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Ausgabe:

1983

Spalte:

140-142

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grom, Bernhard

Titel/Untertitel:

Religionspaedagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters 1983

Rezensent:

Neidhart, Walter

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 2

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direkt oder indirekt zum Thema Seelsorge erheben lassen. Danach
werden die Leitgedanken der wichtigsten Vertreter seelsorgerlichen
Dienstes an der Jugend im Laufe der Kirchengeschichte bis in die
Gegenwart untersucht.

In der „Theologie der Jugendseelsorge" (II) folgt ein systematischer
Entwurf mit Aufarbeitungen theologischer Grundfragen, wobei dem
Verhältnis von Seelsorge und Erziehung und vor allem dem „neuen
Sein in Christus" (2Kor 5,17) als der Ausgangsposition einer christo-
zentrisch ausgerichteten Jugendseelsorge besondere Aufmerksamkeit
beigemessen wird.

Der Band „Mittel" (III) beschäftigt sich mit dem Instrumentarium,
das die Humanwissenschaften heute dem Jugendseelsorger zur Verfugung
stellen. Schwerpunkte der Informationen, Dokumentationen und
Interpretationen der beiden Halbbände (III, 1 und 2) sind Entwicklungsund
Religionspsychologie, Jugend- und Religionssoziologie.

Auch der jetzt vorliegende 1. Halbband des Teils IV beschäftigt sich
mit der Praxis der Jugendseelsorge, nun aber unter dem Leitgedanken
der „Wege". Damit treten die methodischen Fragen in den Mittelpunkt
des Interesses. Der etwas mißverständliche Begriff der „Stufen"
meint die Verschiedenartigkeit existentieller Eindrücke und natürlicher
Abläufe bei jungen Menschen, während in Band II mit den
„Stufen" der Stufenseelsorge lediglich verschiedene geistliche, religionspsychologische
Vorgänge beim jungen Menschen angesprochen
wurden. „Das Bild von den .Stufen' darf natürlich nicht im Sinne
eines starren Schemas mißverstanden werden. Es sind immer die
,Wege' ... und damit auch die Bewegungen mitzudenken. Insofern
hat die Rede von den Stufen in der Stufenseelsorge ein dynamisches
Moment. Wir unterscheiden im übrigen ,Daseinsstufen' und .Altersstufen
'. Die ersteren bezeichnen die mehr unstetigen .Einschnitte' im
jungen Leben, die letzteren die mehr stetigen großen Abschnitte' in
der Entwicklung des jungen Menschen" (18).

Man muß bei J. sehr genau lesen und darf sich nicht durch ein ähnliches
Vokabular anderen Inhalts bei anderen Autoren irritieren lassen
: Das Postulat einer Stufenseelsorge möchte nur aus dem „theologischen
Denkansatz der sachlichen Seelsorge, die die Sache Gottes
wahrnimmt, indem sie die Sache des (jungen) Menschen ernst
nimmt", die nötigen Folgerungen für die Praxis der Jugendseelsorge
ziehen (19). Deshalb erfolgt eine Unterscheidung der Hauptstufen
Kindheit (Kap. II—IV), Jugendalter (Kap. V-VII) und junge Erwachsene
(Kap. VIII-XI), deren weitere Untergliederung nur sehr vorsichtig
an die Schulstufen angelehnt ist.

Ermutigt und gedeckt durch ärztliche Stellungnahmen setzen für
den Vf. die Anliegen der Kinderseelsorge bereits im Kleinkindalter
ein. Mitbedingt durch oft herausfordernde Kinderfragen lassen sich
schon beim Vorschulkind wesentliche Fragenkreise erkennen, die mit
großer Sorgfalt bedacht und erörtert werden. Die Unterscheidung von
„existentiellen" (Glück, Angst, Tod), „ethischen" (Gerechtigkeit und
Freundschaft, Schuld und Vergebung, Gehorsam und Gewissen) und
„religiösen" (Gott, Bibel, Jesus, Gebet) Themen, die dann auch für
spätere Altersstufen beibehalten wird, will nur im Sinn einer Akzentsetzung
verstanden werden. Die Ubergänge sind fließend und die
Zuordnung vielfach eine Ermessensfrage, dienen aber der schnelleren
Orientierung des Praktikers. Die Fragen der Kinderseelsorge sind
brennend und bisher in der Theologie - von einzelnen Aufsätzen
abgesehen - systematisch im praktisch-theologischen Zusammenhang
noch nicht bedacht worden. Fragen nach dem Ursprung des Bösen,
der Gemeinschaft mit Jesus, aber auch Zeichen der Angst und Hoffnung
werden hier unter Berücksichtigung der ganz anders gearteten
Vorstellungswelt des Kindes bzw. Kleinkindes aufgearbeitet. Für die
Seelsorge an schwerkranken Kindern beispielsweise ist das bisher
sonst noch kaum geschehen.

Hier liegt eine wesentliche Bedeutung der vorliegenden Veröffentlichung
: einen Sensus für die religiöse Vorstellungswelt des Kindes als
Voraussetzung hilfreicher, heilender Seelsorge zu schaffen; denn die
Welt der Bibel ist die Vorstellungswelt der Erwachsenen. Eine Seelsorge
, die den Unterschied zum kindlichen Erlebnis- und Erfahrungshorizont
heute nicht berücksichtigt, muß das angestrebte Seelsorgeziel
verfehlen.

Beeindruckend ist die immense Vielfalt der angesprochenen
Aspekte und Stichworte. Es liegt in der Natur der Sache, daß es „Vollständigkeit
" in dieser Hinsicht nicht geben kann, auch konnten einige
wichtige Teilgebiete, für die es bereits eine umfangreiche Spezial-
literatur gibt, wie Berufsberatung, Jugendreligionen, Studentenseel-
sorge und pädagogische Postulate, nur sporadisch behandelt werden.
Aber die theologischen Leitlinien und Denkansätze sind konsequent
durchgehalten und selbst für ganz kurze Exkurse wegweisend erkennbar
. So bietet auch dieser Band, wie schon die vorhergehenden, eine
innere Geschlossenheit der Sicht der Probleme und ihrer Beurteilung
in christlicher Verantwortung, die angesichts der Weite des Blickfeldes
kaum erreichbar erscheint und doch beeindruckend gelungen ist.
Selbst dort, wo es um fachspezifische Auskünfte geht, bleibt die Beziehung
zum Seelsorgeauftrag gewahrt.

Und doch könnte es geschehen, daß ein Seelsorger angesichts einer
dringenden Fragestellung ein Stichwort aufschlägt, aber das Buch enttäuscht
fortlegt, da ihm die Angaben zu allgemein sind und keine
Antwort für seine Situation zu bieten scheinen. Nun sucht auch dieser
Band wieder zwei Anliegen zu verbinden, nämlich das Material
einer eigenständigen wissenschaftlichen Untersuchung mit Monographie
-Charakter und eine Orientierung über den Stand der Forschung
zu einzelnen Stichworten mit Handbuch-Charakter zu bieten. Da
beide Gesichtspunkte mit ständigem Bezug auf die Praxis der Seelsorge
bedacht wurden, mußte immer wieder einmal das Anliegen
wissenschaftlicher Gründlichkeit oder der umfassend informative
Handbuch-Charakter eines Beitrages zu kurz kommen. Man wird
daher dem Anliegen des vorliegenden Bandes nur dann gerecht
werden und nur so die ungeheure Fülle der Anregungen, Hinweise,
Fakten und Argumente gewinnbringend erschließen können, wenn
man die zu jedem Beitrag sorgfältig ausgewählte und angemerkte
Spezialliteratur zu Rate zieht und unter Berücksichtigung der Leitlinien
J.s durcharbeitet.

Erfreulich ist, daß die Fragen der Kommunikationsforschung, also
wichtige methodische Probleme der Jugendseelsorge, nicht übersehen
werden, sondern ihrer Wichtigkeit und ihres Umfangs wegen einem
abschließenden sechsten Band vorbehalten bleiben.

Greifswald Günther Kehnscherper

Crom, Bernhard: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-,
Schul- und Jugendalters. Düsseldorf: Patmos; Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1981. 390 S. gr. 8°

Der Verfasser, Professor für Religionspsychologie und
Religionspädagogik in München und Innsbruck, legt hier ein umfassendes
Lehrbuch der christlichen Erziehung auf psychologischer
Grundlage vor. Er hat darin eine Fülle von Material aus der
religionspsychologischen und der entwicklungspsychologischen Forschung
verarbeitet, es in das System einer normativen christlichen
Pädagogik eingeordnet und leitet daraus Regeln und Anweisungen für
den christlichen Erzieher ab. Norm ist für ihn die reife Religiosität
einer reifen Persönlichkeit. Diese läßt sich in psychologischen Kategorien
beschreiben: Sie ist z. B. nicht bloß wissensrelevant, sondern
auch erlebnis- und verhaltensrelevant. Sie setzt eine allgemeine Meditationsfähigkeit
voraus, die sich zu religiöser Erfahrungsbereitschaft
und zum Gebetsdialog entwickelt. Dazu gehört ein Grundvertrauen,
aus dem dann das religiöse Vertrauen heranreift, das Vertrauen, von
Gott bejaht zu sein. Ein weiterer Aspekt der erlebnisverwurzelten
Religiosität ist die positive Lebenseinstellung, die sich zur dankbaren
Zustimmung zu einer umgreifenden Güte und Größe entwickelt.
Ebenso wichtig ist das altruistische Mitlieben mit einer unbedingten
Zuwendung zu allen, eine Einstellung, die sich aus dem prösozialen
Empfinden des Kleinkindes entwickelt. Die reife Religiosität des Erwachsenen
umfaßt ferner kognitive Aspekte: eine dialogische Zuwendung
zu Gott, die sich heilsgeschichtlich an seiner Tat- und Wort-