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Ausgabe:

1983

Spalte:

123-125

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bühner, Jan-Adolf

Titel/Untertitel:

Der Gesandte und sein Weg im 4. Evangelium 1983

Rezensent:

Berger, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 2

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2,14 völlig überfordert, in 2,14 kann überdies nur gewaltsam der Gedanke
der Nachahmung Jesu hineingezogen werden. Daß IThess
2,1-12 der Apostel sich als Nachahmer Christi darstellt, ist schwerlich
zutreffend. Und auch wenn es richtig ist, daß Paulus in Thessalonich
(aber auch noch nach 1 Kor 15) wie selbstverständlich davon ausgeht,
daß er und die Angeredeten nicht durch Auferstehung, sondern durch
Entrückung/Verwandlung an der Parusie Christi teilnehmen werden,
und dadurch für seine Hörer die Auferstehungserwartung ohne
Bedeutung ließ, so muß er selbst sie doch von allem Anfang an
gekannt und anerkannt haben; das ergibt schon die Argumentation
IThess4,13ff selbst, aber auch etwa die sicher vorauszusetzende
Erfahrung des Todes von Christen bei Paulus von Beginn an (Stepha-
nus). Auch dürfte der Versuch, die Vorstellung von der Auferstehung
Jesu aus der von der eschatologischen Totenauferstehung gänzlich
herauszunehmen, fehlgehen. Freilich würde dann die Differenz zwischen
IThess und IKor für Sch. auf eine veränderte Beurteilung des
Todes schrumpfen, der über die Adam-Christus-Typologie als Sterblichkeit
und damit als „theologischer .Normalfall"' begriffen wird.

Es ließen sich weitere Fragen stellen. Sie setzen indessen nicht das
Urteil außer Kraft, daß Sch. einen gewichtigen Beitrag zur Paulus-
Interpretation geliefert hat, der das Gespräch befruchten kann. Der
Verfasser arbeitet methodisch sicher und hat ein theologisch verantwortetes
Urteil. Der ausführliche Anmerkungsteil fügt die eigene
Arbeit in die wissenschaftliche Diskussion ein. Ob freilich für die Verdeutlichung
eines klaren Beweisganges die Formelsprache sowohl der
Aussagen- als auch der Prädikatenlogik bemüht werden muß (so
S. 1940, darf man wohl fragen. Immerhin stellt man beruhigt fest, daß
der so ausgewiesene Tatbestand ohne derartige Formeln ebenso strin-
gent dargetan werden kann.

Leider weist das Buch viele Druckfehler (bis hin zu „Aquiba"
S. 107), aber auch solche sprachlicher (z. B. S. 110.159) und anderer
Art auf(z. B. S. 181 fehlt die Anm.ziffer 515; Anm. 592 fehlt Verfasser
-Angabe; S. 74 ist bei „Beth ha-Midr" gemeint „Pirqe Ma-
schiach"); unangenehm ist der Fehler S. 187, wo es bei der Verhältnisangabe
unter dem Strich statt „Iesous + (I.) Christos" heißen muß;
„Christos + Iesous Chr."

Halle (Saale) Traugott Holtz

1 Das Buch ist gewissermaßen ein Gegenstück zu F. Froitzheim, Christologie
und Eschatologie bei Paulus (FzB 35), Würzburg 1979 (vgl. dazu Chr. WolfT,
ThLZ 107, 1982 Sp. 109-111); Sch. kann darauf nur noch nachträglich an
einigen Stellen Bezug nehmen, zusammenfassend S. 218 f, Anm. 24.

Bühner, Jan-A.: Der Gesandte und sein Weg im 4. Evangelium. Die
kultur- und religionsgeschichtlichen Grundlagen derjohanneischen
Sendungschristologie sowie ihre traditionsgeschichtliche Entwicklung
. Tübingen: Mohr 1977. VIII, 486 S. gr. 8" = Wissenschaftl.
Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe, 2. Kart.
DM 59,-.

Die Tübinger Dissertation wurde durch Otto Michel angeregt und
ist im Jahre 1975 bereits (für ein Teilstück) preisgekrönt worden, und
zwar durch die Godgeleerd Genootschap der Teylers Stichting zu
Haarlem (Niederlande) unter Verantwortung von M. de Jonge (Leiden
). - Ohne falsche Hoffnungen zu wecken, möchte ich diese Arbeit
doch als den zur Zeit gewichtigsten und qualifiziertesten Beitrag
bezeichnen, der zur Christologie des Johannesevangeliums vorliegt.
Das gelingt insbesondere dadurch, daß Vf. es versteht, den Grundansatz
der joh. Sendungschristologie aus jüdischen Voraussetzungen
verständlich zu machen, wobei er ein erstaunliches Maß an Kenntnis
von Quellen und Sekundärliteratur aus dem Bereich des Frühjudentums
und des frühen Rabbinats aufweist.

Der einleitende Forschungsbericht (S. 8-115) ist zugleich eine Art Summa-
rium der Johannes-Forschung der letzten Jahrzehnte. Er ist sehr kritisch gehalten
, besonders gegenüber gnostischen Herleitungsversuchen. Am positivsten

kommen dabei W. A. Meeks, O. H. Steck und K. Berger weg, die insgesamt zur
Präzisierung des zwischentestamentlichen Prophetenbildes beigetragen haben
und daher von Bühner als Ausgangsbasis genommen werden.

Der zweite Hauptteil der Untersuchung behandelt die „kulturgeschichtlichen
Voraussetzungen der johanneischen Sendungschristologie". Hier entfaltet Vf.
seine Hauptthese:

Im Gegensatz zu K. H. Rengstorf und anderen gelingt es Vf., den
bislang angenommenen Graben zwischen religiösen Botenfiguren und
der juristischen Vertretungslehre zu schließen bzw. als nicht existent
zu erweisen. So steht im Zentrum des Joh-Ev eine Christologie, in der
die rechtlichen Kategorien des semitischen Botenrechts ausschlaggebend
sind. Darin aber sind Propheten nach frühjüdischer Anschauung
(insbesondere Mose), Apostel und der johanneische Christus
ganz eng miteinander verwandt. Diese These hat außer umfassender
Textkenntnis auch die Voraussetzung, daß man die vielerorts vertretene
Abneigung überwindet, Religion und Recht auch im frühen
Christentum etwas miteinander zu tun haben zu lassen, und zwar an
zentraler, sehr ursprünglicher Stelle. Das ist eine seit langem überfällige
Korrektur unserer heimlichen impliziten Anthropologie. Auf dieser
Basis werden wichtige Positionen der joh. Christologie mit einem
Male durchsichtig und in ihrer gegenseitigen Bezogenheit erkennbar.
Dazu gehören insbesondere a) der Gehorsam des Boten. Denn der
Gehorsam ist die Voraussetzung dafür, daß die Sendung überhaupt
gültig ist, und aus dem Gehorsam ist die Legitimität des Gesandten zu
erkennen, b) Der Weg des Boten in den Stadien Beauftragung - Durchführung
- Rückkehr (vgl. dazu bes. Joh. 7,33; 16,5.17) als „Grundmuster
" der joh. Christologie. c) Die Kurzform des Botenselbstberich-
tes („Ich bin gekommen" + finale Angabe) im Joh-Ev und anderswo,
d) Die Botenselbstvorstellung mit „ich bin . ..", worin der Sprecher
sich als Mittler und Gesandter erweist.

Interessant, wenn auch durchweg nicht in so hohem Maße überzeugend, sind
auch die Ausführungen über die Bedeutung der Klauseln der jüdischen Vertretungslehre
für die joh. Christologie (abgesehen von dem oben z. T. bereits
Erwähnten). Weder für „doxa" noch für „das Wohlgefällige" vermag ich ohne
weiteres einzusehen, daß sie bestimmten Vortcilsklauscln entsprechen. Hier
sind Elemente anderer, allgemeinerer Herkunft mit der spezifischen Tradition
des Botenrechts verbunden worden. Beachtenswert ist in jedem Falle, was über
den „Sohn des Hauses" nach rabbinischem Recht gesagt wird: Er hat im vermögensrechtlichen
Bereich eine Schaliach-Funktion. So erklärt sich, weshalb
der joh. Gesandte zugleich Beauftragter und Sohn des Vaters ist. Er ist beteiligt
am Besitz des Vaters. Eine in dieser Weise rechtlich gefaßte Position des Sohnes
schließt charismatische Begabung eines solchen Boten Gottes gerade nicht aus,
sondern sehr oft ein. Gerade charismatisch-prophetische Vollmacht, die für
Gott selbst handelt, wird so verstanden.

Für sehr überzeugend halte ich auch alles, was im 3. Hauptteil über den Propheten
als Schaliach und den Mal'ak als Schaliach Gottes gesagt ist (man vergleiche
dazu in meinem Buch „Die Auferstehung des Propheten . ..", 1976,
S. 567 f zur Entsprechung zwischen Engeln, Propheten und Aposteln). So steht
am Ende die überzeugende These, daß der joh. Christus als „prophetischer
Gesandter" vorgestellt ist.

Die Hauptthese des Buches verdient m. E. Zustimmung. Es bleiben
einige Anfragen: Ist es richtig, den einmal gefundenen zentralen Ansatz
im Botenrecht auch zur Erklärung von Phänomenen zu gebrauchen
, die auf den ersten Blick anders und einfacher (vor allem auch im
Blick auf spätere rabb. Texte) zu erklären sind (z. B. die Immanenzaussagen
S. 233, das „Heiligen" S. 231 und die oben erwähnten
Punkte von S. 2360? Ist nicht vielleicht hier besondere Vorsicht angebracht
, damit das gefundene Prinzip nicht überbelastet wird? Wo finden
sich Belege für die joh. Verwendung von „Werk" in der juristischen
Sprache? Kann man wirklich sagen, daß das joh. ego eimi die
Amen-Schwurformel ersetzt? (S. 173). - Ist die Verbindung von ego
eimi + Metapher wirklich zureichend aus der verkürzten Aussage über
die Botenfunktion und einigen mandäischen Belegen andererseits zu
erklären (Gegenvorschlag: Exegese des Neuen Testaments, UTB 65.<,
1977,S. 1970?

Schließlich seien zwei weitere Konsequenzen hervorgehoben, die
sich aus dem Buch ergeben: I. Wenn die joh. Christologie eine prophetische
Sendungschristologie ist. dann weist sie ein vergleichsweise