Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1984

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

217

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

218

Historiker müssen den wissenschaftlichen Apparat vermissen, es gibt
keine Literaturhinweise, auch kein Quellenverzeichnis, und die erbaulichen
bzw. moralisierenden Passagen sind auch nur wenig hilfreich
(z. B. S. 59, S. 69 u. ö.). Als populärwissenschaftliches Buch für
interessierte Leser operiert es mit zu vielen fremdartigen Begriffen, die
nicht erläutert werden, so wird z. B. S. 67 die dualistische Weltsicht
des Mittelalters als ..manichäisch" gekennzeichnet. Abgesehen davon
, ob dies der rechte Begriff wirklich ist, müßte er wenigstens genau
erklärt werden. Ebenso sind die Namen der in den Anmerkungen
Zitierten nicht vorgestellt oder eingeordnet. Wer ist Ordericus Vitalis?
In einem populärwissenschaftlichen Buch müßte er doch vorgestellt
werden, in einem wissenschaftlichen erwartet man zumindest eine
exakte Quellenangabe.

Doch es sind nicht nur diese Llngenauigkeiten, die die Kritik der
Rez. herausgefordert haben. Die Mönchsbewegung wird überhaupt zu
unhistorisch und undialektisch beschrieben. Bernhard von Clairvaux'
Person und Werk werden verklärend herausgearbeitet, sein Rigorismus
und seine Inkonsequenzen zwar nicht verschwiegen, doch die
Ambivalenz dieses mittelalterlichen Heiligen nicht einsichtig gemacht
. Ebenso verhält es sich mit dem Zisterzienser-Orden insgesamt,
eine wirkliche Einordnung in die Geschichte fehlt Die mittelalterliche
Welt wird - iclleicht unbeabsichtigt - über den Kamm moderner
Ideale geschoren, und das schadet der Darstellung. Dadurch fallen
auch die Urteile über die cluniazensische Bewegung, über die karo-
lingischc Zeit moralisierend und insofern unhistorisch aus.

Es gäbe noch einige andere Gravamina, z. B. die Eehldeutung der
Krypta-Funktion S. 44, doch soll es dabei sein Bewenden haben. Wo
viel Schatten ist, ist auch viel Licht. Duby macht in seinem Buch
gleichzeitig auf einige interessante Fakten aufmerksam, die nicht
unerwähnt bleiben sollen. Die bernhardinischen Metaphern, z. B. in
den Hohelied-Predigten, werden gut in bezug zur zisterziensischen
Kunstauflässung gesetzt, was einen sehr hilfreichen Überblick verschafft
(S. 111.112). Die Bindung des zisterziensischen Reformwillens
einerseits an die mittelalterliche Ständcordnung mit all ihren Problemen
und der Ansatz zu einer wenigstens geistig-ideologischen
Überwindung andererseits wird genau herausgearbeitet. Auf einen
wichtigen Aspekt mittelalterlicher Frömmigkeit und Lebensauffassung
geht Duby bereits am Anfang des Buches ein: Das Erlebnis des
Gottesdienstes als I est. der Festcharakter jeglichen kultischen Handelns
, auch das Fest des höfischen Lebens sind entscheidende Aspekte
des Lebens, die auch die Gestaltung der Architektur bestimmen.
Nicht Erbauung oder Belehrung wird im Gottesdienst erwartet, sondern
die festliche Überhöhung des Daseins in und durch die Liturgie.
So wird erst die Entwicklung und Entfallung sowohl des romanischen
alsauch noch mehr des gotischen Kirchenbaus verständlich.

So bleibt alles in allem festzustellen, daß es sich bei dem hier angezeigten
Titel um eine zwar nur mit Einschränkungen befriedigende
Arbeit handelt, die aber andererseits auch manchen wichtigen
Erkenntnisgewinn vermittelt.

Herlin Gcriinde Wiedcrandcrs

Altrussische Malerei des 15.-17. Jahrhunderts aus der Sammlung des
Andrej-Kuhljow-Museums Moskau. Berlin: Staatliche Museen zu
Berlin 1982. 11 S., 48 Tai". 8' = Ausstellungskataloge der Frühchristlich
-byzantinischen Sammlung. 3. Kart. M 15,-.

Die im vorliegenden Katalog dokumentierte Ausstellung fand
vom 22. Oktober bis 19. Dezember 1982 statt. Einer kurzen Einführung
von A. S. Loginowa, Moskau, folgt die Beschreibung der Exponate
. Alle 50 ausgestellten Ikonen werden im anschließenden Tafelteil
bzw. auf dem Umschlag in ansprechenden Farbrcproduklionen vorgestellt
, so daß der Katalog über seinen Anlaß hinaus zu empfehlen
ist.

U.C.

Baltz, Ursula: Theologie und Poesie. Annäherung an einen komplexen Zusammenhang
zwischen Theologie und Literaturwissenschaft (Diss. theol.
Mainz 1983).

Borchmeyer, Dieter: „Parsifal". Erlösung und Wiederbringung der Dinge
(ZW 54,1983 S. 143-160).

Frühwald, Wolfgang: Romantische Sehnsucht und Liebestod in Richard
Wagners Oper „Tristan und Isoide" (ZW 54, 1983 S. 129-143).

Kranz, Gisbert: C.S.Lewis versus Aldous Huxley (StZ 108. 1983
S. 761-769).

Sörries, Reiner: Die Evangelischen und die Bilder. Rctlexionen einer Geschichte
. Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission 1983. 235 S. m. zahlr. Abb.
8 Kart. DM 24,-.

Systematische Theologie: Allgemeines

Kraus, Hans-Joachim: Theologische Religionskritik. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsv ereins 1982. X, 278 S.
8 = Neukirchener Beiträge zur Systematischen Theologie, 2. Kart.
DM 35,-.

Das Buch wird gelesen werden. Denn es ist gut lesbar, es informiert
an zentralen Punkten sachgemäß, der Autor vertritt seine Linie, in der
ihm heute viele folgen werden, vehement und eindrücklich. Und das
Thema selbst brennt uns auf den Nägeln. Referieren wir zunächst.

K. stellt im I. Kap. die Religionskritik (Rk.) Karl Barths, hauptsächlich
von der 1. Aull, seines Römerbriefes bis zum ij 17 der Kirchlichen
Dogmatik, dar. Dabei gelingt ihm in hervorragender Weise, das
Aussagengelalle dieses § transparent zu machen und übliche Mißverständnisse
auszuräumen. Vielleicht darf man so weit gehen zu sagen,
daß es der § 17 ist, der für K. das eigentliche Anliegen seines Buches
ist. Barth ist in seiner theologischen Rk. konsequenter Schüler der
Reformatoren. So ist Rk. für ihn nicht primär Kritik der nichtchristlichen
Religionen, sondern Kritik der christlichen Gemeinde von der
paulinischen und reformatorischen Lehre der iustificatio impii her.
Das Barth-Kapitel schließt mit einem Abschnitt über die politische
Verantwortung der christliehen Gemeinde.

Das 2. Kap. behandelt Dietrich Bonhoejjer, dessen Theologie ebenfalls
unter dem Gesichtspunkt der Rk. dargestellt wird. Jesu Dasein
für andere ist die Herrschaft des Gekreuzigten, der der Religion ein
Ende setzt. Bonhoeffcr kritisiert die Fchldeutung des christlichen
Glaubens als Typus der „Erlösungsreligion". K. interpretiert: „Rk.
kämpft um diese Mitte des Lebens; sie streitet mit den Waffen des AT
gegen jede religiöse Ideologie, die die Randbezirke verklärt und die
Grenzerlährungcn verherrlicht." (S. 89) Die Forderung der religionslosen
Interpretation ist keineswegs nur hermeneutisehes Programm,
sondern „eine Infragestellung der Ganzheit kirchlichen und christlichen
Lebens im Dunstkreis von Religion" (S. 92), ist „eine Konsequenz
der Rechtfertigungslehre" (S. 94).

Das 3. Kap. besehreibt die Reformatoren als Wegbereiter neuzeitlicher
Rk. K. findet Ansätze der Rk. in Luthers Theologie: „Daß Religion
.Wunschwesen- (L. Feuerbach) ist. hat Luther zuerst erkannt und
deutlich herausgestellt." (S. 131) Doch ist die anthropologische „Pro-
jektionstheorie" Luthers problematisch. K zitiert (S. 133) den bekannten
Satz aus der Röm-Vorlesung „Qualis est unusquisque in
seipso, talis est ei Deus in obiecto" (WA 56. 234) und aus der großen
Gal-Vorlcsung von 1531 das gewagte „Fides est ercatrix divinitatis"
(WA 40 I, 360). Es ist aber vor allem Calvin, den K. als den Rcligions-
kritiker der Reformation schlechthin herausstellt. Nach Inst. I, 11,8
ist der Menschengeist zu allen Zeiten idolorum läbrica gewesen. Wie
bei Luther entspringt die Rk. der Rcchtfcrtigungslehre. doch konkretisiert
Calvin Luthers „pro nobis" in seiner triplex-munus-Lehre
(S. 141). Und außerdem schützt das Extra-Calvinisticum Calvins
Theologie. „Wo die Kautclc des .Extra-Calvinisticum' beachtet
wird, kann keine Gott-ist-tol-Theologie aufkommen und sich zum
Maß der Rk. erheben." (S. 141) Das 3. Kap. schließt mit einer Über-