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Ausgabe:

1984

Spalte:

205-207

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Arché e telos 1984

Rezensent:

Studer, Basil

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

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im Jahre 649 nach dem Sturm der Araber auf die Stadt und das Land
auf einer Lateran-Synode sich mit Palästina befaßt (S. 250
Anm. 62).

Die Wiederbelebung von Chalcedon - eine ..rätselhafte Tatsache,
aber die Quellen geben es nicht anders her" (S. 141)- zeitigt am Ende
des 5. Jahrhunderts noch eine andere Konsequenz. Die zwischen 451
und 553 so unruhige Zeit wurde zum Ausgangspunkt eines echten, erneuerten
geistlichen Lebens (S. 285). An die Stelle der endlosen Wiederholungen
und Repliken zu dogmatischen Sätzen tritt das Studium
der Hl.Schrift. Vielleicht verdanken manche Mss. des AT und NT
dieser Tendenz ihre Entstehung. Anhand des Bildes der Evangelien
erwächst das Verständnis der Heilstat Jesu (S. 273, 274. 295). Die völlige
Rettung des Menschen wird als Ziel der Taten des irdischen Jesus
gepriesen, - eine gänzlich neue Diktion anstelle der bisher geübten
Stellungnahmen pro und contra der theologischen Fronten. Motive
wie die „Nachfolge Jesu" werden zum Charakteristikum der Frömmigkeit
. Der Name „Jesus" tritt folglich mehr und mehr an die Stelle
der anderen Hoheitsbezeichnungen des öottessohnes. Namen wie
Logos. Christus und Menschensohn werden nur noch in der den
Evangelien eigenen verdeckten Weise gebraucht (S. 284, 285). In der
Glaubenslehre wird nur noch gefragt, ob beim Taufbekenntnis die
Formel von Nicäa gehalten wird. Auch wird die Eucharistie als
„Grundelement der Vergottung" der Gläubigen gefeiert (S; 284).

Das Chalcedon ist damit aus der Debatte herausgenommen. Es
bleibt aber als Motiv zur Besinnung darauf, daß eigentlich jede Kirchenpartei
orthodox sein wollte, am meisten die Monophysiten. Dieses
Motiv wird durch eine Beobachtung Perrones unterstrichen: die
Formel von Chalcedon wird zum „Ring" (annello S. 315), der teils
alle Gläubigen umschließen kann, teils Gelegenheit bietet, sich an
ihm festzuhaken. So ist die Formel von Chalcedon an sich selbst
uninteressant geworden, bietet aber die Möglichkeiten, die in die Zukunft
weisen.

Zur Begründung dieses offensichtlichen Wandels darf nicht verschwiegen
werden, daß auch außerkirchliche Gründe drängten. Seher
und Propheten hörten in ihren Klöstern und Einsiedeleien das Grollen
künftiger Weltgewitter. Vom Nestorius bis Abba Jesaja heißt es:
die gegenwärtigen Weltstrafen sind bloß ein Vorspiel der Endstrafen
(S. 290). Deshalb trat liturgisches und pastorales Handeln in den Vordergrund
. Diese Wandlung der Dinge hat dem Mönehtum nicht geschadet
(S. 146.315).

In dem hervorragend ausgestatteten Buche fehlen leider eine Zeittafel
und im Register die Charakterisierung der Namen. Der Leser
steht hilflos vor z. B. 130 Nennungen von Johannes, die zu 27 verschiedenen
Trägern dieses Namens gehören. Auch könnte es hilfreich
sein, die Schreibweise der Vulgata zu verwenden. Es wäre sehr schade,
wenn dieses so unverkennbar wichtige Buch dieserhalb ungelescn
bliebe.

Bremen Walter Nagel

Bianchi, U., u. H. Crouzel [Ed.]: Arche e Telos. L'antropologia di
Origene e di Gregorio di Nissa Analisi storico-religiosa. Atti del
Colloquio Milano, 17-19 Maggio 1979. Milano: Vita e Pensicro
1981. VII, 340 S. 8" = Studia Patristica Mediolanensia. 12. Kart.
L. 56.000.

Im Anschluß an eine Reihe von Seminaren über die „Urschuld"
bei Origencs und Gregor von Nyssa und einem Kolloquium über die
„doppelte Schöpfung" bei Gregor von Nyssa (1978) organisierte das
Institut für Religionsgesehichte an der Kath. Universität von Mailand
vom 17.-19. Mai 1979 ein Kolloquium über die Anthropologie des
Origenes und der Kappadokier unter dem Aspekt von Arche und
Teiot, Wie schon im Untertitel seiner hier vorliegenden Akten, in
deren Vorwort (3-6) und vor allem im Eröffnungsvortrag von U.
Bianchi (9-27) zum Ausdruck kommt, sollte nach den Organisatoren
bei dieser Zusammenkunft, zu der auch Philologen. Patrologcn.
Kirchen- und Philosophiehistoriker eingeladen worden waren, der
religionsgeschichtliche Standpunkt wegleitcnd sein. Wie aus der

ersten Diskussion hervorgeht (in den Akten vorgezogen: 28-35), bot
der Begriff des Dualismus, wie ihn Bianchi vertrat, von Anfang an
Schwierigkeiten. Dies um so mehr, als H. C ro u ze 1 in seinem Beitrag
«L'anthropologie d'Origene: de l'arche au telos» eine andere Auffassung
vertreten hatte (36-49). Crouzel selbst nimmt auf Grund seiner
Analyse des Trichotomismus des Origenes: Geist - Seele (obere und
untere) - Leib für dessen Anthropologie und Kosmologie wohl eine
dualiti an, sofern sie von der Tat Gottes wie vom freien Willen des
Menschen bestimmt werden, schließt jedoch einen Dualismus im
Sinne von zwei voneinander unabhängigen Prinzipien aus (46f).
Ebenfalls noch vor Bianchi sprach J. Ruis-Camps über „La hipöte-
sis origeniana sobre el fin ultimo" (58-117). Vor allem im Blick auf
die Exegese von 1 Kor 15.24-28 kommt er dabei zur Unterscheidung
von drei Ebenen, auf denen Origenes von Anfang und Ende spreche:
die biblische: Schöpfung und Vollendung bei Gott - die theologische:
Schöpfungs- und Erlösungsplan sowie Unterwerfung aller Mächte
durch Christus und Aufrichtung des Reiches des Vaters - die hypothetische
: zweite Schöpfung nach einem Urfall und Unterwerfung der
Mächte, unter Errettung aller vernünftigen Wesen. - In einem hervorragenden
Vortrag über die Protologie und Eschatologie Gregors von
Nyssa (122-1 59) arbeitet Frau M.Alexandre heraus, wie dieser von
Origenes abhängt und zugleich weit über ihn hinausgeht. Im besonderen
würden nach ihm Leib und Seele der einzelnen, und zwar aller
Menschen, wie sie am Anfang zusammen erschaffen worden sind, in
der Auferstehung auch zusammen existieren. Außerdem stelle Gregor
mehr als Origenes den ganzen geschichtlichen Prozeß der Wiederherstellung
von Bild und Gleichnis heraus. Endlich schließe er eine
Mehrzahl von Welten durch die Lehre vom ewigen Fortschritt eindeutig
aus. Allerdings habe auch er u. a. bei der Gegenüberstellung der
Engel und der auferstandenen Gerechten, wie in der Auffassung vom
Ort des ersten und zweiten Paradieses seine Schwierigkeiten. Indem
Frau Alexandre sich fortwährend auch auf die jüdischen Quellen bezieht
und sich nicht auf die platonischen Traditionen beschränkt,
nimmt sie das religionsgeschichtliche Anliegen ernster als die anderen
. Doch selbst bei ihr, so wenig wie in der folgenden Diskussion
(160-169), in der auch auf Apk hingewiesen wird, erhält der Zusammenhang
mit der apokalyptischen Auflassung von Anfang und Ende
kein besonderes Gewicht. Hingegen stellt Frau M. Harl bei der
Diskussion mit aller Klarheit heraus, wie Origenes den Urständ von
den biblischen Gegebenheiten über das Ende her entwickelt
(165-168). Unter dem Titel "Individual personality in Origen and the
Cappadocien Fathers" befaßt sich G. C. Stead mit der Frage, wie
weit diese im Anschluß an platonische, aristotelische und stoische
Traditionen ein individuelles Verständnis des Menschen entwickelt
haben (170-191). E. Corsini bringt in seinem Referat „La polemica
contro Eunomio e la formazione della dottrina sulla creazione in Gregorio
di Nissa" zur Sprache, wie dieser vom christlichen Schöpfungsbegriffher
von der Existenz einer vom Schöpfer verschiedenen Ideenwelt
absieht und damit auch die Annahme eines Mittlers zwischen
Gott und Welt unnötig macht (197-212). Leider geht er dabei nicht
darauf ein, wie die Frage der Schöpfung aus dem Nichts zum Angelpunkt
der arianischen Kontroverse geworden ist. Auch bleibt erden
Beweis dafür schuldig, daß Eunomius, anders als man sonst annimmt,
die negative Theologie radikalisiert habe (209). Der Beitrag von A.
Quacquarelli „L'antropologia del martire nel panegirico del Nis-
seno a san Tcodoro di Amasea" hat den Vorteil, daß er die Auferstehung
bei Gregor von der Verehrung der Märtyrer und ihrer Reliquien
her behandelt und damit ein Gegengewicht zur bloß philosophischen
Behandlung des Themas schallt (217-228). Besonderes Interesse verdient
die Studie „Restaurazione dcll'immagine del Celeste e ab-
bandono dcll'immagine del terrestre nella prospettiva origeniana
della doppia creazione" von G. Sfameni Gasparro (231-266).
Darin bringt die Verfasserin das Thema von der doppelten Schöpfung
mit den paulinischen Texten 2Kor 4,16: Kol 3,9; I Kor 15.49 bei Origenes
in Zusammenhang. Weil dieser das „Bild des Irdischen", d. h.
das Bild des Teufels mit der nach dem Urfall geschaffenen Leiblich-