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Ausgabe:

1984

Spalte:

264-265

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Przybylski, Benno

Titel/Untertitel:

Righteousness in Matthew and his world of thought 1984

Rezensent:

Luz, Ulrich

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263 Theologische Literaturzcilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

scr zeitlich noch einmal zurück und behandelt „Eschalologii- und Apokalypse
im sog. Biblizismus ca. 1885-1935" (M. Kahler. H.E.Weber. Th. /ahn,
Ph. Uachmann. R. B. Kübel, A. Schlauer, K. Heim. J Bchm, W. Hadorn u. a).
Schließlich gilt das letzte Kapitel des fünften Teils der „historisch-kritischen
Weiterarbeit in Deutschland bis zur Gegenwert" (S. 588-618): es führt von
Lohmeyer und Hultmann über verschiedene »eitere Exegelen (C.CIemen.
E. v. Dobschütz. R. Schütz. E. Stauller, II. Strathmann, E. Lohse, .4. Witten-
hauser). Dogmatiker (W. Trillhaas, H.Ott) und Historiker (O.A.Piper,
H, v. ( ampenhausen, J. M. Schmidt) zu vorsichtig (II. Schlier, H.-D. Wendland
. L (ioppeli. Tr Holtz) oder entschieden heilsgeschichtlicher Konzeption
(O. ( ullmann)

Teil VI (S. 619-624) nennt „Ergebnisse und Folgerungen für die künftige
Apokaly pse-Auslegung". Maicr stellt die in der Kirchengcschichtc versuchten
Dculungsprinzipien der Apokaly pse zusammen und fragt nach ihrer Relevanz
für eine theologisch legitime Auslegung der JohannesolTenbarung in der Gegenwart
. Er votiert für eine hcilsgeschichtliche Deutung der Bibel und sieht den
Spannungsbogcn zwischen Proton und Eschaton. zwischen Geschichte und
Glaubenshoflnung gerade in der Apokalypse exemplarisch umschrieben. Für
Gerhard Maicr verweist die JohannesolTenbarung einerseits auf die tota scriptum
, andererseits auf eine „heilsgeschichtliche Zusammenschau des gesamten
biblischen Inhalts" „l im dieses doppelten Impulses w illen kann kein Ausleger
der Bibel auf die Apokaly pse verzichten. Denn nur eine heilsgeschichtliche
Auslegung wird der Weite, dem Spannungsbogcn und zugleich der gegenseitigen
Beziehung und dem geschichtlichen Charakter der biblischen Aussage gerecht
. Nur so erfassen wir auch hier die Geschichte und die Sendung des Christus
." (S. 624)

Den stattlichen Band beschließen ein Literaturverzeichnis(S. 625-648) sowie
Register der Bibclstellen (S. 649-656). der Namen (S. 657-669) und Sachen
(S. 670-676).

Das vorliegende Werk ist ohne Zweifel eine höchst respektable Leistung
. Schon Literaturverzeichnis und Namenregister lassen ahnen,
durch welche Bücherberge sich der Verfasser hat hindurchlcsen müssen
. Maier hat sich durch die Buntheit der Apokalypsedeutungen in
der Geschichte der Kirche weder abschrecken noch verwirren lassen;
ein anderes Ordnungsprinzip als das chronologische ist bei diesem
Stoff sicher kaum anwendbar, und was an hermeneutisch-dogmati-
schen Urteilen gewagt werden kann, findet sich klar und mutig auf den
Seiten 619-624. Dankbar sei dem Autor bescheinigt, daß er auch
gegenüber ausgefallenen und phantastischen Auslegungen der Apokalypse
stets die verständnisvolle Objektivität des Historikers bewahrt
Verdienstvoll isl auch, daß Gerhard Maier nach dei Wirkungs-
geschichte der JohannesolTenbarung nicht nur die Lxegelen befrag)
hat, sondern auch die Dogmatiker. Was sich bei letzteren an cschalo-
logischen Aussagen lindet, ist stets ein Stück Auseinandersetzung mit
der Apokalypse; aufschlußreich ist Maiers Beobachtung, daß
Schlciermachers Eschatologie auf die Apokalypse verzichtet hat
(S.477).

Häufig sind einzelne Kapitel zu kleinen Monographien geraten, die
nach Form und Inhalt wertvolle Beiträge zur Theologiegeschichte
darstellen. Das gilt etwa für Augustin und die Wandlung seiner Deutung
Apk 20,1-6, aber auch für Auguslins Verhältnis zu Ticonius
(S. 129-1 71): es gilt für Luther (S. 267-300), für Spener (S. 335-366)
und vor allen Dingen für Bengel(S. 393-440). Gut gelungen ist auch
der Abschnitt über die Apokalypscauslegung der Täufer von Münster
(S. 233-236); dem Verfasser ist zuzustimmen, wenn er die Gewaltsamkeit
des Täuferregiments nicht nur als Reaktion auf Münsters Belagerung
, sondern auch als Ausfluß apokalyptischen Selbstgefühls
verstanden wissen will (S. 234).

Formale Versehen, Druckfehler usw. sind selten; im Inhaltsverzeichnis
(S. VII, /.. 20) muß es statt „Preziger" richtig ,.1'regizer" heißen. Die Vornamen
des Autors I ranz Golthold Hartwig (S. 466-470 und Literaturverzeichnis,
S. 634) hätten ermittelt werden können. Daß mit den apostolischen diegeseis im
Denkgebäude des Papias (Euseb, h. c. III 39.12) Apk 20,4 IT gemeint sein müsse
(S. 62). gilt m. E. nur für Euseb, nicht für Papias. Das in vieler Hinsicht bedeutsame
und erstaunliche Buch der Johanna Eleonore Petersen („Anleitung zu
gründlicher Versländniß der Heiligen Offenbarung ...". Frankfurt und Leipzig
1696) wurde offenbar nicht benutzt (vgl. S. 371 f u. ö.).'üb Johannes liehm
(18X3-1948) und Wilhelm Hadorn (1X69-1929) dem Biblizismus zugerechnet
werden dürfen (S. 570-5X8. bes. S. 5X5-5X7). erscheint mir fraglieh. Rudolf

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Bullmann (S. 593-600) hätte ich lieber bei der Dialektischen Theologie
(S. 546-570) eingeordnet gesehen.

Auch wenn der Verfasser von vornherein nur exemplarisch vorgehen wollte,
hätte der - außerordentlich klugen und kritischen - Apokalypseauslegung der
Jesuiten des 17. und IX. Jahrhunderts (Luis de Alcazar, 1614; Cornelius a La-
pide. 1625; Johann Stephan Menochius, 1630; Jaeobus Tirinus, 1632)ein eigenes
Kapitel gebührt; mehr als eine flüchtige Erwähnung auf den Seiten 323 und
585 verdient Hugo Grotius (1644). Gänzlich fehlt die katholische Exegese des
18. und 19. Jahrhunderts; von katholischen Apokalypseauslegern des 20. Jahrhunderts
werden weder E.-B. Allo und A. f euillet noch J. Sickenberger,
A. Vöglle, H. Gollinger. J. M. Ford und E. Sehüssler Fiorenza. sondern lediglich
A. Wikenhauser gewürdigt (S. 6101 und 617). Daß im Abschnitt „Die Reli-
gionsgeschiehtliche Schule" (S. 526-537) J. Wellhausens scharfsinnige „Analyse
der Offenbarung Johannis" (AGWG, NF IX 4, Göttingen und Berlin 1907)
nicht genannt wird, ist bedauerlich. Unerfindlich bleibt, warum eine im Zweiten
Weltkrieg so vielgclesenc Auslegung wie Hanns Liljes „Das letzte Buch der
Bibel" (1940) nicht einmal im Literaturverzeichnis auftaucht.

Gewisse Indizien erlauben den Schluß, das Manuskript des vorliegenden
Buches sei beim Druck mindestens acht Jahre alt gewesen. Anders wäre es
kaum zu erklären, daß nicht nur H. Krafts neuer Kommentar (HNT Iba,
1974), sondern auch das Bändchen des Rezensenten (Die Johanncsapokalypse.
Erträge der Forschung41, I. Aullage 1975, 2. Aufl. 1980) anscheinend unbekannt
sind. Gerade mit Hilfe der Bibliographie und des lörschungsgeschicht-
lichen Überblicks in der zuletzt genannten Publikation hätte der Autor mancherlei
Lücken mühelos schließen können.

Dennoch w ird sich Gerhard Maiers Buch bewähren als erste große
Monographie zur Forschungs- und Wirkungsgeschichte der Johanncsapokalypse
. Über das Namenregister lassen sich ungezählte Theologen
und ihre Apokalypsedeutungen aus einer fast zweitausendjährigen
Kirchengcschichtc leicht auffinden. Gerade das Abschlußkapitel
bietet der künftigen Auslegung der Apokalypse w ichtige Impulse.
Mainz OttoBöcher

Przybylski, Benno: Righteousness in Matthew and his world of
thought. Cambridge: Cambridge University Press 1980. XIII, 184 S.
8 = Society lor New Testament Studies. Monograph Serics. 41. Lw.

£9.30.

Die hier zu besprechende Arbeit entstand als Dissertation an der
McMaslci University in Hamilton unter der Leitung von E. P. Sanders
. Sic untersucht das matthäische Verständnis von dixaionuvi] und
der sprachlich bzw. inhaltlich verwandten Ausdrücke Sixaio; und
iXapwathti. Neben den einschlägigen Stellen des Matthäusevangeliums
untersucht der Verfasser den jüdischen Sprachgebrauch; hier
versucht er unzureichende Pauschalurteile zu vermeiden und konzentriert
sich bewußt auf das zeitlich nahe Schrifttum von Qumran und
der Tannaiten (vor allem Mechilta Exodus. Sifra Lcviticus und
Deuteronomium).

Im Matthäusevangelium ist die Diskussionslage durch die beiden
Exlrcmpositionen von G. Strecker und J. Fiedler bestimmt. Die
detaillierte exegetische Analyse ergibt nach P., daß Strecker zunächst
auf der ganzen Linie Recht hat: Aixatoatmj bezeichnet bei Matthäus
eine von Gott aufgestellte Norm, nach der der Mensch zu leben hat.
Entsprechend den verschiedenen Interpretationen des Gesetzes z. B.
durch die Pharisäer oder durch Jesus gibt es verschiedene Grade der
Gerechtigkeit, geringere oder größere bis hin zur Vollkommenheit
(vgl. Mt 5,20). Aixmoonvr) bezeichnet also nicht die Gabe Gottes;
Matthäus drückt den Heilsindikativ anders aus, z. B. durch die Sündenvergebung
(Mt 1,21; 26,28). Von Strecker unterscheidet sich P.
darin, daß für ihn „Gerechtigkeit" keine christliche Zentralvokabel
des Matthäus ist, die den Inhalt des Christseins umschreibt. Darin entspricht
der Befund demjenigen beim Adjektiv; Auch dixruo; ist kein
matlhäischcr Sehlüssclbegriff. der das Christsein umschreibt. Ein solcher
ist vielmehr/iuiJtjrMc; im ethischen Bereich umschreibt das „Tun
des Willens Gottes" (vgl. 12.490 das Wesen des Christseins.
Aixmoavvi) und äixrmxi bilden für Matthäus vielmehr gleichsam eine
„Brücke" zum Judentum. Es lallt auf. daß diese Ausdrücke in der