Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1984

Spalte:

207-209

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Schriften und Briefe, Mai 1530 bis Ende 1532 1984

Rezensent:

Fligge, Jörg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

207

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

208

keit verbindet, bringt er diese in ein schiefes Licht. Auch wenn die mit
soräes und Ähnlichem bezeichnete Leiblichkeit von der Sünde zu
unterscheiden ist (vgl. 267-273) und zudem zum Heil beiträgt, wird
sie aufs Ganze gesehen doch abgewertet. Die „Nota sull'utilizzazione
cristiana della leggenda della fenice" von D. M. Cosi illustriert an
einer Einzelheit, wie sehr das Schema von Anläng und Ende das
christliche Denken bestimmt hat (274-279). - Ein Protokoll von zwei
allgemeinen Diskussionen (283-301) und eine Schlußerklärung beschließen
den Band (302-320). In dieser vertreten H. Crouzel den
patrologischen und U. Bianchi den religionsgeschichtlichen Standpunkt
. Dabei stellen sie allerdings Patrologie und Religionsgeschichte
in einer Weise gegenüber, die kaum allgemeine Zustimmung linden
wird (302). Soweit diese zwei Disziplinen historisch vorgehen, können
sie kaum zu so verschiedenen Ergebnissen gelangen, wie dies behauptet
wird. Etwas anderes wäre es, wenn die Patrologie auch theologisch
begriffen wird; denn dann erfolgt eine Beurteilung der Gegebenheiten
von der Bibel her, wie sie von der christlichen Tradition verstanden
wird. Immerhin wird man für die beiden Zusammenfassungen dankbar
sein, besonders für die zweite, in der U. Bianchi den Dualismus,
den man Origenes zuschreiben kann, von anderen dualistischen
Denkmodellen klar abhebt und als «doctrine des deux principes qui,
coeternels ou non, fondent l'existence de ce qui, d'une facon ou d'une
autre, existe et se manifeste dans ce monde» (3 16). Freilich wird dabei
der apokalyptische Ansatz von Anfang und Ende wiederum ganz
übergangen. Der radikale Dualismus wird nur vom Piatonismus her
erklärt. Damit kommt die grundlegende Frage ins Blickfeld, wie weit
das von Origenes und Gregor in der Anthropologie verwendete
Schema Arche und Telos in der apokalyptischen Umwelt des NT, ja
in der Bibel des AT begründet ist, soweit diese, wie z. B. Deutero-
Jesaia, vom eschatologischen Verständnis des Heils zum Schöpfungsbegriff
gelangt. Im übrigen wird S. 320 das posl mit dem antepraevisa
demerila verwechselt.

Rom Basil Studer

Osiander, Andreas d. Ä.: Gesamtausgabe. Bd. 4; Schriften und Briefe
Mai 1530 bis Ende 1532. Hrsg. v. Gerhard Müller u. Gottfried Seebaß
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1981. 498 S.
gr. 8" = Lw.DM 165,-.

Über die ersten drei Bände der Osiander-Ausgabe wurde in der
ThLZ 102, 1977 Sp. 115-117; 104, 1979 Sp. 199-202 und 106, 1981
Sp. 106-107 berichtet. Band 4 enthält u. a. weitere Vorarbeiten zur
Nürnberger Kirchenordnung von 1533, jedoch noch nicht deren Text.
Diesen wird erst der fünfte Band enthalten.1 Zeitliche Fixpunkte für
Band 4 bilden der Augsburger Reichstag, Sommer 1530, und die
innerprotestantischen Verhandlungen zu Schweinfurt, 1. April bis
12. Mai 1532.

Nach dem Urteil der Herausgeber sind ergänzende Funde zu den
bereits edierten Bänden (als Nachträge) kaum noch zu erwarten.
Archive und Bibliotheken wurden erschöpfend ausgewertet. Dagegen
müssen eine Reihe von Gutachten, Ratschlägen und Briefen von und
an Osiander, die in den Quellen belegt sind, als verschollen gelten
(S. 14ff). Einige von Seebaß Osiander zugeschriebene Stücke wurden
nicht in die Ausgabe aufgenommen, da Oslanders Autorschaft nicht
wahrscheinlich ist. Bei anderen Stücken wurde von der zeitlichen Einordnung
, wie sie das Werkverzeichnis von Seebaß bietet2, abgewichen
(S. 170-

Der 4. Band bietet im wesentlichen zu folgenden Themenkreis
Material: Reichstag zu Augsburg/Confessio Augustana, Problem
„Widerstand gegen den Kaiser"; Vorbereitung einer Kirchenordnung,
Katechismusunterricht und Kinderpredigt, Kirchenrechtliches; Verhältnis
zu Schwärmern und Sektierern.

Osiander erhob zwar gegen die CA Bedenken, doch schloß sich der
Nürnberger Rat dieser letztlich an. Osiander reiste - nach Übergabe
der CA an den Kaiser - selbst nach Augsburg, wo er als Beobachter

fungierte. Die „Schirmschriff1 zum Augsburger Reichstag (Nr. 1401'
S. 6lfl), die in diesem Zusammenhang entstand, blieb zwar tür die
Verhandlungen auf dem Reichstag ohne Bedeutung, ist aber für die
Entwicklung Oslanders aufschlußreich (S. 67). Zu beachten ist die
Verwendung der Bibelstelle 1 Kor 1,30, die für Oslanders Rechtfertigungslehre
eine zentrale Rolle spielt (S. 82 Anm. 169). Während seines
Aufenthaltes in Augsburg traf Osiander auch mit Urbanus Rhe-
gius zusammen.

Osiander äußerte sich zusammen mit anderen Nürnberger Theologen
in einem Gutachten auch zur kaiserlichen Reaktion auf die CA,
die Confutatio, in dem auf Streitpunkte wie Väter, Konzilien, Schrift,
Erbsünde, gute Werke, Abendmahl u. a. eingegangen wird
(Nr. 147/148 S. 1 18ff). Ebenfalls arbeitete Osiander an einer Apologie
. Offiziell wurde ein Vierzehnerausschuß tätig, der CA und CCA zu
untersuchen hatte (N. 149 S. 137 ff). Auch im Hinblick auf einen dort
möglichen Vergleich stellten die Nürnberger Theologen verschiedene
Gesichtspunkte für den Nürnberger Rat zusammen (Nr. 149S. I371T).
Am Thema „Widerstand gegen den Kaiser" führte kein Weg vorbei
. Osiander verfaßte zu diesem Komplex ein längeres Gutachten
(Nr. 151 S. 158IT), in dem das Liebesgebot eine zentrale Rolle spielt.
Insgesamt rät Osiander zu eher vorsichtigem Handeln. Mit seiner
Weigerung, dem Bund von Schmalkalden beizutreten, befand sich der
Nürnberger Rat bereits auf diesem Kurs. Oslanders Gutachten übte
keinen nachweislichen Einfluß in dieser Richtung aus.

Auch die Appellation an ein „freies Konzil" wurde als Ausweg diskutiert
und von Osiander kommentiert (Nr. 152 S. 207f). Die protestantischen
Beratungen in Schweinfurt, März 1532, gehören in den
gleichen Zusammenhang. In einem Gutachten der Nürnberger Prediger
werden nicht zuletzt die „babstischen . . . ceremonien" als unannehmbar
abgelehnt (S. 408). Nürnberg indes konnte für eine harte
Linie weiterhin nicht gewonnen werden. Dieses entsprach auch den
Voten seiner Theologen (Nr. 170S. 397ff,Nr. 172 S. 4140).

Der zweite Themenkreis, Vorbereitung einer Kirchenordnung,
knüpft an Band 3 an. Oslanders Alleingang und Spenglers Kritik wurden
schon erwähnt (ThLZ 106, 1981 Sp. 107). Als Sonderthema ist
die Konditionaltaufe zu nennen, von der sich Luther und Melan-
chthon distanzierten, an welcher Osiander aber festhalten wollte
(Nr. 153-157 S. 2191T, bes. 240IT). Überlegungen zu einer gemeinsamen
protestantischen Kirchenordnung stießen in Nürnberg auf
Skepsis (Gefahr eines „neuen Papsttums", S. 225), so daß das Projekt
einer eigenen Kirchenordnung weiter verfolgt, jedoch durch geschickte
Beschäftigung der Theologen mit Korrekturen und Begutachtungen
vom Rat aus politischen Gründen bewußt in die Länge
gezogen wurde (Nr. 169 S. 373 ff).

Katechismusunterricht und Kinderpredigten wurden vom Nürnberger
Rat gefordert, denn sie waren bereits ein Stück in die Praxis
umgesetzter Kirchenordnung (Nr. 163 S. 3061T). Die Theologen betonten
diesen Zusammenhang (Nr. 164 S. 314). Der Begriff Kinderlehre
wurde durchaus in weiterem Zusammenhang gesehen: „Cate-
chismus ist der Christen kinderlehr, nicht daß er allein die kinder angehöre
, sondern daß ihn alle Christen von kindheit aufsollen lernen . . ."
(S. 327). Als Zielgruppen wurden Kinder, Alte und Lehrlinge benannt
(S. 329). Der Nürnberger Katechismus (Nr. 165 S. 3 34 ff), später
Grundlage für die weit verbreiteten Kinderpredigten, wurde 1531 in
Nürnberg gedruckt. Zu beachten ist die Aufnahme der Katechismustexte
in ein Schulbuch, das der damalige Nürnberger Rektor Leonhard
Culmann aus Crailsheim herausgab.4

Die zweite Druckschrift, die „Fragstücke zum Abendmahl"
(Nr. 166 S. 341 ff), wurden 1531 ebenfalls in Nürnberg gedruckt. Ein
weiteres Thema betraf den Kirchenbann (Nr. 167 S. 3441T). Die Mitverfasserschaft
Oslanders bei den beiden abgedruckten Gutachten
scheint jedoch schwer nachweisbar. Seebaß nahm diese Stücke daher
sicherheitshalber in den 4. Band auf (S. 348). In diesem Zusammenhang
ist auch die Behandlung eherechtlicher Probleme zu erwähnen
(Nr. 174S. 438ff).

Verschiedene Stücke des Bandes beschäftigen sich schließlich mit