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Ausgabe:

1984

Spalte:

189-191

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Adamiak, Richard

Titel/Untertitel:

Justice and history in the Old Testament 1984

Rezensent:

Thiel, Winfried

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 3

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zen scharen (V 8a). Der junge Joasch wird tatsächlich von der Garde
hinreichend beschützt (V 11). Die Gardisten salben sodann Joasch
und rufen ihn zum neuen König aus (V 12aß.b). Als das Volk zusammenströmt
und Joasch akklamiert, eilt auch Atalja herbei (V 13). Sie
kann aber nur noch eine „Verschwörung" konstatieren (V 14aa.b).
Sie wird dann durch das Pferdetor weggeführt und hingerichtet
(V 16). Jojada kann nun einen Vertrag zwischen dem König und dem
Volk schließen (V 17b). Der alte Bericht endet mit dem Jubel der
Judäer und der Zurückhaltung der Jerusalemer Bevölkerung
(V 20a).

Im 6. Jahrhundert ist dann nach dem Vf. ein Bundesschluß zwischen
Jahwe einerseits sowie dem König und dem Volk andererseits
eingefügt worden (V 17a). Die Jerusalemer wie die Judäer verpflichteten
sich darauf, das Volk Jahwes zu werden. Darum stürmten sie nach
dieser spätdeuteronomistischen Redaktion auch sofort den Baalstempel
und erschlugen dessen Priester Mattan (V 18a).

In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts hat nach dem Vf. eine
„priesterliche Bearbeitung" den Tempel zum Schauplatz des Umsturzes
gemacht. Die königliche Garde wurde zu einer Tempelwache umfunktioniert
. Die Abteilungen der Wächter hatten in nachexilischer
Zeit tatsächlich nur je eine Woche (lChr9,25) - von Sabbat zu Sabbat
- Dienst (VV 7.9). Die Erhebung des Joasch zum König nahm in
den Augen des Bearbeiters fast den Charakter einer „Priesterweihe"
an: Jojada übergab Joasch mit dem Diadem ein Zeichen hoherprie-
sterlicher Würde (Ex 29,6) und legte ihm mit der 'edül das Zweitafelgesetz
der Priesterschrift (Ex 25,16) auf (V 12an). Nach der „Verurteilungszeremonie
" Ataljas (V 15b) schloß die Bearbeitung damit, daß
Joasch in den Palast zurückgeführt und inthronisiert wurde (V 19a).

Die letzte, „frühchronistische" Bearbeitung hob hervor, daß die
Tempel wache grundsätzlich unbewaffnet war(V 10), daß sie den Zugang
zum Tempel kontrollierte (V 18b) und daß Atalja auf Wunsch
des „Priesters" außerhalb des Tempelbezirks starb (VV 15b.20b).

Wurde der Tempel aber wirklich erst durch die „priesterliche" Bearbeitung
zum Schauplatz für Salbung und Proklamation? Immerhin
wurde Atalja schon nach dem zweifellos alten V 16 durch das Pferdetor
weggeführt. Warum tötete man sie nicht auf der Stelle? Der Vf. hat
auch einige Probleme damit (S. 440. daß die Garde nicht entsprechend
dem Befehl Jojadas (VV 5b.6a) den Palast und die beiden Tore
besetzt, sondern offenbar geschlossen den Prinzen umringt (VII). Er
muß außerdem zugeben, daß in der alten Quelle unter „Volk" nicht
immer dasselbe verstanden wird (S. 65 Anm. 17). M. E. handelte der
alte Bericht von einer reinen Palastrevolution unter Ausschluß der
Öffentlichkeit und sprach von der unterschiedlichen Reaktion der
Judäer und der Jerusalemer erst am Schluß (V 20a). Das Volk wurde
in VV 13 und 17b erst etwas später eingeführt, um die Zustimmung
aller Bürger in Stadt und Land zu betonen (vgl. B. Stade, ZAW 5,
1885, 286-288). Bei der Frage nach dem historischen Geschehen
(S. 83-90) bleibt zu überlegen, ob der blutige Anschlag Ataljas auf die
königliche Familie nicht doch stattgefunden hat. Der Hinweis des Vf.
auf den zuverlässigen Bericht über die Ermordung der Brüder Ahasjas
durch Jehu (2Kön 10.12-14) reicht m. E. zum Gegenbeweis nicht aus.
Die Einwände ändern jedoch nichts daran, daß wir dem Vf. die bisher
gediegenste Analyse von 2 Kön 11 verdanken.

Erfurt Georg Hcntschcl

Adamiak, Richard: Justice and History in the Old Testament. The

Evolution of Divine Retribution in the Historiographies of the Wil-
derness Generation. Cleveland, Ohio: Zubal 1982. XIII, 105 S. 8".
Lw.$ 12.95.

Diese Arbeit, die von D. N. Frcedman und V. Fritz gefordert
wurde, geht den unterschiedlichsten Darstellungen und Widerspiegelungen
der Wüstenzeit vom Jahwisten (J) bis in die exilisehe Literatur
nach. Sie ist eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung mit ausdrücklieh
thematischer Zielsetzung. Sie fragt nämlich nach Existenz

und Ausprägung einer Vergeltungstheologie in den verschiedenen
Literaturwerken und nach ihrem Verhältnis zueinander.

Dem Leser wird die Lektüre denkbar leicht gemacht. In einem
„Vorwort" empfiehlt D. N. Freedman das Buch als "a provocative
and stimulating monograph" und stellt seine Ergebnisse und deren
theologische Implikationen vor. Aber auch der Vf. schickt seinem
Werk eine Zusammenstellung seiner Resultate voraus (1-4). Das
Buch ist knapp und konzise geschrieben und leidet nur an einigen
Stellen an allzu großer GerafTtheit. Die zahlreichen Probleme, die mit
dem untersuchten, umfangreichen Textmaterial zusammenhängen,
z. B. die Diskussion um die Quellenscheidung, um die Bundestheologie
, um die Schichten des Deuteronomiums (Dtn) und seinen Zusammenhang
mit dem Deuteronomistischen Geschichtswerk (DtrG), werden
nicht ausdrücklich angegangen. Der Vf. bezieht dazu aber eindeutig
Stellung und dokumentiert im übrigen seine Vertrautheit mit der
Problematik durch Hinweise in den Anmerkungen.

Die tragende These des Buches ist der Nachweis einer „konsistenten
Vergeltungstheologie" des J in der Darstellung der Wüstenzeit.1 Es ist
zu beobachten, daß in der J-Darstellung das Murren des Volkes zunächst
ungestraft hingeht und sogar durch Wundertaten Jahwes überboten
wird. Der große Einschnitt ist der Sinai-Bund, durch den das
Volk zum Gehorsam verpflichtet wird. Die unbedingte Land-Verheißung
an die Väter wird nun bedingt an die Gehorsamsleistung gebunden
. Die Vergeltung wirkt kollektiv. Dementsprechend wird das Murren
nach dem Sinai jeweils durch göttliche Strafen geahndet. Nur die
Gruppe der diesen Gerichten Entronnenen, keine neue Generation,
betritt das verheißene Land. Mit V. Fritz beurteilt A. das Motiv des
Murrens als spezifischen Beitrag des J zur Darstellung der Wüstenzeit,
die in einer Epoche ungefährdeten Landbesitzes als Warnung für das
neue Königtum gedacht war. Für den fragmentarischen Elohisten
kann nur vermutet werden, daß er die Vergeltungstheologie des J
teilte. Für die JE-Redaktion gilt dies selbstverständlich.

In auffallendem Gegensatz zu der JE-Darstellung betrachten die
vorexilischen Propheten die Wüstenzeit, falls sie sie überhaupt erwähnen
, als die Epoche der ungetrübten Eintracht zwischen Gott und
Volk. Zudem gründen sie (mit der Ausnahme Hoseas) die Verpflichtung
Israels nicht auf den Sinai-Bund, sondern auf die Rettungstaten
Gottes, die das Volk erfahren hat.

Mit dieser prophetischen Konzeption stimmen vorexilische Psalmen
überein. die ebenfalls weder ein Murren in der Wüste noch den
Sinai-Bund erwähnen, dafür aber Gottes Rettungstaten hervorheben.
Doch ist dies ein ambivalentes Argument, denn beide Texte (Ps 105
u. 136) sind schwerlich vorexilisch, und dies hinwiederum warnt vor
der Annahme einer zu einlinigen „Konsistenz" in der untersuchten
Thematik.

Die deuteronomische (dtn) Theologie setzt das „Vergeltungsschema
" von JE voraus und modifiziert es, den eigenen Zeitumständen
entsprechend. Die Dauer des Wüstenaufenthaltes von 40 Jahren
ist eine Zeil der Prüfung in Hinblick auf den neuen Moab-Bund. Die
rebellische Wüstengeneration darf indes doch das verheißene Land
betreten, und zwar wegen der Landzusage an die Väter, wegen der
Sündigkeit der Kanaanäer und wegen des Moab-Bundes selbst, der (in
„inkonsisteriter" Weise) von der Schuld der Wüstenzeit absolviert.
Diese etwas gezwungenen Motivationen zeigen die Mühe, die die dtn
Theologen mit dem (JE-)Traditionsmaterial hatten - ein Gesichtspunkt
, der den Vf. veranlaßt, gegen eine Spätdatierung der JE-Texte
(RendtorfT, Schmid) zu votieren. Eine vorexilische dtn Redaktion
sieht der Vf. über das Dtn hinaus in den Landnahmeüberlieferungen
wirksam: Die rebellische Wüstengencration, von ihrer Schuld durch
den Moab-Bund gereinigt, ist nun beim Einzug in das Land vollkommen
gehorsam. Die Vergeltung wirkt nur individuell. Die Botschaft
an die Zeitgenossen des 7. Jh. v. Chr. angesichts des drohenden Landverlustes
lautet: Treue Erfüllung des Gesetzes hilft den Besitz des Landes
sichern.

Anders stellte sich die Sachlage Tür die deuteronomistischen (dir)
Kreise dar. die in der Exilszeit den Fall Jerusalems und den Verlust