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Ausgabe:

1984

Spalte:

193-194

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schweizer, Eduard

Titel/Untertitel:

Das Evangelium nach Lukas 1984

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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Seite 1

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193

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

194

Uehlinger, Christoph [Hrsg.]: Hebräische Lieder. Fribourg: Schweiz. Kath.
Bibelwerk 1982.53 S. 8

Veijola. Timo: Finns det en gammaltestamentlig teologi? (SEÄ48. 1983
S. 10-30).

YVestermann, Claus: Die Landverheißung im Alten Testament und ihre Bedeutung
für die Gegenwart (US 38, 1983 S. 91-98).

Wilson, Gerald H.: The Qumran Psalms Manuscripts and the Consecutive
Arrangement of Psalms in theHebrew Psalter (CBQ 45. 1983 S. 377-388).

Neues Testament

Schweizer, Eduard: Das Evangelium nach Lukas. 18. Aufl., 1. Aufl.
dieser Neubearbeitung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1982; Lizenzausgabe Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1983. 264 S.
gr. 8' = Das Neue Testament Deutsch. 3.

E. Schweizer ist die bewundernswerte Leistung gelungen, mit dieser
Auslegung des Lukasevangeliums seine Auslegung der drei synoptischen
Evangelien zu vollenden (zu Markus s. J. Schneider, ThLZ 95,
1970 Sp. 188fT.zu MatthäusW. Talling, ThLZ 101, 1976 Sp. 1830).
Damit ist für das Lukasevangelium an die Stelle des in 17 Auflagen erschienenen
, in den Bahnen A. Schlatters gehenden konservativen
Kommentars von K. H. Rengstorf eine völlig andersartige Neubearbeitung
getreten mit einer streng redaktionsgeschichtlichen Fragestellung
. Auf dem Hintergrund der Zweiquellentheorie und der Annahme
, ..daß die meisten Sondergut-Abschnitte in einer zusammenhängenden
schriftlichen Quelle gestanden haben" (S. 2; die Frage
einer „Sonderquelle in der Passionsgeschichte" bleibt S. 235 offen),
vergleicht Schweizer bei jedem Abschnitt den lukanischen Text mit
der vorhandenen oder angenommenen Vorlage und sucht so die besondere
Aussage des Lukas herauszustellen. Das bedeutet konkret,
daß der sich streng an den griechischen Text haltenden Übersetzung
eines Abschnitts eine Analyse folgt, die nach der vorauszusetzenden
Überlieferung und nach der Bearbeitung dieser Überlieferung durch
den Evangelisten fragt, und beidem schließt sich die Auslegung des
Textes im einzelnen und eine kürzere oder längere theologische Gesamtdeutung
an. Diese Analysen sind freilich sehr mühsam zu lesen
und bleiben, vor allem bei den nicht auf Markus beruhenden Texten,
notwendigerweise vielfach sehr hypothetisch; sie bewirken, daß dem
Leser vorrangig nicht die Aussage des Textes als solche, sondern diese
Aussage in ihrer Abweichung von der vorausgesetzten Überlieferung
vor Augen geführt wird. Die Frage nach der Geschichtlichkeit einzelner
Berichte und der Herkunft einzelner Aussagen vom Jesus der Geschichte
wird nur selten gestellt (etwa: „Die Feldredc . . . steht vermutlich
Jesu eigenen Worten sehr nah" [S. 76]; „Daß Frauen so
betont erwähnt werden, geht zweifellos auf Jesus zurück" [S. 93]; das
mahnende Gleichnis vom Wachen 12,35-38 ..könnte]!] auf Jesus
zurückgehen" |S. 139]; die Beispielerzählung von Pharisäer und Zöllner
„stammt wahrscheinlich]!] von Jesus" [S. 186]), und eine Antwort
auf diese Frage wird der Leser sicherlich manchmal vermissen. Gravierender
aber ist, daß „bei gemeinsamen Stoßen die Auslegung zu
Markus und Matthäus vorausgesetzt und nur auf lukanische Besonderheiten
hingewiesen" wird (S. I); hei einer nicht geringen Anzahl
von wichtigen Abschnitten (etwa: die Sturmstillung, das Unservater,
die Vollmachtsfrage, das Gleichnis von den bösen Weingärtnern, die
Zinsgroschenfragc, das Scherßcin der Witwe, die Einsetzungsworte)
fehlt darum die eigentliche Erklärung, ich kann dies im Interesse des
Benutzers des Kommentars (ebenso wie schon W. Trilling angesichts
des Matthäus-Kommentars) nur bedauern.

innerhalb dieser bewußt gewählten Beschränkung bietet Schweizer
aber eine ganz vorzügliche und gut lesbare Auslegung, die sich vor
allem bemüht, die theologische Absicht des Evangelisten herauszustellen
und die Gegenwartsbedeutung des Textes festzuhalten. Da ich
hier natürlich auTdie Einzelcxcgese nicht eingehen kann, sei nur auf
einige mir besonders treffend erscheinende Feststellungen hingewiesen
: daß Kindheitsgeschichten erzählt werden, zeigt: „Das entscheidende
Heil besteht also im Geboren- (und Verkündet-)werden Jesu
selbst" (S. 43); der Täufer „gehört im Sinne des Lukas schon als Anfang
in die Heilsgeschichte hinein" (S. 50); „Lukas besitzt kein eigentliches
heilsgeschichtliches Schema" (S. 60); „Es läßt sich nicht sagen,
daß Lukas das irdische Wirken Jesu als Mitte der Zeit verkünde, dem
eine andere Periode, der Zeit vor Jesus vergleichbar, folgte" (S. 217);
bei Lukas „findet sich keine klare, ununterbrochene heilsgeschichtliche
Linie vom Alten Testament zu Jesus und von ihm zum Ende
aller Zeiten hin" (S. 255); die Aussätzigenhcilung (17,1 1-19) zeigt,
#daß „nicht das historische Faktum der Heilung Heil schaßt, sondern
erst sein rechtes Verständnis" (S. 61); die Feldrede „ist Angebot des
Heils in Form der Mahnung" (S. 77); „Jesus setzt seine Anerkennung
durch andere nicht durch und bleibt gerade darin sich selbst treu"
(S. 1 11); im Gespräch zwischen Herrn und Gärtner um den unfruchtbaren
Feigenbaum (13,6 fl) „wird etwas vom Geheimnis Jesu sichtbar,
daß um des Gnadenangebotes für den Menschen willen Gott gegen
Gott stehen kann" (S. 145); „Man muß sich vom Wort treffen lassen,
um Gottes Parteilichkeit für die Armen zu verstehen" (S. 174); nach
der Endzeitrede „ist das Gottesreich als sich in der Zukunft vollendendes
schon da" (S. 183). „man muß mit Lukas an der Erwartung eines
alles abschließenden Handelns Gottes festhalten, aber das Hauptgewicht
auf das dadurch bestimmte Verhalten des Menschen in der
Zwischenzeit legen" (S. 218); Lk 24 zeigt: „Nicht nur Jesu Sache geht
weiter, sondern der lebt, den man anbeten kann" (S. 252); „Lukashat
bei Jesus gelernt, daß man von Gott letztlich nur recht reden kann in
der Form der Erzählung, die ständig zurückverweist auf das von Gott
mitten in unserer Geschichte Getane" (S. 255). Natürlich wird nicht
immer jeder Leser von solcher engagierten Auslegung überzeugt werden
, und manchmal scheint mir Schweizer die Texte zu überdeuten,
etwa: Was berechtigt zu der Behauptung, das. „geheimnisvoll hoheitliche
Weggehen" Jesu nach der Antrittspredigt in Nazareth (4,30) sei
„für Lukas schon Zeichen auf Ostern hin"?(S. 59); kann man wirklich
zu dem am Schluß des Berichts über die Jüngerberufung stehenden
aih(i> sagen: „Das letzte Wort ist .ihm'; er bestimmt von jetzt an ihr
Leben" (S. 69)?; woraus ergibt sich, daß das Gleichnis vom verlorenen
Sohn „offenbleibt, letztlich auf Jesu eigenes Schicksal in Jerusalem
hin" (S. 166)?; und wenn Lk 20,42 das Zitat aus Ps 110,1 eingeführt
wird mit „David selbst sagt im Buch der Psalmen" anstelle von
„David selbst sprach im heiligen Geist" bei Mk 12,36, kann man
schwerlich folgern, daß Lukas auf das Buch der Psalmen verweise
„wohl gegen ein Mißverständnis, als ob der Geist nur in der Schrift
und nicht auch in der Gegenwart rede" (S. 205). Doch sind solche
Überdeutungen selten, und im übrigen bietet der Kommentar (besonders
auch in seinen Exkursen zur lukanischen Theologie) reiche Belehrung
und Anrede und kann (trotz der manchmal schwierigen Analysen
und der allzu zahlreichen Verweise auf andere Stellen des
Buches) zu sorgfältigem Studium warm empfohlen werden.

Nur zwei Verschen sind mir aufgefallen: daß ,.Hemdes als Davidide gelten
wollte" (S. 13), geht aus Jos, Altert. 14.9 nicht hervor; „spätere Schreiber" sollen
die bekannte Erzählung vom Sabbatarbeiter in Lk 6,5 hinzugefügt haben
(S. 74), es handelt sich aber ausschließlich um den Codex Bezac.

Marburg(Lahn) WcrncrCieorg Kümmel

Ogawa, Akira: l.'histoire de Jesus chez Matthieu. La signifteation de
l'histoire pour la theologie mattheenne. Frankfurt/M.-Bern-Las
Vegas: Lang 1979. 512 S. 8' = Publications Universitaircs Euro-
peenncs. Serie XXIII: Theologie, 116.

Die vorliegende Dissertation wurde in Strasbourg unter Anleitung
von Prof. E. Trocme erarbeitet und war im Auszug schon seit dem
Jahre 1977 zugänglich: A. O., Le problemc de l'actualisation che/.
Matthieu, Annual of the Japanese Biblieal Institute III. 84-131. Sie ist
der Rcdaktionsgeschichtc des Matthäusevangeliums gewidmet und
soll eigentlich die These G. Streckers bzw. R. Walkers korrigieren.