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Ausgabe:

1983

Spalte:

911-913

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Calixt, Georg

Titel/Untertitel:

Einleitung in die Theologie 1983

Rezensent:

Jaspert, Bernd

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 12

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dringen in die Spätscholastik. Die beigegebenen Register ermöglichen
einen raschen Zugang unter bestimmten Fragestellungen. Die weiteren
Bände werden Gelegenheit geben, auf den theologiegeschichtlichen
Ort Hugolins einzugehen.

Seine Wirkungsgeschichte ist für die evangelische Theologie von
besonderem Interesse. AdolarZumkeller hat daraufhingewiesen, daß
Luther möglicherweise diesen Sentenzenkommentar benutzte. Dabei
wies er auch auf eine Handschrift dieses Werkes hin, die sich in Wittenberg
befand. In den Registern zur WA sucht man Hugolins Namen
allerdings vergebens, abgesehen von einer Stelle in einem Brief Johann
Ecks an Kurfürst Friedrich den Weisen. Der Hrsg. hat nun ermittelt,
daß diese Handschrift zwar nach dem Schmalkaldischen Krieg von
Wittenberg nach Jena gelangte, aber 1536 noch nicht registriert
wurde. So ist es unwahrscheinlicher geworden, daß sie auf den werdenden
Reformator Einfluß ausübte.

Der verdienstvollen Ausgabe bleibt ein rasches Gedeihen zu wünschen
.

Leipzig Helmar Junghans

Calixt, Georg: Einleitung in die Theologie. Hrsg. von Inge Mager.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1978. 481 S. gr. 8° = Georg
Calixt: Werke in Auswahl. Hrsg. v. d. Abt. f. Niedersächsische
Kirchengeschichte an den Vereinigten Theologischen Seminaren
der Universität Göttingen, 1. Lw. DM 70.-.

Nach den Bänden 3 und 4 (vgl. W. Zeller, ThLZ 98, 1973 Sp. I30f;
99, 1974 Sp. 4500 legt Inge Mager mit diesem ersten Band der Calixt-
Auswahlausgabe eine für das Verständnis des kirchengeschichtlichen
Denkers Calixt (1586-1656) wichtige Sammlung bisher nur schwer
zugänglicher Schriften vor.

Neben jener umfangreichen Abhandlung, die dem Band den
Namen gab und an der Calixt mit Unterbrechungen fast drei Jahrzehnte
schrieb, „Apparatus sive introductio in Studium et disciplinam
Sanctae Theologiae" (1628-1656), finden vier kleinere Schriften mit
teilweise wichtigen methodologischen und wissenschaftstheoretischen
Erörterungen ihren Platz: das für das Patristikverständnis Calixts so
wertvolle „Prooemium ad Augustini ,De doctrina Christiana' et Vin-
centii Lerinensis ,Commonitorium"' in Auswahl (1629). Mit diesem
Druck weihte Calixt seine 1628 erworbene eigene Druckerei ein.
Schon hier wird seine später wiederholt betonte Meinung deutlich,
„daß es in der Theologie nichts Neues geben könne und dürfe, da die
Wahrheit bereits in der alten Kirche unverbrüchlich beschlossen sei"
(Mager, S. 365). Die ihm unter dem Einfluß seines Lehrers Cornelius
Martini so wichtig gewordene Untermauerung der reformatorischen
durch die altkirchliche Theologie treibt Calixt zu einem beachtlichen
Studium bedeutender patristischer Theologen, denen er - wie das hier
nach der 2. Auflage von 1655 abgedruckte Vorwort beweist - in mancher
Hinsicht in seiner eigenen theologischen Anschauung verpflichtet
bleibt. „De studio Historiarum oratio" ist eine Rede vor Studenten
, mit der Calixt am 29. Dezember 1629 sein Amt als Prorektor der
Universität Helmstedt beschließt, das er seit Mai innehatte. Der erfahrene
Pädagoge gibt seinen studentischen Zuhörern in aller Kürze eine
beeindruckende Synopse der wichtigsten Daten, Personen und Ereignisse
aus 17 vor- und nachchristlichen Jahrhunderten. Die Paralleli-
sierung der einzelnen Jahrhunderte ergibt z. B. die Gegenüberstellung
des Mose als dem Erretter des Volkes Israel im 16. Jahrhundert
v. Chr. mit Martin Luther als dem Befreier des Christenvolkes von der
geistlichen, d.h. papistischen Knechtschaft im 16. Jahrhundert
n. Chr. Immerhin finden sich in dieser wie in einer weiteren Rede
(„De fine et scopo studiorum oratio", 1643) Ansätze, das Fach Geschichte
bzw. Kirchengeschichte innerhalb der Theologie an der
Helmstedter Universität zu verselbständigen, was dann auch in der
Tat 1650 durch Errichtung eines eigenen Lehrstuhles hierfür geschah.
Die zuletzt genannte Rede greift, wiederum als Prorektoratsrede vor
Studenten gehalten, die im Zuge des schon so lange dauernden Großen
Krieges um sich greifende Disziplinlosigkeit unter den Studenten
an und stellt den studiosi Sinn und Ziel ihres akademischen Tuns an
der Universität vor Augen. Dabei erinnert sich der alternde Calixt seiner
eigenen Studienzeit und gewährt uns tiefe Einblicke irf den Wechsel
theologischer Generationen, eine geschichtswirksame Tatsache,
die neuerdings W. Zeller zu bemerkenswerten Erkenntnissen über den
Verlauf theologischen Denkens in der Kirchengeschichte geführt hat
(vgl. W. Zeller, Theologie und Frömmigkeit. Ges. Aufs., 2, Marburg
1978, S. 254(1). Ebenfalls von 1643 stammt die „Oratio de causis cala-
mitatum, quae ecclesiam occidentis post coeptam reformationem
afflixerunt", mit der Calixt „vor einer falschen Glorifizierung der Reformatoren
warnt" und „der Kirche den Weg der ständigen Selbstkontrolle
nach der Schrift und dem Bild der alten Kirche" weist
(S. 4340- Die Streitigkeiten innerhalb der reformatorischen Kirchen
sieht der Helmstedter im wesentlichen durch die mangelnde Unterscheidung
von fundamentalen und nichtfundamentalen Glaubenssätzen
verursacht. Von hier aus zur Unterscheidung von Theologie
und Glaube, wie sie Calixt als einer der ersten lutherischen Theologen
getroffen hat, war es nicht weit. Daß er selbst an dem „consensus anti-
quitatis" bzw. „quinquesaecularis" als der Grundlage praktischer
Kircheneinigung und theologischer Übereinstimmung festhielt bis
zum Lebensende, brachte ihm seit 1645 einen z. T. heftig geführten
theologischen Streit ein, den er aber ertrug im Glauben an die „eccle-
sia catholica", die er noch auf seinem Totenbett bekannte - gewiß
nicht im konfessionellen Sinne, wie Mager mit Recht betont (S. 43).

Der Band ist - wie schon seine beiden Vorgänger - wiederum sorgfältig
ediert, mit guten kritischen und erläuternden Apparaten sowie
den notwendigen Registern (Namen, Bibelstellen) und einem Literaturverzeichnis
versehen. In ihrer Einführung (S. 9-35) gibt die Herausgeberin
einen Überblick über die bisherige Calixt-Forschung.
Diese war bekanntlich bis hin zu Ernst Ludwig Theodor Henke
(1804-1872) in ihren Ergebnissen merkwürdig befangen von den Auseinandersetzungen
im sog. Synkretistischen Streit (1645ff) und den
dadurch verursachten jeweiligen Parteinahmen für oder gegen Calixt
als gefeierten Ireniker auf der einen oder verachteten Häretiker und
Verräter der wahren lutherischen Lehre auf der anderen Seite. Gerade
daß sich dieser Mann, wie auch der vorliegende Band wieder zeigt,
meist nach mehreren Seiten zu wehren hatte und wußte und sich auch
schon vor 1645 nicht einfach einer bestimmten theologischen Schulrichtung
einpassen ließ, hat seine Rezeption in den folgenden Jahrhunderten
so schwierig gemacht. Erst in der zweiten Hälfte unseres
Jahrhunderts bahnt sich nach Fr. W. Kantzenbachs kritischer Calixt-
Darstellung (1957) langsam ein Konsens im Verständnis dieses so
bedeutenden Theologen des 17. Jahrhunderts an (H. Schüssler, 1961;
J. Wallmann, 1961, 1977,1981; I. Mager, 1969; P. Engel, 1976). Jetzt
erst wird seine Leistung als systematischer Denker mit starkem
methodologischen Interesse, als Ethiker und Dogmatiker ebenso wie
als Kirchenhistoriker und Exeget sowie schließlich als praktischer
Unionist und Ireniker anerkannt. Wie sehr er geschichtlich dachte,
zeigen gerade die hier abgedruckten Texte, in denen die Kirchengeschichte
- neben Exegese und Dogmatik - als „Lehrmeisterin der
Wahrheit" und als historischer Beweisgang für die göttliche Weltlenkung
, zumindest der ersten fünf Jahrhunderte, bezeichnet wird.
Übrigens ist es Mager bei der Edition des „Apparatus" gelungen nachzuweisen
, daß diese für Calixts Kirchengeschichtsverständnis so wichtige
Schrift nicht, wie J. Wallmann, TRE 7 (1981) 558, meint, 1628
als Fragment erschien, sondern einen Druckprozeß von 1628 bis 1656
durchmachte und dann tatsächlich erst als opus posthumum 1656 -
und in 2. Auflage 1661 verbessert und vermehrt durch seinen Sohn
Friedrich Ulrich Calixt - herauskam.

Von Band zu Band dieser verdienstvollen und hoffentlich zum
400. Geburtstag vollständig vorliegenden Calixt-Ausgabe wird deutlicher
, welcher schier unerschöpfliche Reichtum an Gelehrsamkeit,
welches scharfe theologische Denken in Kritik und Irenik zugleich,
welche selbstverständliche Vertrautheit mit der Philosophie der Zeit
in diesem Helmstedter Theologen steckte. Davor können wir Heuti-