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Ausgabe:

1984

Spalte:

203

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Stephan, Sabine

Titel/Untertitel:

Karapet Episkopos Ter-Mkrttschjan (1866 - 1915) 1984

Rezensent:

C., U.

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203

Theologische Lileraturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

204

rung katholischer Arbeiter aus Böhmen, Bayern und Schlesien ließ
den katholischen Anteil an der Bevölkerung Sachsens ansteigen und
katholische Plärrgemeinden entstehen. Widerstand ergab sich vielfach
seitens der evangelischen Bevölkerung, weshalb sich die Regierung genötigt
sah, „zur Erhaltung des konfessionellen Friedens" streng darauf
zu achten, daß sich die Entwicklung der katholischen Kirche im Rahmen
der Verfassung von 1831 und der entsprechenden Gesetze vollzog
. Das wirkte sich nun freilich zuungunsten der Katholiken aus,
denen die in Sachsen doch recht kraftig geübte Staatsaufsicht über alle
Kirchen spürbarere Grenzen auferlegte als der fest etablierten lutherischen
Landeskirche. Man wird das Verhältnis zwischen der sächsischen
Staatsregierung und den Apostolischen Vikaren im ganzen als
wohlmeinend-korrekt bezeichnen können. Der das ganze Buch
durchziehende leise Unterton einer aus den dargebotenen Tatsachen
sprechenden Klage ist verständlich, würde sich aber etwa bei einer
Darstellung der Entwicklung der lutherischen Kirche in Altbayern in
ähnlicher Weise anstimmen lassen. Hier wirkten einfach noch Volks-
kirchentum, Konfessionalismus, Intoleranz und Sendungsbewußtsein
allgemein so stark, daß es konfessionelle Minderheiten überall schwer
hatten. Freilich sind in Sachsen auch Ungeschicklichkeiten der Behörden
und unnötige Härtefalle zu verzeichnen, wobei die mit der
Konfessionsfrage eng verbundene Sprachen- und Nationalitätenfrage
eine Rolle spielte, waren doch unter den eingewanderten Katholiken
viele polnische Land- und Fabrikarbeiter, gegen die man aus völkischen
Gründen meinte sich wehren zu müssen. Es ist verständlich,
daß für die katholische Kirche in Sachsen das Ende des Staatskirchen-
tums zu Beginn der Weimarer Republik als eine Befreiung empfunden
wurde, die ihr nunmehr eine ungehinderte Entwicklung gestattete.

Auch in dieser Zeit ökumenischer Gemeinsamkeit ist es nicht nutzlos
, sich an die schweren Lebensbedingungen konfessioneller Minderheiten
in früherer Zeit erinnern zu lassen. Dies sollte eine der Früchte
bei der Lektüre des vorliegenden Buches sein.

Friedewald b. Dresden Karlheinz Blaschke

Stephan, Sabine: Karapet Episkopos Ter-Mkrttschjan (1866-1915).
Materialien zu einem Kapitel armenisch-deutscher wissenschaftlicher
Zusammenarbeit. Unter Mitarb. von L. Chr. Ter-
Mkrttschjan redigiert und hrsg. von H. Goltz. Halle (Saale) Martin-
Luther-Universität Halle-Wittenberg 1983. 154 S., 9 Abb. gr. 8' =
Wissenschaftliche Beiträge, 1983/37 (T 52). Kart. M 14.10.

Karapet Ter-Mkrttschjan wurde 1889 von der Armenischen Kirche
zum Theologiestudium nach Europa geschickt. Auf Anregung des
Dogmengeschichtlers Loofs schrieb er eine Arbeit über „Die Paulicia-
ner im byzantinischen Kaiserreich und verwandte ketzerische Erscheinungen
in Armenien" (phil. Diss. Leipzig 1893: vgl. Bespr.
ThLZ 19, 1894 Sp. 565-568; in Marburg nochmals zur Licentiaten-
prüfung eingereicht). Vfn. berichtet dann über Karapets Lehrtätigkeit
und seine leitenden Funktionen an der Akademie von Hl. Edschmiat-
zin. seine bischöfliche Tätigkeit in der Diözese Jerewan und in Tabriz
sowie seinen Anteil an der Reform der Armenischen Kirche. K. entfaltete
eine vielseitige Tätigkeit als Kirchenführer, Seelsorger und
Patristiker. Dabei pflegte und nutzte er die in Europa geknüpften
Kontakte und baute sie weiter aus. In diesem Zusammenhang spielte
u. a. der Kreis um die „Christliche Welt" eine wichtige Rolle.

Des weiteren bietet Vfn. umfangreiche Vorarbeiten zu einer Personalbibliographie
; Orts- und Personenregister beschließen den
Band.

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete
Fassung einer Diplomarbeit, die im Wissenschaftsbereich Konfessionskunde
der Orthodoxie der halleschen Sektion Theologie entstand
. Dort dient als Armenologisch-theologische Arbeitsstelle jetzt
das Dr. Johannes Lepsius-Archiv, auf dessen Bestände die Vfn. zurückgreifen
konnte.

U.C.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Perrone, Lorenzo: La ehiesa di palestina e le controversie cristolo-
giehe. Dal concilio di Efeso (431) al secondo concilio di Constanti-
nopoli (553). Brescia: Paideia Editrice 1980. 3.35 S. m. 3 Ktn 8' =
Testi e ricerche di Scienze religiöse, 18.

Das Institut für Religionswissenschaften der Universität Bologna
hatte das Thema gestellt: „Die Voraussetzungen, die Bedeutung und
die Konsequenzen der Christologie von Chalcedon". Lorenzo Per-
rone übernahm das Thema, jedoch wurde unter Rat und Anleitung
von Georg Kretschmar in München das Programm zusammengestrichen
. Das Ergebnis liegt in dem umfangreichen, mit ungewöhnlicher
Sach- und Quellenkunde sorgfältigst gearbeiteten Buch „Die Kirche
von Palästina und die christologischen Streitigkeiten, vom Konzil zu
Ephesus 431 bis zum 2. Konzil zu Konstantinopel 553" vor. Diese
Bescheidung auf ein kleines Kirchengebiet war richtig, weil gerade
Palästina die Auseinandersetzungen besonders hart ertragen mußte,
aber andererseits aus seiner ihm eigenen Situation heraus neue Fragestellungen
bis hin zu einem Neo-Chalcedonense entwickelte.

Im Laufe dieser Entwicklung sind die Hierarchie und das Mönch-
tum anfänglich Gegner, am Ende aber vorsichtige Partner in Wertung
und Anerkennung der Formel von Chalcedon. Von allen Seiten kam
man zu einem Consensus (S. 285). Die entscheidende Weiterführung
der Formel von Chalcedon ist, um einen Satz von Leo I. zu benutzen,
daß „das heilige Land ein beredter Beleg für die Inkarnation ist"
(S. 105). Die in Chalcedon ungelöst gebliebenen Fragen betrafen die
Unmöglichkeit, die Menschwerdung des Logos, also die Inkarnation,
ausreichend zu beschreiben. Die grundlegende und strittige Frage war.
ob die Identität zwischen der 2. Person der Trinität und dem inkar-
nierten Sohn Gottes beweisbar sei (S. 182). Hier war das „Heilige
Land" als solches der beschreitbare und jedem zugängliche, sichtbare
Beweis für das wirkliche, nicht bloß doketisch oder sonstwie gefärbte
Menschsein des Gottessohnes.

Dabei waren die Mönche gegenüber der Hierarchie zunächst im
Vorteil. Diese stammte zumeist aus dem Lande selbst, während die
Mönche aus den fernsten Ländern der Christenheit einen dauernden
Zuz-ug erhielten. Bei ihnen war eine „kosmopolitische Internationali-
tät" versammelt (S. 37. 43). Alle in der Christenheit spürbaren Regungen
und Tendenzen wurden bei ihnen infolge der nie abreißenden
Verbindungen zu den Heimatkirchen repräsentiert. Daraus folgert
Perrone aber auch das Gegenteil. Die Klostergründungen duldeten
von ihrer Substanz her keine dogmatische Enge, sondern führten infolge
der ihnen eigenen Mannigfaltigkeit zur „Toleranz" (S. 118, 146),
- kein Nährboden für die mehr als ein Jahrhundert währenden, am
Ende ergebnislosen Auseinandersetzungen. Diese wurden künftig die
Sache einzelner Asketen und „Intellektueller" (S. 203, 204). Diese
Beurteilung durch den Vf. dürfte zu scharf sein, denn er bietet auch
eine andere Sicht. Die Formel von Chalcedon. so schreibt er, mag im
Augenblick als unzeitig und unvollkommen gegolten haben, wohl mit
einigem Recht, aber sie wird für alle miteinander im Streite liegenden
Parteien der gesamten Kirche zum Anlaß, im Konzilsbeschluß von
Nicäa im Jahre 381 die wichtigste theologische Entscheidung der
Väter zu erkennen. So bringt die Akzeptierung von Chalcedon eigentlich
nichts anderes als die allseitige, erneute Bejahung des Nicänums
(S. 63,315). Die Feststellung ist zu bejahen.

Aber es sind noch andere Folgen zu nennen. Die „ökumenische Bedeutung
" des jüngsten und kleinsten Patriarchats der Kirche wurde
sein Schutz (S. 314). Es wurde ohne Widerspruch zum „Mutterland
der Kirche" (madre de chiesa S. 170), zur Wiege der Christenheit
(culla del cristianismo (S. 180 und Anm. 13). Daraus erwuchs die
Vollmacht, den theologischen Disputen eine neue, sachgemäße Richtung
zu geben. Freilich darf nicht unerwähnt bleiben, daß das dauernde
Interesse Roms am Schicksal Palästinas sich bemerkbar
machte. Zwar hat Rom trotz Bitten des Patriarchats in Jerusalem sich
nicht am 5. ökumenischen Konzil im Jahre 553 beteiligt, aber noch