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Ausgabe:

1984

Spalte:

284-285

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Origenes, Sur les écritures 1984

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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(37-55) vertreten ist, hat selbst bereits 1969 eine umfassende'Samm-
lung von Quellen zur Rezeptionsgeschichte herausgegeben. Er weist
auf, daß die besondere Würdigung der Person Lessings faktisch
dazu geführt hat, daß seine Sachanliegen übergangen wurden; so kann
er resümieren, „daß die Wirkungsgeschichte des Literaturkritikers
Lessing eine Geschichte der Mißverständnisse ist, die bis heute andauert
" (41). Jürgen Schröder hat mit seinem Aufsatz „Der .Kämpfer
" Lessing. Zur Geschichte einer Metapher im 19. Jahrhundert"
(93-114) ein an sich bekanntes, seit langem ganz kritisch durchleuchtetes
Gebiet gewählt: die bürgerliche Lessing-lnterpretation in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (bis zum [. Weltkrieg). Die preußisch
- nationalistische Aneignung Lessings ist ja bereits damals von
Franz Mehring attackiert worden. Der besondere, methodisch wie inhaltlich
höchst interessante Ansatz Schröders besteht aber darin, daß
er das Mittel ideologiekritischer semantischer Analyse nutzt: schon
der Gebrauch der Metaphern, die literarische Polemik' zurückübersetzen
in die Bilder des Kampfes, des Waffengangs und des Sieges verrät
eine „Politisierung des Literarischen und Ästhetischen*' (97).-Sie wird
aufgezeigt einerseits in der Haltung der liberalen, einst revolutionären
bürgerlichen Intelligenz vor 1848, andererseits aber ebenso in der Zeit
des Machtanspruchs des preußisch-deutschen Kaiserreichs. Lessing
ist zu „der kämpferischen Identifikationsfigur für die deutsche literarische
Intelligenz und für das Bildungsbürgertum quer durch alle weltanschaulichen
und politischen Lager geworden" (96). Dies Urteil gilt
auch noch für die letzte Phase dieser Entwicklung, die ldeologisierung
des Irrationalismus und der Gegenaufklärung. - Ein eigener Beitrag ist
der marxistischen Lessing-Rezeption gewidmet. Klaus Bohnen beschäftigt
sich mit Mehring, Lukäcs und Rilla (115-130). Daß eine
Literaturwissenschaft, die gegenüber den Traditionen des Bürgertums
im 19. Jahrhundert so kritisch geworden ist, sachlich wie methodisch
sehr aufgeschlossen ist für die epochemachende Arbeit von Franz
Mehring, ist selbstverständlich. Soziologische Aspekte gehören zum
Instrumentarium der Literaturwissenschaft notwendig hinzu. Freilich
identifiziert sich Bohnen nicht mit der marxistischen Lessingdeutung:
die poetische Aussageform bleibe unbeachtet, wenn primär nur danach
gefragt werde, welche Position der Dichter beziehe. Die hintergründige
Frage, welche Erfahrung von Bedrohung überwunden werden
soll in Lessings „poetischen Harmonisierungsgebilden" (126),
wäre das eigentlich notwendige Thema der Lessingforschung.

Diese Rückfrage, über alle Rezeptionsgeschichte hinaus, leitet über
zu dem letzten umfassenden Beitrag, der sich dem Rahmenthema
nicht einfügt, aber der für den Leser eine außerordentlich wichtige
Orientierung gibt: Karl S. G u t h k e s Aufsatz „Aufgaben der Lessing-
Forschung heute. Unvorgreifliche Folgerungen aus neueren Interessenrichtungen
" (131-160). Guthke, der die Lessing-Forschung seit
Jahrzehnten genauestens verfolgt und referiert hat, gibt hier eine
Übersicht über wesentliche Desiderata. Nicht nur in der Textedition
und der Biographie, sondern vor allem im Hinblick auf die innere
Haltung Lessings gibt es große Lücken in der Forschung. Ist Lessing
eigentlich in seiner Polemik fair gewesen? Welchen Hintergrund hat
seine Neigung zum Glücksspiel gehabt? Was bedeutet dies Herausfordern
des Zufalls im Zusammenhang mit seiner Sehnsucht nach einer
Deutung der Theodizee? Die Trennung von Person und Sache gelingt
bei Lessing offenbar weniger als bei anderen Persönlichkeiten. Darum
wäre gerade an solcher Stelle das Bemühen der Forschung von-
nöten.

Eine Vortragsfolge auf einem Symposion kann nicht selbst die Forschung
leisten. Sie kann aber berichten von neuen Entdeckungen,
kann vorhandenes Material neu beleuchten und Impulse vermitteln
für neue Arbeit - in diesem Sinne ist der Wolfenbütteler Lessing-
Akademie für den vorliegenden Band zu danken.

Magdeburg Harald Schultze

Strothmann,Werner [Hrsg.]: Makarios-Symposium über das Böse.

Vorträge der Finnisch-deutschen Theologentagung in Goslar 1980.
Wiesbaden: Harrassowitz 1983. VII, 369 S. gr. 8" = Göttinger
Orientforschungen. 1. Reihe: Syriaca, 24. Kart. DM 142,-.

7 Beiträge gehen direkt auf Makarios und das frühe östliche Mönch-
tum ein: Jouko Martikainen (Turku): Das Böse in den Schriften
des Syrers Ephraem, im Stufenbuch und im Corpus Macarianum;
Reinhart Staats (Heidelberg): Messalianerforschung und Ostkirchenkunde
; Jukka T h u ren (Turku): Makarios/Symeon als Ausleger
der Heiligen Schrift; Udo Schulze (Westerstede): Die 4. geistliche
Homilie des Makarios/Symeon. Gedanken zur Textüberlieferung;
Werner Stroth mann (Göttingen): Die erste Homilie des Alexandriners
Makarios; Otmar Hesse (Altenkirchen-Ww.): Das Böse bei
Markos Eremites; Klaus-Joachim Fricke (Göttingen): Das Böse bei
Diadochos von Photike. Weitere 5 Beiträge gehen auf Nachwirkungen
des Makarios ein: Tuomo Mannermaa (Helsinki): Theosis und das
Böse bei Luther; J. H. van de Bank (Utrecht): Makarios und das
Hüsgesinn der Lieften; Hans Schneider (Göttingen): Johann Arndt
und die makarianischen Homilien; Burkhard Weber (Bochum): Zur
Wirkungsgeschichte des Makarios bei Philipp Jacob Spener; Harri
Heino (Tampere): Die Homilien des Makarius und die finnische
Beterbewegung. Schließlich erörtern 5 Beiträge unabhängig von Makarios
die Thematik „Das Böse" in wichtigen Zusammenhängen:
Gernot Wiessner (Göttingen): Das Böse in den Religionen; Alexander
Böhl ig (Tübingen): Das Böse in der Lehre des Mani und des
Markion; Hans-Walter Krumwiede (Göttingen): Das Böse in den
Schriften Luthers; Hans-Olof K vi st (Turku): Das radikale Böse bei
Immanuel Kant; Ernst Berneburg (Loccum): Vom Bösen bei Jeremias
Gotthelf.

GH.

Saint Jeröme: Apologie contre Rufin. Introduction, Texte critique,
Traduction et Index par P. Lardet. Paris: Ed. du Cerf 1983. XIX,
359 S. 8" = SourcesChretiennes, 303. Kart. ITr 395.-.

Eine neue Edition dieser drei Briefe des Hieronymus aus den Jahren
401 /402 war dringend erwünscht, da man den Text bisher in der Ausgabe
von Migne, PL 23, nachschlagen mußte, die ihrerseits auf einer
fehlerhaften Ausgabe von Vallarsi beruhte. Aus den Jahren
1468-1497 waren 18 Inkunabeldrucke erhalten, von denen 14 übereinstimmten
; auf sie gründete Erasmus seine erste Edition 1516. Spätere
Editionen sind ihm jedoch nicht gefolgt. Die neue Ausgabe weist
gegenüber der von Migne rund 900 Änderungen auf (142). Sie beruht
auf 16 Manuskripten, von denen sich zwei in der Berliner Staatsbibliothek
befinden und eines in der Leipziger Universitätsbibliothek
(4). Der Text nennt die Spalten der Migne-Ausgabe, so daß ein Vergleich
leicht möglich ist. Der Herausgeber Lardet hat offenbar seine
Arbeit gleich in zwei Editionsunternehmungen eingebracht, denn er
verweist auf seine noch ausführlicheren Ausführungen im Band 79
des Corpus Christianorum (137, Anm. 1). Aber auch in der Edition
der SourcesChretiennes ist seine Einleitung umfassend; der Streit zwischen
den Kirchenvätern Hieronymus und Rufin, die ursprünglich
einmal eng befreundet waren, wird gründlich aufgearbeitet (1-75).
Offenbar ist bereits 1972 eine Koncordanz erschienen mit 31 500
Worten aus diesem Text in der Reihe «Cetedoc»; über diese neuen
Konkordanzen wurde in einem anderen Zusammenhang in der ThLZ
berichtet (106,1981 Sp. 54).

GH.

Origene: Philocalie, 1-20 sur les ecritures. Introduction, Texte, Traduction
et Notes par M. Harl et La Lettre ä Africanus sur l'Histoire
de Suzanne. Introduction, Texte, Traduction et Notes par N. de
Lange. Paris: Ed. du Cerf 1983. 593 S. 8" = Sources Chretiennes,
302. Kart, ffr 445.-.