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Ausgabe:

1983

Spalte:

913-914

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Pelikan, Herbert Rainer

Titel/Untertitel:

Die Frömmigkeit Dietrich Bonhoeffers 1983

Rezensent:

Glenthøj, Jørgen

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Seite 1

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913

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 12

914

gen uns nur verneigen. Möge dieser so meisterhaft edierte Band gerade
bei denen das Interesse an der Kirchengeschichte wecken, die sich der
historischen Grundlage der heutigen ökumenischen Bewegung in
Europa versichern wollen. Denn Calixts Wirkung reicht weit über
Deutschland hinaus. Möge es auch der Ausgabe seiner Werke heute
vergönnt sein, in der Ökumene beachtet zu werden!

Borken-Arnsbach Bernd Jaspert

Pelikan, Herbert Rainer: Die Frömmigkeit Dietrich Bonhoeffers.

Dokumentation, Grundlinien, Entwicklung. Wien-Freiburg-Basel:
Herderl982.220S.gr. 8°.sfr240.-.

Diese Dissertation (im Jahre 1979 von der Ev.-theol. Fakultät der
Univ. Wien angenommen) „zeichnet die Frömmigkeit Dietrich Bonhoeffers
dokumentarisch ab". Auf eine kurze Feststellung der Quellenlage
(nicht erwähnt und benutzt ist meine Veröffentlichung: Zu
Dietrich Bonhoeffers Eintritt in die ökumenische Arbeit. Dokumente
1931-1932, Lohse, Fredericia 1974, 34 S., ISBN 87-564-0256-2)
folgt ein kurzes Kapitel: Bonhoeffers Familie. Die Untersuchung ist
als Längsschnitt angelegt, u. zw. unter drei Hauptgebieten zusammengestellt
: I.Frömmigkeit in der Andacht, S. 17-94, mit den Unterthemen
: Gebet (Exkurs: Fürbitte), Bibellesen (Exk.: Losungen), Meditation
, Lied. II. Frömmigkeit in der Lebensführung, S. 95-200, mit
den Unterthemen: Nachfolge Jesu (Exk.: Beichte und Abendmahl;
Katholische Kirche) Krieg und Pazifismus (Exk.: Widerstand gegen
die Obrigkeit), Anfechtung, Tod, Jenseits. III. Entwicklung der Frömmigkeit
, S. 201-214, mit den Unterthemen: Wendepunkte, Grundlinie
.

Aus hunderten Zitaten werden die Längsschnitte aufgebaut. Die
Methode des Vf. scheint die zu sein: aus reinen Feststellungen durch
Zusammenstellungen aus Quellen und Zeugenzitaten fast objektiv die
Frömmigkeit Dietrich Bonhoeffers zu profilieren und bestimmen.
Eigentliche Analysen oder Thesen sind selten und zurückhaltend.
Eine theologische Befragung der Begriffswelt Dietrich Bonhoeffers
wird nicht versucht. Nach jedem Kapitel wird eine „Zusammenfassung
" der Ergebnisse gegeben. Im letzten Kapitel sind die Zusammenfassungen
in noch kürzerer Form fast wie eine Fazit-Tabelle als Basis
für eine weitere Zusammenfassung dargeboten. Eine abschließende
Darstellung der „Grundlinie" seiner Frömmigkeit rundet das Bild
und geht auf die Tiefendimension seiner Frömmigkeit ein.

H. R. Pelikan baut weithin auf dem Konzept der Entwicklung Dietrich
Bonhoeffers durch die bekannten „Wendepunkte", wie sie in der
großen Biographie E. Bethges abgezeichnet sind. Überhaupt hat er
sehr viel aus dieser Biographie als einer Hauptquelle in der Form von
Zitaten übernommen.

Wer sich die schwierige Aufgabe gestellt hat, die Frömmigkeit Dietrich
Bonhoeffers zu bestimmen, muß selbstverständlich auf den
schriftlichen Quellen und den primären Zeugnissen der Zeugen
bauen. Aber in einer wissenschaftlichen Untersuchung müssen immer
wieder methodische Kontrollfragen gestellt werden. Eine mechanische
Zusammenstellung von Zitaten und Zeugnissen ist weder ausreichend
noch befriedigend. Die Aussagen werden ihrer Dimensionen
beraubt. Die Schilderung der rein äußerlichen Erscheinungen seiner
Frömmigkeit neigt dazu, sich auf die Wiedergabc behavioristischer,
phänomenologischer Beobachtungsergebnisse zu beschränken.
Manchmal führt diese Vorgangsweise zu einer Banalisierung, ja, zu
Kurzschlüssen, die mehr vom Horizont und der Begriffswelt des Forschers
als des Geschilderten zeugen.

Das Bild, das hier gezeichnet und zusammengefaßt wird, ist das Bild
von einem jenseitssüchtigen (S. 208) Pietisten, dem besonders die
sexuelle Begierde unrein sei (S. 144), der auszog, „um glauben zu lernen
", „fasziniert davon, ob und wie er dann den Tod bestehen
könne", ein Mann, den es nach seiner Befreiung vom .heiligen Leben'
vorstieß, dem aber die Welt der .vorletzten Dinge' voll auszukosten
nicht vergönnt wurde, weil die äußeren Umstände dies nicht zuließen
und seinem Leben frühzeitig ein Ende gesetzt wurde (S. 214).

Die Zusammenstellung der vielen Äußerungen Dietrich Bonhoeffers
wird dem Leser oft unverständlich, er fühlt sich getäuscht wie von
irreführenden Schlagzeilen. So im Exkurs: Fürbitte, S. 50, dessen erste
Zeile lautet: „Fürbitte ist für Bonhoeffer ein Mittel zur Herstellung
der Gemeinschaft zwischen den Menschen, die einander kennen." Im
Kontrast dazu steht bei Dietrich Bonhoeffer im Text, woraufhingedeutet
wird: „Die Sünden des unbekannten (sie!) Seefahrers, für die
im Kirchengebet Fürbitte eingelegt wird, fechten mich nicht weniger
an, als die des nächsten Freundes; denn die Anfechtung liegt begründet
in der Erkenntnis der eigenen Schuld an der Weltschuld, oder was
dasselbe ist, der eigenen Schuld am Tode Christi." (Sanct.
Comm. 1954 S. 135)

Ähnlich kann es als indiskutable Feststellung heißen: „Zwischen
Ehe und Freundschaft sieht Bonhoeffer einen Konflikt, ein Konkurrenzverhältnis
." (S. 150) Die Belegstelle lautet aber: „Der Konflikt
zwischen Ehe und Freundschaft, der anfangs gar nicht so leicht zu
lösen ist, blieb Euch erspart und wird später keiner mehr sein. Aber
das ist nur ein Privat- und Nebengedanke, über den Du nicht lachen
mußt!" (WEN, 149) Was seelsorgerlich, realistisch gesagt wird, darf
nicht als allgemeines Lebensgesetz interpretiert werden, besonders
deshalb nicht, weil das ganze Bemühen um dieses Thema eine Veranlassung
war, das geistreiche Gleichnis vom Kornfeld (Ehe) und der
Kornblume am Rande des Ackerfeldes (Freundschaft) als Hilfe und
Überwindung eines sündhaften Konkurrenzverhältnisses zu erkennen
.

Überhaupt hat H. R. Pelikan Dietrich Bonhoeffers Erkenntnisbemühen
oft als psychologische Selbstzeugnisse seiner Frömmigkeit
mißverstanden. Man fragt sich, ob die Kategorie Frömmigkeit hier
nicht falsch am Platz ist. Mit dem Wort Frömmigkeit wird hier der
Versuch gemacht, die ganze Sache in eine religiöse Verallgemeinerung
zu transponieren, aus einer Distanz, aus der man die theologische
Existenz Dietrich Bonhoeffers nicht sehen kann. Vielleicht kommt es
daher, daß das Zeugnis des englischen Offiziers und Mitgefangenen
S. Payne Best übersehen ist: „He was one of the very few men that I
have ever met to whom his God was real and ever close to him" (The
VenloIncidentS. 180).

Borum-Sabro Jorgen Glenthoj

Kirchen- und Konfessionskunde

Onasch, Konrad: Liturgie und Kunst der Ostkirche in Stichworten,

unter Berücksichtigung der Alten Kirchen. Leipzig: Koehler &
Amelang 1981. 495 S. m. Abb., 2 Ktn, 80 Abb. auf Taf. S Lw.
M 28,-.

Sobald auf dem Buchmarkt ein Lexikon oder Wörterbuch oder
Stichwortverzeichnis erscheint, sind die Griffel der Kritiker in Erwartung
gespitzt und untersuchen Artikel um Artikel genauestens nach
objektiver Darstellung und gegenwärtigsten Quellen. Das ist das gute
Recht der Kritiker, weil sie aus der Vorstellung leben, es gäbe eine
mögliche, immer genau darstellbare objektive Bestandsaufnahtrie der
Begriffe und Sachen. Wenn nun ein Autor allein ein solches Lexikon
verfaßt und gleichsam seinen in Jahrzehnten erarbeiteten Werkkatalog
veröffentlicht, wird man ihn von allen Seiten noch stärker und
genauer ins Visier nehmen und Ungenauigkeiten oder nicht aufgearbeitete
Literatur in bissiger Schärfcbrandmarken.

Diesem gewohnten Lauf der Neuerscheinungen und ihrer Besprechungen
setzt sich seit einiger Zeit das oben genannte Werk entgegen,
das aus großer Mühsal und Sorgfalt in vielen Jahren der Arbeit entstanden
ist. Beim ersten Blättern wird jedem der Impuls des Autors
deutlich, daß er die große vergangene und noch in die Gegenwart wirkende
Welt der orthodoxen Kirchein ihrer eigenen Tiefe, aber auch in
ihrer Einbezogenheit in alle überlieferten Formen religionsgeschicht-
lichcr und lehrinformativer Aussagen^ objektiv darstellen möchte,
obgleich ihm diese wissenschaftliche Objektivität, wie man sie in der