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Ausgabe:

1984

Spalte:

252-253

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Feurich, Walter

Titel/Untertitel:

Lebensbericht eines Dresdner Gemeindepfarrers 1984

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 4

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den Lexikonbeiträge zu ethischen Einzelthemen besonders wichtig.
Band 10 der TRE enthält dazu in strengem Sinne nur einen: Euthanasie
(552-557). Der Vf. orientiert über Begriff, Rechtsfragen (,,ln keinem
Land der Welt ist unfreiwillige [oder erzwungene] Euthanasie gesetzlich
erlaubt", freiwillige Euthanasie nur in einigen Bundesstaaten
der USA), Problemebenen, Unfreiwillige Euthanasie. In den
Schlußfolgerungen wird keine endgültige Entscheidung angeboten.

Ethische Bezüge kommen in unterschiedlicher Weise zur Sprache
in den Artikeln Erbauung („Moralisierung" der E. im 18. Jh., vgl.
auch Erbauungsliteratur), Erfahrung (sittlich-religiöse E. bei Ritsehl
u. a.), Erkenntnis/Erkenntnistheorie (philosophische E. des „Guten
"), Erwählung („kein Gutes ist, das ohne Gott wäre"), Erwek-
kung/Erweckungsbewegung („E. impliziert eine Glaubensethik, in
der das Motiv der Nüchternheit und Glaubenswachsamkeit zur alles
bestimmenden Grundforderung wird").

Der ausführliche Artikel Eschatologie (254-363) ist mehrteilig;
auch hier dominieren zunächst biblische und historische Gesichtspunkte
. Es findet sich aber im Unterschied zum Artikel Ethik ein
selbständiger Abschnitt: Systematisch-theologisch (VIII). In ihm wird
die theologisch-philosophische Entwicklung seit dem 19. Jahrhundeft
dargestellt (Ergebnis: „Wir können ... im 20. Jh. eine konsequente
Eschatologisierung der gesamten Theologie beobachten" - 349).
Dann werden die „Inhalte" der Eschatologie entwickelt (Der Tod und
der Zwischenzustand, Die neue Welt, Das Gericht, Das Reich). In den
Schlußfolgerungen dominiert die christologische Orientierung sowie
der Vergleich mit anderen Religionen. Im Artikel Eschatologie wird
auch auf die Philosophie Heideggers Bezug genommen (337). Die
TRE enthält selbstverständlich auch einen Artikel Exislenzphiloso-
phie/Existentialismus (714-732), außerdem spezielle Beiträge über
Camus, Heidegger, Jaspers. Kierkegaard, Sartre. Von daher wird erklärlich
, warum der Artikel Existenzphilosophie thematisch gegliedert
sein kann: Existenz und Wirklichkeit, Existenz als Verhältnisbestimmung
, Die Anderen, Existenz und Essenz, Das Problem des
Todes, Die Stimmung der Angst, Geschichtlichkeit, Existentielle
Aussagen. Eine umfassende theologische Auseinandersetzung erfolgt
nicht.

Band 11 beginnt mit einem der Ethik zugehörigen Artikel: Familie
(1-23). Die Gliederung zeigt die sowohl theoretisch wie praktisch
gerichtete Tendenz: Familie im Spannungsfeld der Meinungen -
Familie in evangelischer Freiheit - Familie im sozialen Wandel -
Sozialisationsprobleme ... - Familienberatung und -bildung- Familienpolitik
. Als eine der theologischen Grundeinsichten der Gegenwart
wird festgehalten, „daß die Familie kein Selbstzweck ist und ihr
Ziel nicht in sich selbst hat. Als Erziehungsgemeinschaft. . . hat sie die
Aufgabe, ihre Kinder auf dem Weg ins Leben zu begleiten und zu entlassen
." (6) Ethische Fragen, auf die wir bei dieser Besprechung besonders
achten wollen, finden sich im Artikel Fasten/Fasttage (42-59);
erwähnt werden hier auch moderne Anstöße (Rahner, Bohren). Unmittelbare
Aktualität bereits vom Stichwort her besitzen solche Artikel
wie Fernsehen (87-91), Film (174-177), Frauenbewegung
(471-481), Frieden (599-646). Während die Kürze der erstgenannten
Beiträge kaum eine ethisch-theologische Entfaltung zustande kommen
läßt (immerhin werden unter Film sowohl theologische Fragen
berücksichtigt wie auch das Thema „Film als Glaubenshilfe" - 176),
läßt der Umfang des Artikels Frieden eine gründlichere Erörterung zu.
Mehr als die Hälfte des zur Verfügung stehenden Raumes entfällt auf
den Abschnitt: Kirchengeschichtlich und ethisch (vorher: Religionsgeschichtlich
, AT, Judentum, NT). Beachtenswert erscheinen u. a.
folgende „Kriterien einer Friedensethik": Der Beitrag zum Frieden ist
„Aufgabe nicht nur der Christen, sondern aller Menschen" - „Der
Frieden ist eine politische Aufgabe" - „Kriegerische Gewaltanwendung
ist kein Mittel der Politik, sondern zeigt deren Scheitern" - „Als
Christ zu denken, heißt vom anderen her zu denken" (636f). Gerade
im Zusammenhang mit dem Thema Frieden läßt sich auch einmal auf
die Querverbindungen aufmerksam machen, die zwischen den verschiedenen
Artikeln durch entsprechende Verweise hergestellt werden
- so z. B. unter Frömmigkeit (671-688), wo die „neue1, Frömmigkeit
der Gegenwart folgendermaßen charakterisiert wird: „Wer sich
um -*■ Frieden zu denen in der Ferne und in der Nähe, ja auch um
politischen Frieden aus der Bewegtheit durch den Glauben bemüht
und seinen Teil an lebensbehilflicher Verantwortung trägt, ist fromm"
(680). Allerdings wird das Verweissystem nicht in jedem möglichen
Fall praktiziert, also nicht mechanisch angewendet. Im Artikel
Freundschaft (590-599) wird ohne Verweis auf Frömmigkeit Bezug
genommen („Häufig werden, vor allem in rigorosen Formen puritanisch
-mystischer Frömmigkeit, Gottesfreundschaft und menschliche
Freundschaft als Konkurrenzverhältnisse gesehen" - 594).

Einige Artikel dieses Bandes 11 enthalten interessantes Material zur
Geschichte der Ethik, so z. B. Feste und Feiertage (93-143), Freizeit
(572-578), Fürstentümer, Geistliche(111-715) u. a.

Die bleibende Breite des Informatipns- und Erkenntnisangebots der
TRE sei abschließend durch die Nennung einiger weiterer Artikel belegt
(Band 11 enthält insgesamt 85 Beiträge): Fegfeuer, Fetischismus,
Firmung, Flugschriften der Reformalionszeit, Formgeschichtc/Formenkritik
, Franziskaner, Freikirche, Freud, Friesen, Frühjudentum
, Fundamentalismus, Futurologie.

Leipzig Ernst-Heinz Arnberg

Feurich, Walter: Lebensbericht eines Dresdener Gemeindepfarrers.

Berlin: Union Verlag 1982.267'S. 8°. Lw. M 5,-.

Das Buch bringt mehr, als man dem Titel nach vermuten könnte:
W. Feurich war über 20 Jahre Gemeindepfarrer in Dresden. Er berichtet
auch über seine Trinitatisgemeinde (114-118) und Lukasgemeinde
(187-205), aber das Buch bietet vor allem eine persönliche
Sicht der neuesten Kirchengeschichte. Der 1922 geborene F. wurde
1936 „feierlich in die Bekennende Evangelisch-lutherische Kirche
Sachsens aufgenommen" (35). 1940 begann er in Leipzig Theologie
zu studieren (48). Als Vertraucnsstudent der BK begegnete er u. a.
Helmut Gollwitzer und Herbert Mochalski; aber auch engagierte
Laien haben ihn beeindruckt. Mehrfach wurde er von der Gestapo
verwarnt, erstmals schon als 14jähriger Kreuzschüler. 1944/45mußte
er Soldat sein: Rekrut, Meldegänger, Verwundeter, Gefangener und
Heimkehrer; F. berichtet unter der Überschrift „Beim Magenkrankenbataillon
" (95-108). F. erlebt den ersten Wiederaufbau der sächsischen
Landeskirche. 1947-51 war er „Theologischer Hilfsarbeiter"
im Landeskirchenamt Dresden. Er war verantwortlich für die
Bischofseinführung von Hugo Hahn (157), er war der Vertreter Sachsens
beim ersten Gespräch zur Bildung der VELKD neben den
Bischöfen Beste und Mitzenheim (162). Als Leiter der Nachrichten-
und Pressestelle erlebte er 1948 in Eisenach die Gründung der
VELKD und der EKiD; er nahm an der ersten EKiD-Synode in
Bethel 1949 teil und kam in die Kammer für soziale Ordnung (170f).
Besonders nahe standen ihm jene Männer, die im Kirchenkampf die
Dahlemcr Linie vertraten. Drei Kapitel sind solchen Theologen
gewidmet: Karl Barth: Lehrer - Ratgeber - Freund (129-147); Für
kirchliche Erneuerung - Hans Joachim Iwand (147-156); Martin Niemöller
- Prophet in unserer Zeit (172-187). 1945 war F. der CDU beigetreten
, aus der er 1948 Jakob Kaisers wegen wieder austrat
(120-129). Erlebnisse in der Gefangenschaft und beim Wiederaufbau
führten ihn immer stärker zu einer bewußten Bejahung des real
existierenden Sozialismus in der DDR. Ein Kapitel gibt Auskunft
über „Meine Freunde aus der Arbeiterbewegung" (219-229). Emil
Fuchs, Karl Kleinschmidt und Herbert Trebs nennt er als Weggenossen
. Er engagierte sich in der Prager Friedenskonferenz und kam 1965
in den Herausgeberkreis der Monatsschrift „Glaube und Gewissen"
(227). Mitunter geriet er zwischen alle Stühle, so 1963 wegen der Einführung
der Wehrpflicht: „Im Landeskirchenamt glaubte man wieder
einmal Grund zu haben, sehr ungehalten über mich sein zu müssen.
Ich wurde als pazifistischer Schwärmer abgetan, der die Kirche nur in