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Ausgabe:

1984

Spalte:

229-230

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Die pastoralen Dienste heute 1984

Rezensent:

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph

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Seite 1

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229

Theologische Literaturzeitung 109. .lahrgang 1984 Nr. 3

230

Klostermann, Ferdinand: Die pastoralen Dienste heute. Priester und
Laien im pastoralen Dienst. Situation und Bewältigung. Linz-
Wien-Passau: Vernas Verlag 1980. 359 S. 8

Während die evangelischen Kirchen z. B. in der Bundesrepublik
Deutschland ihren jahrzehntelangen Pfarrcrmangel ausgleichen können
und schon vor Überlegungen stehen, wie die steigenden Absolventenzahlen
zu bewältigen sind, muß sich die römische Kirche mit
einem sich immer mehr zuspitzenden Priestermangel und daraus folgenden
tiefgreifenden Umstrukturierungen in der geistlichen Versorgung
der Gemeinden befassen.

In seinem letzten Buch widmet sich der im Vorjahr verstorbene
(em.) Wiener Pastoraltheologe Ferdinand Klostermann diesem Problem
. Ein erster Teil dokumentiert mit reichem Material den Rückgang
der Priesterordinationen und den Verlust durch Amtsverzicht in
den einzelnen deutschen Diözesen, in Österreich und darüber hinaus
in der ganzen Welt. Zugleich werden die regionalen Maßnahmen aufgezeigt
. Außer in ganz wenigen Ländern (z. B. Polen) ist die Versorgung
der Gemeinden mit der Eucharistie und den priesterlichen Diensten
schon heute schwierig mit der Tendenz einer weiteren Verschärfung
. Kirchenleitungen und Pastoraltheologie suchen'sich darauf
einzustellen. Der Rückgang von 1980 bis 1987 wird auf 30% geschätzt
, in manchen Diözesen auf nahezu 50% (Köln. Würzburg,
Bamberg u. a.), S. 334.

Auf der anderen Seite steht auch der katholischen Kirche ein wachsendes
Potential von Theologen, die nicht Priester werden wollen -
vor allem wegen des Pflichtzölibats - und von Theologinnen zur Verfügung
. Damit liegt die Ausgliederung pastoraler Dienste, die bislang
selbstverständlich vom Priester wahrgenommen wurden, nahe. Die
Konsequenzen für das Gemeindeverständnis, für die bislang zentrale
Bedeutung der Eucharistie im Leben der Gemeinde und womöglich
auch Für die Motivation und das Amtsverständnis der wenigeren und
einseitiger wie auch anonymer tätigen Priester deutet Vf. immer wieder
an. In der Auswahl und Deutung der Dokumente wird seine kritische
Stellung zum starren Festhalten am Pflichtzölibat, der mit der
ehelichen Bindung verglichen wird und dem Nachwuchs nicht mehr
plausibel zu machen ist, deutlich (95ff, vgl. 229). „Die Möglichkeit
menschlicher Fehlentscheidungen und eventueller Korrekturen
(wird) zu wenig ernst genommen, unbeschadet der bleibenden Bindung
an Christus" (101, vgl. 144). Jedoch kann das Zölibatsgebot
allein den Rückgang noch nicht erklären. „Autoritätsverlust, mangelndes
Interesse an der Kirche bei wachsendem religiösem Bedürfnis,
Wandel der Berufschancen, Verminderung der Geburtenrate (und)
Verringerung der bäuerlichen Bevölkerung, dem klassischen Nachwuchsreservoir
" werden für die BRD angeführt (48).

Die Dokumentation wird mit einer zusammenfassenden Darstellung
des Problems der Laisicrung- in der die anfangs rigorose Haltung
Johannes Paul's II. sich inzwischen aufgelockert hat -, der Laicnthco-
logen und überhaupt des Laien und der sakramentalen Ordination der
Frau abgerundet.

Im zweiten Teil, den systematischen Überlegungen, entfaltet Vf.
seine aus früheren Veröffentlichungen bekannten Vorstellungen zu
Gemeinde und Amt heute. Er redet neuen Versuchen zur Gemeindewerdung
das Wort (Intensivgcmcindc. Prozeß der Gemeindewerdung
der ganzen Gemeinde. Personalgemeinde, 2I5IT). Er sieht den priesterlichen
Dienst heute in der „amtlichen Sorge um die Gründung
christlicher Gemeinden und deren geistliche(n) Leitung" (224). Jede
„Voll"-gemeindc (kein glücklicher Terminus) braucht deshalb - nicht
nur zur Sakramcntsspcndung - mindestens einen ordinierten Presbyter
(232). Die Betrauung von Diakonen und Laien mit derGcmeinde-
leitung „höhlt den priesterlichen Dienst aus . . . und führt zur Trennung
der faktischen Gemeindcleitung vom F.ucharisticvorsitz und zur
Aufspaltung der pastoralen Vollzüge" (236). Darum ist - mit Karl
Rahner - „das Recht der Gemeinde auf Priester und Eucharistie vorrangig
gegenüber dem Recht der Kirche auf einen zölibatärcn Klerus"
(243). Da der priesterliche Dienst nicht der einzige pastorale Dienst

und auch nicht die einzige Berufung ist. wird der Laie und der Laientheologe
als neue Chance für die Kirche dargestellt. Der Begriff Laie in
Unterscheidung von dem Kleriker ist fragwürdig (249). Im (vollakademischen
) Pastoralreferenten und Pastoralassistenten - die Unterscheidung
wird nicht deutlich -, sowie im (seminaristisch ausgebildeten)
Diakon hat die römische Kirche unter dem Druck des Priestermangels
die Vielfalt der Gaben und Dienste für die Gemeinde neu entdeckt, die
gemäß dem Kirchenverständnis des Zweiten Vatikanums zur Geltung
zu bringen das eigentliche Anliegen des Vf. war. Das Buch schließt mit
dem Ruf zur Identifikation des kirchlichen Amtsträgers mit seiner
Kirche.

Das Buch von Klostermann ist eine eindrucksvolle und zuverlässige
Momentanaufnahme aus der Zeit eines großen Umbruchs. Es wird
über den spezifisch römischen Bereich hinaus für die Suche nach der
rechten Zuordnung der Dienste in der Gemeinde bleibende Bedeutung
haben.

Wien Hans-Christoph Schmidt-Lauber

Brandt, Peter: Die Evangelische Seelsorge an Strafgefangenen in der Neuzeit
(Diss. Bonn 1983).

Friedrich, Gerhard: Der alte Mensch. Soziologische, psychologische und
biblische Aspekte(PTh 72,1983 S. 504-519).

Klunker, Wolf-Ulrich: Die religionspsychologische Methode Georg Wobber-
miens(Diss. Göttingen 1983).

Mayer, Rainer: Seclsorge zwischen Humanwissenschaften und Theologie.
Ein Beitrag zur Neuorientierung in der gegenwärtigen Seelsorgediskussion
(Theol. Beitr. 14,1983 S. 6-21).

Schall, T. Ulrich: Eheberatung in der Kirchengemeinde (Diss. Erlangen-
Nürnberg 1983).

Ökumene: Missionswissenschaft

Heiniger, Ernstpetcr: Ideologie des Rassismus. Problemsicht und
ethische Verurteilung in der kirchlichen Sozialverkündigung. Immensee
: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 1980. 380 S.
gr. 8' = Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft. Supplementa,
XXVIII. Kart, sfr 57.40.

Das Thema „Mission und Kolonialismus" ist geradezu ein Tummelplatz
all derer geworden, die Freude daran haben, der Kirche im
allgemeinen, der Mission im besonderen etwas am Zeug zu flicken. Vf.
hebt sich davon vorteilhaft und eindrucksvoll ab. Er legt eine die gesamte
katholische Mission umfassende, historisch sorgfältig fundierte,
außerordentlich solide Untersuchung vor, deren Motto „Gerechtigkeit
für die Unterdrückten" lautet (IX). Dabei hat Vf., Angehöriger
der Missionsgesellschaft Bethlehem in Immcnsee/Schwciz (SMB),
den Vorzug, von einer genauen Kenntnis der Situation in Zimbabwe
in der letzten Zeit vor der Erringung der Unabhängigkeit ausgehen zu
können, einer Zeit, in der „die Kluft zwischen den dominierenden
Weißen und den dominierten Schwarzen von Tag zu Tag größer"
wurde (ebd.).

Die Studie umfaßt zwei historische und einen systematischen Teil,
sie hehandelt „Die Institution der Sklaverei als Erscheinungsform des
Rassismus", „Rassenkonflikte und Rassentheorien als Erscheinungsformen
des Rassismus" und „Die ethischen Schwerpunkte in der
kirchlichen Auseinandersetzung mit der Rassenfrage". Dabei stützt
sie sich auf umfangreiches Quellenmaterial und benutzt darüber hinaus
eine Fülle katholischer wie auch evangelischer Sekundärliteratur.
Ein Personen- und ein Sachregister ermöglichen es, das Buch auch als
Nachschlagewerk zu benutzen.

Der erste Teil referiert zunächst über „Die spanische und portugiesische
Kolonialidcologie des 16. und I 7. Jahrhunderts und die Freiheit
der Indios" (711). Geschildert werden die verhängnisvollen Folgen
der „Idee einer christlichen Univcrsalmonarchie" (8). aber ebenso der
„Protest der Missionare gegen die Versklavung der Indios" (19) und
hinwiederum, daß es ausgerechnet Las Casas war. der Kaiser Karl V.