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Ausgabe:

1984

Spalte:

279

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bigane, John E.

Titel/Untertitel:

Faith, Christ or Peter 1984

Rezensent:

Haendler, Gert

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279

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

280

Bigane, Johfi E„ III: Faith, Christ or Peter: Matthew 16:18 in
Sixteenth Century Roman catholic Exegesis. Washington: Univer-
sity Press of America 1981. IX, 237 S. 8'. Kart. $10,25;
Lw. 19.75.

Viel umstritten ist die Frage, wie das Wort vom Felsen der Kirche
in Mt 16,18 auszulegen sei. Bigane hat sich auf Auslegungen aus
den 90 Jahren von 1516-1605 spezialisiert. Mit dem Novum instru-
mentum des Erasmus begann 1516 eine neue Ära, 1605 war das
Todesjahr Theodor Bezas (2). Die Untersuchung beschränkt sich auf
katholische Auslegungen; die protestantische „Explosion" biblischer
Kommentare jener Epoche würde Material für ein weiteres Buch abgeben
(3). Bei der Aufarbeitung der Literatur kommt auch zur Sprache
, daß die Leipziger Disputation Luthers 1519 einen wesentlichen
Anstoß zur Untersuchung der Auslegungen von Mt 16,18 gegeben
hat.

Kap. 1 stellt Auslegungen zusammen, die den Felsen der Kirche
auf den Glauben deuten. Bei Erasmus finden sich 6 solche Stellen,
dazu kommen Auslegungen von Anton Broickwy, Jean d'Arbres,
Isidora Chiari, Johannes Wild, Benito Arias und Juan de Valdes.
Zusammenfassend sagt B.. daß es offensichtlich eine klare Tradition
solcher Auslegung des Felsens auf den Glauben gegeben hat innerhalb
der Grenzen des römischen Katholizismus. Auslegungen von
Origenes und Chrysostomos waren Vorbilder. Freilich verstanden
die katholischen Ausleger im 16. Jh. unter Glaube nicht nur den
individuellen Glauben des Petrus allein, vielmehr war der unversehrte
Glaube der ganzen Kirche mitgemeint (45). Kap. 2 stellt Deutungen
des Felsens auf Christus zusammen. Der Pariser Theologe
Johannes Major macht mit zwei Auslegungen den Anfang; ihm folgen
Jaques Lefevre, Franz Titelmans und Francois Vatable. Auch
diese Ausleger setzen eine Tradition des Mittelalters fort. Man sah
einen Zusammenhang mit dem Felsen von 1 Kor 3,11. Nicänische
Kirchenväter hatten sich für diese Deutung eingesetzt, ebenso der
ältere Augustin. Im 16. Jh. freilich war diese Auslegung nur schwach
vertreten (860- Kap. 3 untersucht Stellen, die den Felsen der Kirche
auf Petrus deuten. Kardinal Cajetan hat 1521 und 1532 so ausgelegt,
ferner Matthias Bredenbach, Sixtus von Siena, Juan de Maldonado
und Sebastian Barradas. Diese Auslegung bedeutete auch ein Bekenntnis
zum Petrusamt, d. h. zum Papsttum. Es lief auf die Linie
Petra - Petrus - Roma hinaus. Nur Cornelius Jansen - nicht der berühmtere
Träger dieses Namens! - sprach 1571 von Petrus als Felsen
der Kirche ohne den Nachfolger Petri in Rom mit im Auge zu
haben (142). Kap. 4 „Petra Varia" nennt Auslegungen von Nikolaus
Zeger, Rene Benoist und Manuel de Sa, bei denen die Auslegungen
ineinander gehen; Augustins Überlegungen in seinen retractationes
waren dafür Vorbi Id (191).

Der Autor arbeitet interessante Quellen auf. Er weiß um Zusammenhänge
mit der alten Kirche und dem Mittelalter, auch um moderne
Diskussionen. Im Literaturverzeichnis fehlen die Sammelbände
von H. Stirnimann/L. Vischer „Papsttum und Petrusdienst"
(1975), H. J. Mund „Das Petrusamt in der gegenwärtigen theologischen
Diskussion" (1976) sowie der Band „Papsttum als ökumenische
Frage" (1979). Auch ein Aufsatz über den Petrus-Primat im
Matthäusevangelium in der Festgabe Schnackenburg (1974) sowie
Artikel zur altkirchlichen Auslegung jener Stelle in der ThLZ81,
1956, Sp. 361 ff sowie in den Studia Theologica 30, 1976, 89ff sind
B. entgangen. Die in den USA entstandene Arbeit "Peter in the New
Testament" bleibt unerwähnt. Doch sei betont, daß B. sein Hauptanliegen
durchgeführt hat: Umfangreiches historisches Material aus
dem 16. Jh., das wenig bekannt war, wurde aufgearbeitet. Das Verzeichnis
der Primärquellen füllt S. 207-221, die Sekundärliteratur
S. 221-227, Indices S. 229-237. So könnte das Buch auch für weitere
Arbeiten nützlich werden.

Rostock Gert Haendler

Faivre, Antoine, u. Rolf Christian Zimmermann [Hrsg.]: Epochen der
Naturmystik. Hermetische Tradition im wissenschaftlichen Fortschritt
. Grands Moments de la Mystique de la Nature. Mystical
Approaches to Nature. Unter Mitarb. zahlr. Fachgelehrter des In-
und Auslandes. Berlin: Schmidt 1979. 459 S. gr. 8*. Lw.
DM 128,-.

In den Beiträgen dieses Sammelbandes werden wesentliche Konturen
einer Geschichte des naturmystischen Denkens in den Epochen
zwischen Renaissance und Romantik erkennbar. Obwohl die ursprünglich
umfassendere Konzeption (s. das Nachwort der Herausgeber
S. 445ff) nicht realisiert werden konnte, ist es den Mitarbeitern -
Philosophen, Theologen, Wissenschaftshistorikern/Naturwissenschaftlern
- gelungen, die Variationsbreite der Thematik abzustecken
und einige der „beherrschenden Knotenpunkte" (S. 447) aus Fünf
Jahrhunderten Natunnystik näher zu beleuchten.

Nach der Absicht der Herausgeber war es „oberstes Ziel dieses Bandes
, . .. das wissenschaftliche Interesse auf ein historisches Gebiet von
unabsehbarem Einfluß zurückzulenken, das mit dem bloßen Charakter
seines Materials den ernsthaften Wissenschaftler allzu schnell als
odios abstößt, das damit aber umso schutzloser einer unwissenschaftlichen
Behandlung anheimfällt, was die Chancen unbefangener Forschung
und Erkenntnis fort und fort neu beeinträchtigt". (S. 449)
Dabei konnte davon ausgegangen werden, daß sich die Erkenntnis
immer mehr durchsetzt, daß die Naturmystik den Fortschritt in den
Einzelwissenschaften stimuliert hat: „Anders als noch vor wenigen
Jahren wird die Naturmystik heule von keinem Wissenschaftler mehr
nur über die Schulter angesehen." (S. 445) Folgende Definition wurde
für die Konzeption zugrundegelegt: „Naturmystik soll - negativ
bestimmt - alles heißen, was sich von Naturwissenschaft durch seinen
ganzheitlichen Rahmen, von Naturphilosophie aber durch die von der
Tradition bestimmte .Göttlichkeil' dieses umrahmenden Ganzen
unterscheidet. . . Positiv bestimmt: mit Naturmystik soll in den Blick
kommen, was seit der Wiederbelebung der spätantiken Naturanschauungen
, also seit der Renaissance, an autoritativen kosmolo-
gischen Vorstellungen religiösen Charakters, aber hermetisch-neu-
platonisch-kabbalistischen Ursprungs vom christlich-mystischen
Naturdenken rezipiert und systematisiert wurde." (S. 447)

Da, wie mit Recht betont wird, die Thematik „das Experten-Reservoir
" eines einzigen Landes überfordert hätte (S. 5), enthält der als
internationales Sammelwerk konzipierte Band 9 Beiträge in deutscher
, 6 in französischer und einen in englischer Sprache. Mit jeweils
zwei Aufsätzen sind vertreten: Walter Pagel (London) und
R. Chr. Zimmermann (Köln). Der um die Paracelsus-Forschung verdiente
W. Pagel stellt zunächst in einer umfassend belegten Deutung
Paracelsus, in einem weiteren Beitrag J. B. van Helmont als Naturmystiker
vor. R. Chr. Zimmermann, der in einem programmatischen
Essay „Naturmystik. Versuch einer Einleitung" das Forschungsfeld
markiert, führt mit der Untersuchung „Goethes Verhältnis
zur Naturmystik am Beispiel seiner Farbenlehre" seine perspektivenreiche
Erschließung der geistigen Welt Goethes weiter. W.
Müller-Jahncke (Marburg) handelt über den Magia-Begriff im
Renaissance-Humanismus (von Ficino bis Agrippa von Nettesheim).
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Studie von W. Zeller f
über Naturmystik und spiritualistische Theologie bei V. Weigel, eine
den Intentionen des Zschopauer Denkers adäquate Deutung. Die
Thematik Gott und Natur steht im Mittelpunkt der Ausführungen
von P. Deghaye (Rouen) über J.Böhmes „Aurora". S. Hutin
(Paris) widmet sich der christlichen Kabbala des Barockzeitalters
(u. a. R. Fludd, H. More). B. Gorceix (Paris) erörtert im Anschluß
an Daniel Czepko und Catharina Regina v. Greitfenberg das Thema
Natur und Mystik im 17. Jh.1 I. Jonsson (Stockholm) stellt
E. Swedenborgs Naturphilosophie und deren Fortwirken in seiner
Theosophie dar; ein Hinweis auf die einschlägigen Untersuchungen
von E. Benz hätte jedoch nicht fehlen dürfen. Eine der letzten Arbeiten
von E. Benz t, der die wissenschaftliche Erschließung von
Mystik und Spiritualismus seit Jahrzehnten wesentlich gefordert hat,