Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

108-109

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

"Ich will euer Gott werden" 1983

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

107

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 2

108

mis" und Kapitel 11 „Die Hauptpflicht der Dhimmis" (Kopf- und
Eigentumssteuer mit Einzelbestimmungen). Die Monographie
schließt ab mit dem 12. Kapitel „Zur Beurteilung der Toleranz im
Islam". Hier charakterisiert Vf. die Behandlung der Nicht-Muslime
außerhalb und der Dhimmis innerhalb des islamischen Staates durch
die Muslime als „eine Mischung von relativer Toleranz und relativer
Intoleranz". Das hat seinen Grund im religiösen Absolutheits-
anspruch des Islam und in seinem „Totalitätsanspruch auf den ganzen
Menschen und auf die gesamte Gesellschaft". Daher sind „Muslime
und Nicht-Muslime nicht gleichberechtigt im Staat, sie sind nicht alle
Träger der gleichen Rechte und der gleichen Pflichten. Sie sind auch
nicht alle grundsätzlich gleichgestellt vor dem Gesetz ... Auf manchen
Gebieten ... sind sie weitgehend den Muslimen angeglichen,
denn das islamische Gesetz fordert strenge Gerechtigkeit auch für die
Nicht-Muslime. Angleichung bedeutet jedoch nicht Gleichstellung"
(177).

Spätestens hier wird deutlich, daß Vf. grundsätzliche Aussagen
machen will, die nicht unbesehen und undifferenziert auf die heutigen
islamischen Staaten anwendbar sind. Deshalb sollte, wer das Buch benützen
will, zuerst das Vorwort lesen, das den Geltungsbereich der
Darlegungen markiert. Dort heißt es u. a.: „Auch wenn diese Bestimmungen
keine allgemeine Geltung in der Gesetzgebung der modernen
Staaten der islamischen Welt haben, so werden sie theoretisch weithin
als gültig betrachtet", nota bene: weithin, nicht überall! Jedenfalls
bemühen sich Traditionalisten und Fundamentalisten darum, diese
Bestimmungen „wieder zur Grundlage der Gesetzgebung in der islamischen
Welt zu machen". Deshalb behandelt Vf. in Teil II besonders
solche Bestimmungen, „die heute noch eine gewisse Aktualität besitzen
bzw. wiedererlangt haben" (15). Es wäre sehr zu begrüßen, wenn
Vf. dem vorliegenden Band einen zweiten folgen lassen könnte, in
dem die gegenwärtige Praxis, also die heutige Anwendung der traditionellen
Bestimmungen in den einzelnen islamischen Ländern behandelt
würde.

Gegen Ende des Buches wird vorgeführt, wie die Einheit von Religionsgemeinschaft
und Staat von anderen Religionen praktiziert
wurde und wie Religionsfremde von Juden und Christen behandelt
worden sind. Das ist ein recht nützlicher Exkurs! Auch die abschließenden
Überlegungen zum unterschiedlichen Verständnis von Djihäd
im Bereich des Islam sind wichtig. Vf. hebt hervor, daß sich heute der
Islam „in erster Linie für den Frieden einsetzt" (184). Er schließt in
der Hoffnung, daß der Islam „eine Gesellschafts- und Staatsstruktur
findet, durch die er ohne Identitätsverlust seine wahre Rolle in der
Welt erfüllen kann, als .Zeuge für die Gerechtigkeit' (Koran 5,8) und
als mitwirkender Faktor bei der Verwirklichung der universalen Solidarität
der Menschen und bei der Herstellung einer Gesellschaftsordnung
, in der alle Bürger vor dem Gesetz grundsätzlich gleichgestellt
und im praktischen Leben gleichberechtigt sind, in der über eine
geschenkte Toleranz hinaus die unverzichtbaren Menschenrechte für
alle vorbehaltlos anerkannt werden" (185).

Die Bibliographie enthält eine Fülle von Titeln klassischer Quellen,
moderner arabischer Werke und von Monographien in europäischen
Sprachen. Je ein Register der Koranstellen und der arabischen Begriffe
erleichtert den Gebrauch des Buches. Im laufenden Text werden nicht
nur zahlreiche Koranstellen angeführt, sondern auch deutsche Übersetzungen
vieler Stellen geboten. Benutzerfreundlich sind auch die
Zusammenfassungen in deutscher, französischer und englischer
(warum nicht auch arabischer?) Sprache. Bei einer zweiten Auflage
müßten etliche Druckfehler beseitigt werden.

Alles in allem: wenn man unter Beachtung des oben zum Anliegen,
Ziel und Geltungsbereich der vorliegenden Monographie Gesagten
Khourys Buch benutzt, hat man eine profunde Materialsammlung in
systematischer Aufbereitung mit Feingliederung vor sich, die man
dankbar zu seinen Nachschlagewerken stellt. Auch dem christlichislamischen
Dialog ist ein solches Buch mit klarem Standpunkt dienlich
.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Bibelwissenschaft

Lohfink, Norbert, Jörg Jeremias, Alfons Deissler, Josef Schreiner,
Paul Hoffmann, Erich Gräßer u. Hubert Ritt: „Ich will euer Gott
werden." Beispiele biblischen Redens von Gott. Stuttgart: Kath.
Bibelwerk 1981. 226 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien, 100 (Jubiläumsband
) Kart. DM 26,80.

Als H. Haag, N. Lohfink und W. Pesch 1965 die „Stuttgarter Bibelstudien
" gründeten, wollten sie mit dem „Typ der wissenschaftlichen
Heftreihe" für die katholische Bibelwissenschaft eine Gelegenheit
schaffen, Themen „aus der biblischen Umwelt und aus der biblischen
Theologie" „verständlich darzustellen, ohne daß man deshalb die
Wissenschaftlichkeit preisgeben müßte". Die Reihe wurde mit einem
methodischen Text eröffnet, der durch J. A. Fitzmyer kommentierten
Ausgabe der für die katholische Bibelwissenschaft wichtigen „Instruktion
über die Wahrheit der Evangelien"; einige methodische und
systematische Arbeiten sind gefolgt (über die Konstitution „Dei Ver-
bum" des 2. Vaticanum, die katholische Inspirationslehre zwischen
Vaticanum I und II, zur Diskussion um Teilhard de Chardin, über
Bibelwissenschaft in der Orthodoxen Kirche). Wenige Bände behandeln
forschungsgeschichtliche Themen, alle anderen (nicht immer als
„Hefte" zu bezeichnenden) Bände sind breiteren oder engeren exegetischen
und biblisch-theologischen Fragen oder wichtigen Gebieten
der religions- und profangeschichtlichen Umwelt der Bibel gewidmet
und haben streng wissenschaftlichen Charakter, nur vereinzelte Hefte
haben ausdrücklich in erster Linie wissenschaftlich nicht vorgebildete
Leser im Auge. Überblickt man die ganze Reihe, so ist der auffallendste
Tatbestand, daß ab Heft 40 und 41 mit S. Herrmann und
F. Hahn auch evangelische Bibelwissenschaftler zu Worte kommen,
ohne daß darüber ein Wort verloren würde (F. Hahn bedankt sich bei
den Herausgebern „für die Bereitschaft, die Arbeit eines evangelischen
Neutestameritlers in ihrer Reihe aufzunehmen", und ähnlich
habe ich mich geäußert, als mir 1970 ausdrücklich der 50. Band zu
einem Forschungsbericht über „Das Neue Testament im 20. Jahrhundert
" anvertraut wurde). So ist diese Reihe nicht nur eine wertvolle
Sammlung bibelwissenschaftlicher Arbeiten geworden, sondern auch
„ein schönes Zeichen für die inzwischen möglich gewordene ökumenische
Zusammenarbeit und ein Hinweis auf die Gemeinsamkeit der
Probleme in unseren Kirchen" (F. Hahn), der Bibel Wissenschaftler
beider Konfessionen uneingeschränkt einen guten Fortgang wünschen
können.

Mit dem 100. Band haben H. Merklein und E. Zenger die Herausgabe
übernommen und diesen Band als Jubiläumsband gestaltet,
indem sie 7 Beiträge von fünf katholischen und zwei evangelischen
Autoren zu Fragen der biblischen Gottesverkündigung vereinigten.
Die methodische Unterschiedlichkeit dieser 7 Aufsätze vermittelt,
ohne daß dabei konfessionelle Unterschiede zum Vorschein kämen,
ein lehrreiches Bild der heutigen Methoden Vielfalt in der Bibelwissenschaft
. N. Lohfink, einer der ersten drei Herausgeber der Reihe (der
Aufsatz ist dem damaligen Mitherausgeber W. Pesch gewidmet), analysiert
lehrreich den Bericht vom „Bitterbrunnen" in der Wüste
Ex 15,22ff und vor allem den Mose in den Mund gelegten Schlußsatz
„Ich bin Jahwe, dein Arzt" (15,26) mit dem Nachweis, daß in diesem
aus später Zeit stammenden Zusatz zu dem Bericht von der Erprobung
Israels die Rede ist: bewährt sich Israel in der Stunde der Erprobung
, „dann zeigt sich Jahwe als sein von den Propheten gezeichneter
wunderbarer Arzt". Merkwürdig ist, daß der Vf. nicht nur betont, daß
„diese Auslegung der wenigen Sätze gewagt" sei, sondern hinzufügt:
„Vielleicht ist diese Auslegung falsch." Wichtig ist aber auf alle Fälle,
daß sich ihm aus dem so verstandenen Text die Feststellung ergibt,
daß „wieder einmal die These vom .Spätjudentum', das in .Gesetzlichkeit
' erstarrt gewesen sei, in Frage gestellt wird". Methodisch verwandt
damit ist die Untersuchung von Hos 5,8-14, besonders des
Spruches: „Ich bin wie ein Löwe für Ephraim" (5,14) durch Jörg Jeremias
, der zeigt, daß die von Hosea betonte „Hoffnungslosigkeit