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Ausgabe:

1984

Spalte:

276-277

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Die Pistis Sophia 1984

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Lileraturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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kannten Autor dieses Traktates zu ermitteln, und er glaubt, ihn in der
Person eines Kartäuser-Priesters Adam Horsley gefunden zu haben
(Sp. 4980- Aufschlußreich sind die Darlegungen über den Inhalt der
Schrift und ihr Verhältnis zur englischen Mystik. Abweichen würde
ich von seiner Meinung hinsichtlich der Quellen der Nuagc. Ich würde
hier den Forschern zustimmen, die gestützt auf eine Äußerung in
Kapitel 70 diese im Areopagiten finden (cf.: „wahrlich, wer sich die
Bücher des Dionysios ansieht, wird merken, daß seine Worte alles
deutlich bekräftigen, was ich vom Anfang bis zum Ende dieses Buches
gesagt habe" - nach der deutschen Ausgabe von W. Riehle, 1981,
S. 149). Demgegenüber behauptet der Verfasser, daß der Nährboden
für diese Ansichten gewesen sei «un vastc complexe d'idees et däspi-
rations», die sich seit den Kappadoziern verbreitet haben. Aber auch
Dionys hat hier seine Wurzeln, und es geht nicht an, ihn als Mono-
physiten abzustempeln (Sp. 504 und 506).

Der letzte Artikel, den ich hervorheben möchte, ist „Nil Sorskij"
gewidmet (Sp. 356-367). Die Autorin Elisabeth Beer Sigel, die selbst
über diesen russischen Mystiker geschrieben hat (Priere et Saintete
dans Feglise russe, Paris 1950, S. 6 ff) zeichnet auf dem Hintergrund
des damaligen politischen Lehens in Rußland ein anschauliches Bild
vom Leben und Wirken Nils, seinen Kampf gegen die reichen Klöster,
sein Verstricktsein in die kirchenpolitischen Machtkämpfe. Für seine
Spiritualität wird auf seinen Aufenthalt auf dem Athos hingewiesen,
der für deren Ausformung maßgebliche Bedeutung besessen hat, und
die dort geschätzten Autoren, von Johannes Klimakus bis zu Gregor
dem Sinaiten, waren auch seine Lieblingsautoren (Sp. 364). Drang er
zu Lebzeiten mit seinen Gedanken nicht durch, so war ihm in den
kommenden Jahrhunderten Erfolg beschieden.

Neben diesen vier Beiträgen wären noch viele andere zu erwähnen,
aber der Raum der Zeitschrift ist begrenzt, wie es die Sachkenntnis des
Rezensenten auch ist. Hinweisen müßte man z. B. auf die verschiedenen
«Nicephore»-Artikel: Saint, patriarche (Sp. 182-186), Blem-
mydes (Sp. 187-198), FHesychaste (Sp. 198-203), Kallistos Xantho-
poulos (Sp. 203-208), die alle Daniel Stiernon zum Verfasser haben.
Sie sind kenntnisreich, führen uns tief in die byzantinische Kirche ein,
enthalten Angaben über Leben und Schriften der jeweiligen Theologen
verbunden mit einer kurzen Charakteristik und reichlichen Literaturangaben
. Dem schließt sich der Beitrag «Nicodeme l'Hagiorite»
an (Sp. 234-250), der vom gleichen Verfasser stammt und eine Übersicht
über dessen ausgebreitetes Schrifttum bietet (es sind fast dreißig
Nummern). In diesem Zusammenhang möchte ich auch den kurzen
Artikel über «Nincelas Stethatos» nicht unerwähnt lassen
(Sp. 224-230), den A. Solignac geschrieben hat. Als Schüler Symeons
des Neuen Theologen hat mich dieser Byzantiner immer interessiert,
wenn er auch in seiner Spiritualität wenig originell ist(Sp. 2290-

Schließlich kann ich es mir nicht versagen, abschließend auf den
Artikel „Osuna" hinzuweisen (Sp. 1037-1051), der uns in die Welt
der spanischen Mystik einführt. Hier werden die sechs Abecedarios
kurz charakterisiert und an ihrer Hand wird das geistliche Leben
Osunas entfaltet. Der Verfasser Martin ist hierbei ein ausgewiesener
Fachmann, da er den Tercer Abecedario selbst herausgegeben hat
(Madrid 1972), eine Schrift, die für die S. Teresa de Jesus über zwanzig
Jahre geistlicher Führer war (1049, cf. vida, Kapitel 4). Die Literaturangaben
sind sehr reichlich, was recht dankenswert ist, da die meist
spanischen Werke in Deutschland wenig zugänglich und uns daher
unbekannt sind.

Welch Reichtum an inneren Erkenntnissen, welche überraschenden
Perspektiven, welche Bereitschaft auf die Stimmen der Mystiker
zu hören! Man wird den Band nach längerer oder kürzerer Lektüre
nicht ohne inneren Gewinn aus der Hand legen und wird dem Erscheinen
des zwölften Bandes mit Spannung entgegensehen.

Mainz-Wiesbaden Walther Völker

Schmidt, Carl [Hrsg.]: Koptisch-gnostische Schriften. I. Bd.: Die
Pistis Sophia. Die beiden Bücher des Jeü. Unbekanntes altgnosti-
sches Werk. 4., um das Vorwort erweiterte Aull. hrsg. von Hans-
Martin Schenke. Berlin: Akademie-Verlag 1981. XXXVI, 424 S.
gr. 8* = Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte
. Kldr. M 48,-.

Bidez, Joseph [Hrsg.]: Philostorgius: Kirchengeschichte. Mit dem
Leben des Lucian von Antiochien und den Fragmenten eines aria-
nischen Historiographen. 3., bearb. Aufl. von Friedhclm Winkelmann
. Berlin: Akademie-Verlag 1981. CLXV1II, 392 S. gr. 8" = Die
Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte.
Kldr. M 75,-.

Als auf Anregung Harnacks 1891 die Berliner Kirchenväterkommission
begründet wurde, rechnete sie mit etwa 50 Bänden, die in
2 Jahrzehnten erscheinen sollten. Inzwischen sind in 9 Jahrzehnten
über 60 Bände erschienen, an denen nach wie vor erhebliches Interesse
besteht. Nach einer 1980 erschienenen Neu-Auflage, die J. Dummer
bearbeitet hatte (vgl. ThLZ 107, 1982 Sp. 2160, liegen aus dem
Jahre 1981 zwei weitere Neu-Auflagen vor. An beiden Werken läßt
sich einmal mehr zeigen, welche ausgezeichnete Qualität die alten
Ausgaben hatten, denn die neuen Bearbeiter, deren hohe fachliche
Qualifikation außer Zweifel steht, haben von größeren Veränderungen
absehen können. Gleichzeitig zeigt sich aber auch auf diesen Spezialgebieten
der Fortschritt der Wissenschaft, der Nachträge und Ergänzungen
in beiden Fällen zur Folge hatte.

Carl Schmidt hatte 1905 erstmals den Band „Koptisch-gnostische
Schriften" vorgelegt. Walter C. Till bearbeitete 1953 die 2. und 1959
die 3. Auflage. Nun bringt Hans-Martin Schenke eine 4. Auflage heraus
. Im Vorwort kündigt er an, daß der Berliner Arbeitskreis für koptisch
-gnostische Schriften zur Zeit eine Gesamtübersetzung der Nag-
Hammadi-Bibliothek vorbereitet, die als „Koptisch-gnostische
Schriften II und III" erscheinen sollen (V). Aber der Band 1 blieb unverändert
in der Fassung von 1905, - abgesehen von Änderungen, die
Till vorgenommen hatte. Die Beibehaltung des alten Textes erweist
sich auch deshalb als notwendig, weil einer der beiden grundlegenden
Codices - der Codex Brucianus - inzwischen in einem so verschlechterten
Zustand ist, daß man ihn für eine neue Edition sowieso nicht
mehr heranziehen könnte. Der alte Textband wird aber gebraucht
gerade in der jetzigen Zeit, in der „die Arbeit an der Erschließung der
Nag-Hammadi-Schriften auf dem Höhepunkt steht" (V). Vor allem
die dritte Schrift des Bandes, das „Unbekannte altgnostische Werk"
bekommt einen neuen Stellenwert; es fügt sich nach Schenkes Worten
„organisch - von den anderen Licht empfangend und Licht auf sie
werfend - in den Kreis der sethianischen Schriften der Bibliothek von
Nag-Hammadi ein" (VII). Der Band von Schmidt-Schenke bietet bekanntlich
eine deutsche Übersetzung des koptischen Textes mit zahlreichen
in Klammern gesetzten griechischen Worten. Ein letzter Korrekturnachtrag
auf S. VIII teilt mit, daß inzwischen das Gesamtwerk
von Schmidt an den beiden Codices auch in einer englischen Adaption
vorliege, die von Violet MacDermot besorgt worden sei (Nag-
Hammadi-Studies IX und XIII, Leiden 1978). Der weitaus größte Teil
des vorliegenden Bandes besteht aus den Texten (1-367), die Nachträgegehen
bis S. 383, die eng gedruckten Register bis S. 424. Die Einleitung
füllt 20 Seiten (XVI bis XXXVI).

Auch das erhaltene Kirchengeschichtswerk des Philostorgios war in
einer mustergültigen Edition vorgelegt worden, damals 1913 als
Band 21 der Reihe gezählt. Der Text von Joseph Bidez konnte unverändert
übernommen werden. Der Bearbeiter Friedhelm Winkelmann
, durch zahlreiche Veröffentlichungen zur byzantinischen Geschichte
bestens ausgewiesen, konnte sich auf einen Nachtrag beschränken
, in dem Änderungen und Zusätze geboten werden. Im laufenden
Text sind die betreffenden-Stellen durch ein Sternchen gekennzeichnet
worden. Beim näheren Durchsehen stellt sich heraus, daß der
eigentliche Text selbst nur an ganz wenigen Stellen betroffen wurde.
Die Sternchen beziehen sich überwiegend auf Anmerkungen. Ledig-