" (13). Davon findet sich
in dem Aufsatz von 1922 (noch) keine Spur! Weiterhin: Könnte die
Tatsache, daß Tillich den Kairosbegriff in wichtigen Arbeiten zum
Zeitverständnis vom Ende der zwanziger Jahre („Eschatologic und
Geschichte" 1927, „Gläubiger Realismus" I und II 1927. „Christolo-
gie und Geschichtsdeutung" 1930) überhaupt nicht verwendet (was A.
anscheinend übersieht, da erden Begriff permanent zur Interpretation
verwendet, vgl. 49f„ 6 7 fT), daraufhindeuten, daß die zunehmend exi-
stential-ontologische Konzeption der Theologie Tillichs den Begriff
aus seiner zentralen Stellung verdrängt, bis er nach der Emigration -
dann aber in christologischer Reinterprctation - wieder an wichtiger
Stelle aufgenommen wird? Dem Charakter der Theologie Tillichs als
einer eminent zeitbezogenen Theologie hätte es mehr entsprochen,
die Entwicklung seines Denkens als eine Folge von immer neuen Sy-
stcmenlwürfen zu deuten, die in engstem Kontakt mit der Zeitsituation
erarbeitet wurden. A. ist gewiß überzeugend der Nachweis gelungen
, daß das Zeitverständnis ein Strukturprinzip in Tillichs Theologie
in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ist. Wenn es aber nicht das
ein/ige Strukturprinzip ist. wie verhält es sich dann zu anderen. /. Ii.
zu der Unterscheidung von Essenz und Existenz, die Tillich selbst als
„das Rückgrat des ganzen theologischen Denkgebäudes" (SThd I,
238) verstand? Ferner werden durch den systemanalytischen Ansatz
alle Fragen nach der Angemessenheit von Tillichs Zeitbegriff etwa
gegenüber dem biblischen Zeugnis ausgeblendet. Diese Restriktionen
des methodischen Vorgehens führen dazu, daß die aufschlußreichen
Interpretationsthesen A.s nicht zur vollen Entfaltung kommen.

Marburg Christoph Schwöbel

Ccffre, Claude: Lc christianismc au risque de finterpretation. Paris: Ed. du
Ccrl 1483. 361 S. 8' = Theologie et sciences religieuses. Cogitatio Fidci, 120.
ffr 139.-.

Steck, Odil Hannes: Die Herkunft des Menschen. Zürich: Theologischer
Verlag 1983. IIIS, m.6 Abb. 8 . Kart, sfr 22.-.

Westcrmann, Claus: Schöpfung. Erw. Studienausgabc. Berlin: Kreuz Verlag
1983. 199 S.8- = Themen der Theologie, 12. DM 16,80.

Systematische Theologie: Dogmatik

Freyer, Thomas: Pneumatolugie als Strukturprinzip der Dogmatik.

Überlegungen im Anschluß an die Lehre von der „Geisttaufe" bei
Karl Barth. Paderborn: F. Schönigh 1982. 437 S. 8' = Paderborner
theologische Studien. 12. Kart. DM 38,-.

Karl Barths Erwägung, ob nicht die Theologie im Ganzen als Theologie
des 3. Artikels neu zu entwerfen und zu bedenken wäre (vgl.
Nachwort zur „Schleiermacher-Auswahl" von H. Bolli, Siebenstern-
Taschenbuch 113/114, München 1968, S. 311), ist in neuerer Zeit
vielfach aufgegriffen und diskutiert worden. Sie steht bei Barth im Zusammenhang
mit der Frage eines legitimen theologischen Zugangs zu
den Erfahrungen des Menschseins, die bei Schleiermacher und in der
sich an ihn anschließenden Tradition zum Zentrum der Theologie zu
werden drohen. Darum bewegt sich die Diskussion jener Erwägung
auch vorgängig im Problemfeld des Verhältnisses von Pneumatologie
und Anthropologie.

Die vorliegende Paderborner Dissertation nimmt dagegen Barths
Frage von einer ganz anderen Seite her auf. Sic sieht in ihr die Äußerung
eines Grundinteresses katholischer Theologie und vor allem
katholischer Dogmatik, das freilich innerhalb dieser katholischen
Dogmatik erst richtig zur Geltung gebracht werden muß. Die lehramtlich
kaum fixierte Pneumatologie bietet hier einen Spielraum zur
Neukonzeption der Dogmatik, zu der der Vf. einen Beitrag liefern
möchte. Dabei dient ihm die Dogmatik Barths sozusagen als Sprungbrett
, um die bisher nicht genügend in ihrer Bedeutung erkannte
Pneumatologie innerhalb der katholischen Dogmatik zum Zuge zu
bringen. Sie kann „Strukturprinzip" aller Teile der Dogmatik werden,
da das Wirken des Heiligen Geistes in allen dogmatischen Grundaussagen
fundamentale Berücksichtigung finden muß. Das belegt - wenn
auch unzureichend - gerade die „Kirchliche Dogmatik" Karl Barths,
die darum vom Vf. als eine Art „Theologie des Heiligen Geistes" gelesen
wird.

Der „Kirchlichen Dogmatik" widerfährt mit dieser Aufgabenstellung
und mit diesem Verfahren also so etwas wie eine doppelte Verfremdung
. Zum einen soll sie in ihren pneumatologischen Aussagen
eine „Integration in die katholische Theologie" erfahren (vgl. S. 208).
Der Vf. unterstreicht mehrfach sein „katholisches Vorverständnis
" (vgl. S. 2,2071" u. ö.) und betont, daß seine Überlegungen „nicht
den Anspruch erheben, legitime Entfaltungen der Pneumatologie
Barths zu sein" (S. 2). Zum anderen wird das, was die „Kirchliche
Dogmatik" nach Barths eigenem Urteil nicht geleistet hat, als eigentliche
Leistung dieser Dogmatik behauptet. Nicht die Christologie, sondern
die Pneumatologie seifaktisch ihre Mitte und so auch ihr „Strukturprinzip
". Dieser zweite Interpretationsgrundsalz schließt genauso
wie der erste die Möglichkeit aus, daß Barths Theologie als Anfrage an
das ..katholische Vorverständnis" des Vf. gehört werden kann. Denn
das Zentrum der Pneumatologie ist nach der Überzeugung des Vfi die
„Analogie zwischen Inkarnation und Kirche", wie sie im Valica-
num II formuliert worden ist (vgl. S. 209ff). Das bedeutet: Der
„Fleischwerdung des göttlichen Logos" in Jesus Christus entspricht
eine „Zeitwerdung des Geistes" in der Kirche (vgl. S. 263). Diese hebt
an mit „der Geisterfiilltheit bzw. der Geistsalbung Jesu, welche Jesus
im ersten Augenblick seiner irdischen Existenz zuteil wurde und nach
seiner Erhöhung in der Geschichte der Kirche und ihren Grundvoll-
zügen (Wort, Amt. Sakrament, Charisma) gegenwärtig ist" (S. 354).
Die Erfahrung des Geistes ist immer „pneumatisch-cA A /c.v/'a/e" Erfahrung
(vgl. S. 121) und die Ekklesiologie dementsprechend unabdingbarer
„Horizont" der Pneumatologie (vgl. S. 2090). Barths pneuma-
tologische Aussagen werden durch die ganze Arbeit hindurch von diesem
Verständnis der Pneumatologie her rezensiert.

Weil die Erfahrung des Geistes in der Kirche die Grundbedingung
der Christuserfahrung ist, will der Vf. im ersten Kapitel seiner Arbeit
(„Die Mitteilung des Heiligen Geistes als der Anfang des Wirkens
Gottes", S. 34-121) zeigen, daß sich auch Barths Theologie auf solche