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Ausgabe:

1983

Spalte:

117-119

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schneider, Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Apostelgeschichte, I. Teil, Einleitung ; Kommentar zu Kap. 1,1 - 8,40 1983

Rezensent:

Burchard, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 2

118

nisses zu Priester-, Propheten- und Weisheitslchrertum (Theol. Promotion,
Basel 1980).

Starobinski-Safran, Esther: Sur le sens de l'epreuve. Interpretation juives
des Genese 22 (RThPh 114,1982 S. 23-35).

Stöhr, Martin: Warum das Verhältnis Kirche und jüdisches Volk nicht nur
eine weiße, europäische Problematik ist (ÖR 31,1982 S. 16-30).

Tobiassen, .Tormod: Jodedommen, historielos eller -? (NTT 83, 1982
S. 133-153).

Toki, Kenji: Der literarische Charakter des Bell. Jud. II 151b-153 (AJBI 7,
1981 S. 53-69.).

Neues Testament

Schneider, Gerhard: Die Apostelgeschichte. 1. Teil: Einleitung. Kommentar
zu Kap. 1,1 - 8,40. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1980.
520 S. gr. 8' = Herders Theologischer Kommentar zum Neuen
Testament, Band V, Erster Teil. Lw. DM 114,-.

Der Herder ist wohl die gelehrteste Kommentarreihe, die heute auf
deutsch erscheint. Und sie erscheint. R. Peschs zwei Markus-Bände
1976(3. Aufl. 1980) und 1977(2. Aufl. 1980), H. Schliers Römerbrief
1977 (2. Aufl. 1979) und nun, im selben Jahr wie der 1. Teil von
J. Gnilkas Kolosserbrief, der erste Band von Schneiders Kommentar
zur Apostelgeschichte. Lukas hat es gut, jedenfalls was den zweiten
Teil seines Doppelwerkes angeht. Nach E. Haenchen 1956 (7. Aufl.
1977), G. Stählin 1962 (6. Aufl. 1978) und H. Conzelmann 1963
(2. Aufl. 1972) ist dies die vierte eigenständige Neubearbeitung der
letzten 25 Jahre aliein in deutscher Sprache.

Haenchen und Conzelmann nennt Schneider im Vorwort als seine
Hauptgespfächspartner. „Der vorliegende Kommentar unterscheidet
sich von den genannten . . . nach meinem Urteil vor allem durch die
entschiedene Rücksichtnahme auf den Makro-Kontext, das heißt auf
das gesamte lukanische Werk. Auf diese Weise kann der Aussagewille
des Acta-Verfassers deutlicher erfaßt werden" (S. 5). Weitere Gesichtspunkte
: „Den Kommentar zu einer biblischen Schrift verstehe
ich nicht primär als Gelegenheit, neue Theorien oder Thesen vorzulegen
, sondern als eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme der
gegenwärtigen Forschung" (ebd.), mit Beurteilung natürlich. Dazu
berücksichtigt Schneider besonders Lukas' Wortschatz und Stil, eine
Stärke von ihm, die man schon aus seiner Habilitationsschrift kennt
(Verleugnung, Verspottung und Verhör Jesu nach Lukas 22,54-71,
1969; dazu W. Grundmann, ThLZ 96, 1971 Sp. 905-908). Man weiß
also gleich, was man kriegt: keinen grundstürzend neuen Lukas, sondern
einen auf Grund der bisherigen historisch-kritischen Forschung
und mit philologischem Augenmaß behutsam fortgeschriebenen, teils
weiterführend, teils korrigierend. In den Fußnoten zur Auslegung
nehmen denn auch neben der Litcraturdokumentation griechische
Worterklärungen und Konkordanzbefunde breiten Raum ein. Das
spart dem Benutzer Arbeit und wird besonders den Studenten lieb
sein. Aber es macht dick. Ein bißchen trägt dazu auch der Stil bei.
Schneider schreibt nicht so kantig knapp wie der schwäbische Tacitus
Conzelmann, sondern spricht sich bedächtig aus. Apg 1-8 brauchen
etwa 325 Seiten. Die restlichen 20 Kapitel will Schneider im zweiten
Teil behandeln (inzwischen erschienen).

Teil 1 fängt mit rund 40 Seiten Literatur (allein über 100 Kommentare
aus dem 20. Jahrhundert) an, welche zu überfliegen eine Demutsübung
ist für jeden, der glaubte, er hätte sich nebenbei über Lukas auf
dem laufenden gehalten. Dabei stehen die stellengebundenen Veröffentlichungen
erst später in loco.

Dann kommt die Einleitung mit acht Paragraphen über Literarische
Gestalt und Gattung, die Apostelgeschichte als Teil des lukani-
schen Doppelwcrkes, die Quellen, den Verfasser, Zeit und Ort, die
Apostelgeschichte als Geschichtswerk, die Theologie, die Textüberlieferung
und die Geschichte der Apostelgeschichte (S. 65-186). Einiges
von den Ergebnissen: Schneider sieht in der Apg drei Teile (S. 68),
nach einer Einleitung: Jesu Zeugenauftrag an die Apostel (1,1-26) I.
Das Christuszeugnis der Apostel in Jerusalem (2,1-5,42), II. Das

Christuszeugnis dringt über Jerusalem hinaus und nimmt seinen
Weg zu den Heiden (6,1-15,35), HI. Das Christuszeugnis auf dem Weg
„bis ans Ende der Erde" (15,36-28,31). Mit Christuszeugnis ist auch
schon der Gegenstand der Apg angedeutet. „Die Apostelgeschichte
stellt nicht eigentlich die Geschichte der frühen .Kirche' dar, sondern
den Siegeslauf und die Einheit der christlichen Verkündigung von
Jesus her bis zu Paulus" (S. 137), und zwar dies alles dank Auftrag und
Verheißung Jesu. Lukas bewältigt damit die Parusieverzögerung.
Aber das war nicht sein wesentliches Anliegen (gegen Conzelmann).
Er will vielmehr „die Zuverlässigkeit der christlichen Verkündigung
seiner Gegenwart aufzeigen" (ebd.). Darum schreibt er nicht nur ein
Evangelium über Jesus, der die Verkündigung in Erfüllung der alt-
testamentlichen Verheißungen brachte und vorlebte, sondern auch
den zweiten Band über ihre Ausbreitung (die über Kap. 28 hinausgeht
, Rom ist nicht „Ende der Erde" im Sinn von 1,8). Die Leser sollen
aus dieser heilvollen Geschichte (gegen Conzelmann nicht drei-,
sondern mit Kümmel zweiteilig: Jesuszeit und Zeit der Kirche eng
verbunden als Erfüllung der Zeit des Gesetzes und der Propheten)
Gewißheit schöpfen und gleichzeitig die Zuversicht, daß die Endzeit
schon angebrochen ist. Dafür steht natürlich vor allem Paulus, den
Schneider nahe an die Zwölf Apostel herangerückt sieht (gegen
G. Klein), ohne daß er ihnen gleichgestellt würde. Er trägt „die Sache
der zwölf Apostel in die heidnische Welt" (S. 226). Anhand seines
breit ausgeführten Prozesses macht Lukas darüber hinaus deutlich,
daß die Christen den Verheißungen Israels nicht untreu geworden
sind, wohl aber die Juden, soweit sie ungläubig geblieben sind, und
daß die Kirche bei entsprechendem Verhalten auf die Neutralität der
römischen Behörden hoffen kann. Beides sind Antworten auf innerkirchliche
Probleme, nicht Apologie nach außen. Bestimmt ist das
alles für Leser mit „gottesfürchtigem" Hintergrund, nicht ausgeschlossen
solche, die noch vor dem endgültigen Übertritt stehen. „Es
genügt nicht, die primär intendierte Leserschaft des lukanischen Werkes
als .Heidenchristen' zu bestimmen. ... Die christlichen Adressaten
des lukanischen Werkes lebten in einem Milieu, in dem die
Judenchristen ein geachtetes und offenbar auch einflußreiches Element
darstellten. Sie waren auf dem Weg des jüdisch und biblisch vermittelten
Gottesglaubens Christen geworden." (S. 147). Eine gezielte
antignostische oder -doketische Tendenz scheint Lukas nicht zu
haben. Frühkatholisch ist er auch nicht, aber „nach-apostolisch"
(S. 153).

Die Apg ist nach dem Lukasevangelium geschrieben, vielleicht in
einigem Abstand, was einige Differenzen erklären würde, so zwischen
Ende des Lukasevangeliums und Anfang der Apg (Schneider hält
beide für intakt). Lukas ist im übrigen nicht Lukas und auch kein anderer
Paulusbegleiter: Die Darstellung der paulinischen Wirksamkeit
widerspricht an einigen Punkten (zweite Jerusalemreise. Apostelkonzil
) den echten Paulusbriefen zu sehr. Er schrieb zwischen 80 und
90 n. Chr. Als Ort könnte Schneider sich Antiochia vorstellen, oder
lese ich das. (ausnahmsweise vielleicht zu knappe) Referat S. 121
falsch, vgl. S. 137f. 141 ? Die Paulusbriefe hat Lukas nicht gekannt
(nicht benutzt finde ich nach wie vor besser; daß einer, der sich in den
achtziger Jahren intensiv um Paulus bemüht, von dessen Briefstellerei
keinen Hauch erfahren haben sollte, kommt mir spanisch vor, vgl.
S. 1 18). Paulus' Briefe gehören also jedenfalls nicht zu Lukas' Quellen
. Dagegen findet Schneider die seit Harnack diskutierte antio-
chenische Quelle hinter Apg 6-15 und Dibelius' Itinerar der Paulusreisen
erwägenswert. Das „Wir" ist aber von Lukas selber; er wollte
ausdrücken, daß die so bezeichneten Partien durch Augenzeugenschaft
verbürgt sind, wenn auch nicht seine eigene. In den sogenannten
Missionsreden vor Juden und vor Heiden folgte er je einem „Vcr-
kündigungsschema der Umwelt, also geprägter Überlieferung", aber
nicht überlieferten Texten (S. 102). Hinter Paulus' Verteidigungsreden
in 22 und 26 steckt ein Grundriß, der aus der Paulustradition
stammt (S. 1020- Im übrigen hatte Lukas Einzelmaterialien verschiedenster
Art. Schneider bleibt also stärker als Haenchen und auch Conzelmann
bei dem von Dibelius entworfenen Traditionsmodell, und