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Ausgabe:

1983

Spalte:

121-123

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schade, Hans-Heinrich

Titel/Untertitel:

Apokalyptische Christologie bei Paulus 1983

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 2

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ist entsprechend schwebend, nämlich „daß man auch für die Leidensweissagung
9,31a den Nachweis der Authentizität (noch) nicht
erbracht sehen kann" (S. 145). Vor allem aber dürfte O. dem Abschnitt
Lk 13,31-33 nicht voll gerecht werden, da er auf V 31 und
seine Bedeutung für das Verständnis von V 32 gar nicht eingeht. Auch
ist V 33 keineswegs von O. als lukanische Redaktion erwiesen. Er
rückt Jesus in seiner ganzen Darstellung in direkte Nähe zu den Propheten
; die Erwartung des Martyriums für den Propheten aber war in
der Umgebung Jesu geläufig, wie das Neue Testament (vgl. auch
lThess2,15) und die Kompilation der Vitae Prophetarum in dieser
Zeit belegt. So konnte es nicht ganz fern gelegen haben, daß auch Jesus
seinen Weg im Lichte solchen Glaubens bedachte (wofür eben etwa
Lk 13,33 zeugt); die Auseinandersetzung damit bei O. S. lOOf ist in
mehrfacher Hinsicht unbefriedigend.

So bleibt das Ergebnis des Buches durchaus kritischen Fragen
geöffnet. Die Wahrscheinlichkeit spricht nach wie vor dafür, daß
Jesus zumindest seinen letzten Weg nach Jerusalem in der Erwartung
eines gewaltsamen Endes angetreten hat. Damit freilich hat O. zweifellos
recht, daß Jesu Erwartung ganz an Gott gebunden war und
daher auch immer für andere Möglichkeiten offen sein mußte. Nur
verschärft sich mit solcher wichtigen Einsicht, auf die eindrücklich
hinzuweisen eines der entscheidenden Verdienste des Buches ist, das
Problem. Denn wenn Jesu „Gottesbild" die tragende Wirklichkeit
seines Weges ist, dann muß schon die Möglichkeit des gewaltsamen
Endes von Jesus als eine Möglichkeit Gottes begriffen und theologisch
durchdacht worden sein; und wenn Jesus auch erst, wie O. annimmt,
in den letzten Stunden vor seinem Ende Gewißheit um dieses erlangte,
dann muß sich doch diese in seinen Gottesglauben eingefügt haben,
sofern man nicht mit seinem radikalen Wandel oder Verlust in dieser
Stunde rechnen will. Jesu „Gottesbild" muß in jedem Fall Tür einen
solchen Weg offen gewesen sein; ohne die Tiefendimension, die es von
daher erhält, ist es nicht zu denken. Es ist notwendig, daß diese
Erkenntnis in der neueren, besonders im katholischen Bereich geführten
Debatte um Jesus in der gebührenden Weise Beachtung findet.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Schade, Hans-Heinrich: Apokalyptische Christologie bei Paulus.

Studien zum Zusammenhang von Christologie und Eschatologie in
den Paulusbriefen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981.
337 S. gr. 8' = Göttinger theologische Arbeiten, 18. Kart.
DM 54,-.

Das Buch ist eine leicht überarbeitete Göttinger Dissertation aus
dem Jahre 1979. Es ordnet sich inhaltlich ein in die Linie des Verste-
hens paulinischer Theologie, wie sie von G. Strecker angeregt ist, der
die Arbeit auch betreut hat. Der Verfasser will zwei Fragen klären,
nämlich erstens, ob die eschatologischen Aussagen bei Paulus nur auf
ihre Intention hin zu interpretieren sind, die Vorstellungen, die sie
enthalten, aber nur als deren Vehikel begriffen werden dürfen1, und
zweitens, ob eine Entwicklung der paulinischen Theologie zu erkennen
ist. Beantwortet werden die Fragen in beiden Fällen über die
Untersuchung christologisch interpretierter apokalyptischer Elemente
bei Paulus. Darin liegt denn auch die Einheit des Buches, das in
der Durchführung durchaus zwei unterschiedliche Themen bearbeitet
. Inhaltlich ergibt sich insofern eine Einheit, als Sch. die Frage
nach einer Entwicklung der paulinischen Theologie, dargetan an der
Christologie, entschieden bejaht, sie aber durchgehend als apokalyptisch
geprägt ausweist. Eine elementare Schwachstelle der Arbeit
bleibt, daß Sch. auf eine Definition des „Apokalyptischen" verzichtet;
vielleicht trägt das aber dazu bei, den Begriff in seiner geläufigen Verwendung
zu relativieren. Auch das wäre ein Fortschritt.

Der erste Teil untersucht Vorstellungen und Elemente apokalyptischer
Natur, die Tür die paulinische Christologie wichtig sind. Christologie
ist im weiten Sinne gefaßt, gemeint ist alles, was mit der Christus
-Geschichte in Beziehung steht. Behandelt wird die Parusie-

Erwartung, die Vorstellung von Gericht und Heil, die Frage danach,
ob bei Paulus die Menschensohn-Christologie eine Rolle spielt, wobei
die Adam-Christus-Typologie in anregender Weise einbezogen wird,
und schließlich das Problem der präsentisch-apokalyptischen Eschatologie
. Abschließend geht Sch. derreligions- und traditionsgeschichtlichen
Voraussetzung apokalyptisch-theologischen Denkens bei Paulus
in seiner spezifischen jüdischen Herkunft und in der Erfahrung
seiner Berufung nach.

Das grundsätzliche Ergebnis dieses Teils ist durchaus überzeugend.
Apokalyptische Tradition und damit apokalyptisch strukturiertes
Vorstellen über die Beziehung zwischen Gott und Welt bestimmen
fundamental die paulinische Theologie. Entschieden wendet sich Sch.
gegen eine Deutung des Gefälles von Tradition und Interpretation
dahingehend, daß der apokalyptischen Tradition für Paulus keine
Bedeutung zukomme, er sie vielmehr entapokalyptisiere, reduziere
oder gar eliminiere. Apokalyptische Vorstellungen gehören vielmehr
zu den gegebenen Voraussetzungen der paulinischen Theologie. Zum
Einzelnen bleiben natürlich durchaus Fragen. So ist die Annahme,
Paulus habe möglicherweise jüdische Menschensohn-Tradition
gekannt, in der „Menschensohn" nicht titular verstanden wurde, mit
der Frage zu konfrontieren nach seiner Bekanntschart mit Jesus-
Tradition und der Stellung des Titels „Menschensohn" in dieser.
Nicht unproblematisch ist auch der Versuch, die Vorstellung vom
Messiasreich als Vorstufe der Endvollendung zum Schlüssel des Verständnisses
der Dialektik von futurischer und präsentischer Eschatologie
bei Paulus zu machen. Das hängt zusammen mit der Beurteilung
der Auferstehung Jesu, die nach Sch. von Paulus (und seiner Tradition
) nicht als Beginn der eschatologischen Totenauferstehung verstanden
worden sei. Hier dürfte indessen Paulus Eschatologie und
Geschichte radikaler zusammengedacht haben und das von seinem
Verstehen der Wirklichkeit Gottes auch gekonnt haben.

Der zweite Teil zeigt innerhalb der Kontinuität apokalyptischer
Fundierung eine Entwicklung der paulinischen Theologie auf. Dieser
Tatbestand war schon im ersten Teil hinsichtlich der Rechtfertigungslehre
gleichsam beiläufig in den Blick geraten. Jetzt wird anhand einer
theologischen Analyse des IThess eine frühpaulinische Theologie
aufzuweisen versucht, die in den späteren Briefen weiterentwickelt
erscheint. Sch. geht von der Einheitlichkeit und Integrität des Briefes
aus (wie er überhaupt davon ausgeht, „daß die paulinischen Briefe
[außer vielleicht 2 Kor 1-9.10-13] als einheitliche Briefe zu behandeln
sind", S. 294 A. 496). Wichtig ist ihm besonders das lange Proömium
IThess 1,2-3,13 als eigener Briefteil, in dem Paulus das Sein der Gemeinde
bestimmt; ihm gegenüber können die Proömien späterer
Briefe gleichsam als Kurzform angesehen werden. Innerhalb der
Bestimmung des Seins der Gemeinde ist wiederum für Sch. die Vorstellung
von der „Nachahmung" entscheidend, die in IThess eine
besondere Funktion haben soll. Schließlich aber konzentriert sich der
Verfasser - natürlich - auf lThess4,13-18, womit in ausführlicher
Analyse 1 Kor 15 verglichen wird. Dazwischen schiebt sich aber eine
gründliche Erörterung der Fragen zur Chronologie der Paulusbriefe.
Der Verfasser neigt stark der Frühdatierung von IThess auf 40/41
durch G. Lüdemann zu und rechtfertigt die weitere Reihenfolge 1 Kor
-2Kor l-9-Gal-2Kor 10-13(oder:Gal-2Kor 10-13-2Kor 1-9)-
Röm - Phil. Die Funktion der längeren (und unsicheren) Erörterung
der Frage, wann Phil anzusetzen ist, wird nicht recht einsichtig, da
Sch. auf die inhaltliche Bedeutung dessen nicht näher eingeht. Auch
darf Phlm kaum ganz übergangen werden. Es ist nützlich und wichtig,
daß der IThess als Quelle für die paulinische Theologie gründlich
erschlossen wird. Fraglich ist aber, ob man ihn, auch nur gleichsam
versuchsweise, so isoliert von den übrigen Briefen interpretieren und
dabei weitreichende Schlüsse aus dem Fehlen bestimmter Theolo-
gumena und Begriffe ziehen darf. Nach Sch. hat Paulus z. Z. von
IThess weder eine ausgebildete soteriologische Kreuzestheologie
noch eine spezifische Tauftheologie noch eine Auferstehungserwartung
gehabt. Zentral sei für ihn vielmehr der Gedanke des Nachahmerseins
gewesen. Damit aber sind die beiden Belege IThess 1,6;