Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

907-908

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Keller, Erwin

Titel/Untertitel:

Conrad Gröber 1983

Rezensent:

Grote, Heiner

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

907

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 12

908

Keller, Erwin: Conrad Gröber 1872-1948. Erzbischof in schwerer
Zeit. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1981, 366 S. 12 Abb. 8° Lw.
DM 36,-.

Mit einem „Geleitwort" des derzeitigen Erzbischofs von Freiburg,
Oskar Saier, präsentiert Erwin Keller hier die erste Biographie Gröbers
, die mehr zu bieten hat als übliche Lexikon-Artikel oder Personenbeschreibungen
in Lehrbüchern oder Monographien zur jüngsten
Geschichte. Keller konnte nicht nur die Freiburger und Konstanzer
Archivbestände einsehen, sondern er schreibt auch aus persönlicher
Kenntnis und auf Grund mündlicher Nachrichten, etwa solcher von
Bernhard Welte.

Gröbers Werdegang in Kindheit, Jugend und Mannesjahren verlief
nicht untypisch. Aus bescheidenen Verhältnissen stammend (der
Vater war Schreiner, die Mutter betrieb eine kleine Landwirtschaft),
erhält Gröber früh die Anregung, Priester zu werden (ein freundlicher
Onkel war ihm das Vorbild); der Meßkircher Schüler wird Konstanzer
Gymnasiast, erfährt Förderung und kann mit weit überdurchschnittlichen
Noten in Freiburg/Breisgau mit dem Theologiestudium
beginnen. Auf die mancherlei Begabungen und den rechtgläubigen
Sinn des Studenten Gröber hingewiesen, empfiehlt Erzbischof Hermann
Roos ihn unverzüglich für das Weiterstudium am Germanicum
und an der Gregoriana in Rom.

Damit war Gröber bereits für höhere Aufgaben ins Auge gefaßt.
Früh geprägt von der Frontstellung zu alt-katholischen Bestrebungen
und antiwessenbergisch eingestimmt, kann es für Gröber nie so etwas
wie eine modernistische Versuchung geben. Wo er den Männern oder
Namen des Modernismus begegnet, zweifelt er ganz spontan und
schlicht an deren Kirchentreue und Charakterfestigkeit. Gröber erhält
noch in Rom die Priesterweihe, betätigt in Wort und Schrift seine
Gabe zu flüssigem und zündendem Ausdruck, sammelt Schul- und
Seelsorgserfahrungen in Konstanz, erhält die ehrenvolle Stelle eines
Konstanzer Münsterpfarrers, wird Domkapitular in Freiburg und
1931 Bischof von Meißen (mit Sitz in Bautzen). Bereits sechzehn
Monate später wird er im Mai 1932 Nachfolger des verstorbenen Karl
Fritz und Oberhirte der Erzdiözese Freiburg. In dieser Position wird er
zur Bischofsgestalt der Nazizeit, kommt es auch bei ihm zu erschrek-
kenden Fehleinschätzungen, behält seine Verkündigung aber einen
christozentrischen Zug und entwickelt er sich zu dem wohl tätigsten
Propagator katholischer Weltanschauung in allen ihren Bezügen.

Der Verfasser nimmt mancher Kritik bereits den Wind aus den
Segeln, wenn er betont, „eine nicht wissenschaftliche Lebensbeschreibung
" zu bieten (S. 8). Gröber ist in mehreren Darstellungen der Nazizeit
vergröbernd als Typus des Versagers auf dem Bischofstuhl beschrieben
worden. Bei Keller wird kein „Brauner Konrad" (S. 264)
skizziert, sondern „ein unvergeßlicher Bischof (S. 11) in Erinnerung
gerufen. Was diesem Bild sich nicht einfügt, sind „tragische Züge"
(S. 267). Es stellt sich aber die Frage, ob die Verhältnismäßigkeit noch
gewahrt bleibt, wenn Gröber unmittelbar neben August Graf von
Galen, den Bischof von Münster, tritt.

Die Darstellung hebt wiederholt auf den Kulturkampf des ausgehenden
19. Jahrhunderts, insbesondere den badischen, ab. Er hatte
für die katholische Kirche nicht nur Leidenszeiten, sondern auch
Triumpherlebnisse gebracht, und es legte sich verführerisch nahe, die
dabei gewonnenen Begriffe auch auf das beginnende zweite Drittel des
20. Jahrhunderts zu übertragen. Es spielte aber noch weit mehr eine
Rolle, und darüber schweigt sich die Darstellung von Keller geradezu
verräterisch aus. Es war die Zeit von Benito Mussolini und Antonio de
Oliveira Salazar, Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg und nicht
zuletzt Francisco Franco. Katholisch-ständische Gesellschafts- und
Staatsvorstellungen förderten ein Wunschdenken, das die eigenen
katholischen Fähigkeiten und Möglichkeiten maßlos überschätzte
und die Heimtücke der Nazis nicht wahrhaben wollte, ja sie fast bis
zum Ende noch dem .Bolschewismus' vorzog.

Der Leser von heute fragt sich, was denn nun tatsächlich die
„schlimmen Erfahrungen der Weimarer Endzeit" (S. 261), die

„schlimmen Erfahrungen in den letzten Jahren des Staates von Weimar
" (S. 152) waren, daß sie noch 1981 so dunkel-dräuend beschrieben
werden müssen. Wo Keller so oft und ausführlich Gröber selber
zitiert, muß er doch mit dem argumentum e silentio arbeiten, wenn
sich die Frage stellt, ob denn Gröber den Staat von Weimar innerlich
bejaht habe (S. 91). Jedenfalls hat die katholische Kirche auch dem
republikanischen Teilstaat Baden über mehrere Jahre hinweg bestritten
, „der legitime Rechtsnachfolger der früheren monarchischen
Staatsform" zu sein (S. 129).

Es bleibt abzuwarten, welche Erkenntnisse noch aus römischen
Dokumenten zu gewinnen sind. Die in Kellers Darstellung uns begegnenden
zahlreichen Hinweise zur Person Gröbers geben dem Spitznamen
„Conrad der Plötzliche" (S. 123) nur für etliche Einzelereignisse
recht. In der Grundkonzeption seines Verhaltens und in seiner
Strategie als Bischof ist Gröber doch wohl alles andere als plötzlich
und eigenmächtig gewesen. Zweifellos hat ihm der Nuntius und Kardinalstaatssekretär
Eugenio Pacelli und auch der Papst Pius XII. stets
signalisieren können, was zu tun an der Zeit sei. Gröber hat mit Pacelli
zusammengearbeitet beim Reichskonkordat und zuvor schon beim
Badischen Konkordat, Gröber hat höchstes Lob erfahren von Pius
XII. und ist noch 1947 zum Päpstlichen Thronassistenten ernannt
worden. Das Glückwunschschreiben von Pius XII. zu Gröbers Goldenem
Priesterjubiläum klingt nicht nach routinemäßiger Gratulation
.

Gröber hat das katholische Kirchenschiff in Baden Ende der dreißiger
Jahre energisch vom Nazikurs wegzusteuern sich bemüht, aber
nie so, daß der Steuermann selber gefährdet gewesen wäre oder tatsächlich
hätte „mit opferwilliger, heldenhafter Tapferkeit" (S. 185)
handeln müssen. Das gilt für viele Kirchenmänner, katholische wie
evangelische. Erschrocken aber ist man, wenn man liest, daß sich der
Märtyrerpriester Max Josef Metzger auf dem Wege zum Schafott von
Gröber „ein Leben lang wirklichkeitsfremden Idealismus" bescheinigen
und als Trost sagen lassen mußte: „Auch das Schwere hat seelisch
und religiös einen großen Wert, auch das Allerschwerste" (S. 258). Es
sind wohl diese empfindungsarmen Worte von 1944, die Gröber das
Urteil sprechen und nicht etwa ein Hitlergruß von 1933 oder nazifreundliche
Äußerungen von 1934.

Eine künftige wissenschaftliche Biographie des Freiburger Erzbischofs
Gröber wird eine Frage zu beantworten haben, die die Keller-
sche Darstellung auf weite Strecken durchzieht: Einerseits wird fast
wie von einem Numinosum von den Kenntnissen und Erkenntnissen
Gröbers wie des Freiburger Ordinariats gesprochen; ihnen seien Ereignisse
und Stimmungen in der Bevölkerung sowie Erfahrungen und
Meinungen höherer Militärs allenthalben bekannt gewesen; andererseits
aber gab es keine Nachrichten von Todesfolter und Massenvernichtung
in den Konzentrationslagern, obwohl doch auch Priester
der Diözese Freiburg betroffen waren. Gegen die „EuthanasiegreueU'
(S. 290) seien Bischof und Ordinariat in Eingaben Sturm gelaufen,
doch „von den entsetzlichen KZ-Greueln" hätten sie „nie etwas
Genaues erfahren" (S. 340).

Bensheim Heiner Grote

Dogmen- und Theologiegeschichte

Origene: Commentaire sur Saint Jean, IV (Livres XIX et XX). Texte
Grec, Introduction, Träduction et notes par C. Blanc. Paris: Ed. du
Cerf 1982. 395 S. 8" = SourcesChretiennes, 290. ffr 356.-.

Die bewährten Editionsgrundsätze von Cecile Blanc haben sich
gegenüber den ersten 3 Bänden des Johannes-Kommentars des Orige-
nes nicht verändert, so daß ich auf das hierzu in ThLZ 102, 1977
Sp. 587-589 Gesagte verweisen kann. Die Herausgeberin bietet
neben dem griechischen Urtext und der französischen Übersetzung
eine ausführliche Einleitung, die wesentliche Gedankengänge der in