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Ausgabe:

1983

Spalte:

65-67

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Zeddies, Helmut

Titel/Untertitel:

Bekenntnis als Einigungsprinzip 1983

Rezensent:

Peters, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. I

66

Friede - auf Erden und im Himmel? 12 Predigten in der Stiftskirche Tübingen
, hrsg. von der Evangelischen Studentengemeinde Tübingen. Stuttgart:
Steinkopf 1981. 115 S. 8 Kart. DM 14,80.

Nitschke, Horst [Hrsg.]: Biblische Geschichte weiter erzählt. Neue Predigtanregungen
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1982. 117 S. 8'.
Kart. DM 19,80.

Orth, Gottfried: Vom Abenteuer Bürgerlichen Bewußtseins. Die Predigten
Helmut Gollwitzers !938-!976(Theol. Promotion, Frankfurt/M. 1980).

Steiger, Lother: Die Herrlichkeit sehen. Sequenzen - Meditationen - Predigten
. Kassel: Stauda 1982. 166 S., 2 Taf. 8 Kart. DM 18,-.

Ökumenik: Allgemeines

Zeddies, Helmut: Bekenntnis als Einigungsprinzip. Der Einfluß des
Bekenntnisbegriffs auf die theologischen Voraussetzungen kirchlicher
Zusammenschlüsse. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1980.
264 S. 8' = Theologische Arbeiten, XL. M 15,20; Ausland 18,50.

Diese Studie ist erwachsen aus den Gesprächen innerhalb des Bundes
der Evangelischen Kirchen in der DDR; sie wurde in Leipzig als
Dissertation angenommen und auf den neusten Stand gebracht; leider
wimmelt es in ihr von Tippfehlern. Ein erstes Kapitel (S. 11—47) geht
der Frage nach der Bekenntnisbindung in den lutherischen Kirchen
der DDR nach, setzt hierzu ein bei den Aussagen der Verfassungen
wie Grundordnungen, skizziert die geschichtliche Entwicklung des
„Bekenntnisstandes", arbeitet dessen öffentlich-rechtliche Aspekte
heraus, spitzt diese zu auf das „Verlangen nach Identitätssicherung"
(S. 33) und sucht praktische Konsequenzen zu ziehen; die Bekenntnisse
seien nicht als Lehrgesetz, sondern als Orientierungshilfe zu gebrauchen
(S. 44f). Leider wird schon hier im Ansatz eine Engführung
sichtbar, die alles Spätere durchzieht. Die endzeitliche Ausrichtung,
die bereits die überlieferten Jesusworte zum Bekennen prägt und noch
die reformatorische Bekenntnisbildung von Luthers Bekenntnis von
1528 bis hinein in die Konkordienformel bestimmt, ist nicht erkannt.
So verbleibt allein ein „Prinzip", das unserem Einigungswillen dienstbargemacht
wird. Für eine biblische Orientierung wären die Aufsätze
von Günther Bornkamm: Das Wort Jesu vom Bekennen (1935) (Geschichte
und Glaube, I. Teil; Ges. Aufsätze Bd. III, München 1968,
S. 25-36) und von Hans Frhr. von Campenhausen: Das Bekenntnis
im Urchristentum (ZNW 63, 1972, S. 210-253) hilfreich gewesen.
Das zweite Kapitel (S. 48-77) skizziert den Streit zwischen Lutheranern
und Barthianem um Barmen und deutet die Vermittlungs-
bemühungen an. Weil auch hier die endzeitliche Ausrichtung ausgeblendet
bleibt, geraten Bekenntnisakt und Bekenntnisstand, Ereignis
und Institution, konfessionelle Absicherung und prinzipielle Offenheit
in ein nicht aufzuhebendes Dilemma. Bonhoeffers soteriolo-
gischer Ansatz ist erkannt, sein Insistieren auf eine letzte Alternative
zwischen Bekennen und Verleugnen bleibt verdeckt; die reformatorische
Unterscheidung zwischen unverbrüchlicher Glaubensgewißheit
und liebendem Ertragen der Sünder ist nicht mehr gewußt, so
kann es heißen: Bonhoeffer sei mit seiner umstrittenen These: „Wer
sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt,
trennt sich vom Heil", einer „Gefahr erlegen, der auch die Confessio
Augustana nur mit Mühe entgangen" sei (S. 70-74). Zugleich sei im
Ereignis von Barmen die Leuenbcrger Konzeption von Kirche bereits
angelegt gewesen (S. 75). Das dritte Kapitel (S. 78-117) schildert den
Weg von Barmen nach Leuenberg unter der Überschrift: „Die kirchlichen
Zusammenschlüsse unter der Nachwirkung der Barmer Erklärung
". Theologisch bedeutsam waren der Briefwechsel zwischen Hans
Meiser und Lothar Kreyssig sowie die Diskussion zwischen Joachim
Beckmann und Peter Brunner, klärend wirkten Brunners Überlegungen
zum lutherischen Bekenntnis in der Union (1952) (S. 102-106).
Durch die Rezeption der Leuenbcrger Konkordie sei eine tragfähige
Grundlage zur Kirchwerdung der EKU gegeben, damit könne ihr
auch die Anerkennung als Kirche durch die VELK nicht mehr versagt
werden (S. 117). Kapitel vier (S. 118-153) untersucht die Bedeutung

des Kirchenartikels (CA VII) innerhalb der lutherischen Bekenntnisschriften
. Eingangs werden nach den Schauenburger Gesprächen die
Motive zur Bekcnntnisbildung aufgezählt, das doxologische, Konsensus
-, antihäretische und katechetische Motiv; auch hier fehlt erneut
die eschatologische Rechenschaft (S. 119f). Der Überschritt von den
altkirchlichen Doxologien zu den reformatorischen Lehrbekenntnissen
ist angedeutet (S. 122ff); die wechselseitige Erhellung zwischen
Schrift und Bekenntnis ist angesprochen, die Unterstellung der Bekenntnisse
unter die Schrift gefordert, ohne zu bedenken, daß sich
etwa Luther um der endzeitlichen Gewißheit willen nicht gescheut
hat, auf das Solus Christus auch gegen eindeutige Aussagen des Neuen
Testamentes zu insistieren. Andrerseits droht die Forderung nach je
situationsorientierter Auslegung die Einheit des Evangeliums zu
sprengen (S. 1500- Hierbleiben Unklarheiten bestehen. Sie gründen
wohl weithin darin, daß unter Streiflichtern aus der Diskussion des
vorigen Jahrhunderts Confessio Augustana VII aus dem Kontext herausgelöst
und zu isoliert ausgelegt wird. CA VII als ein „konzentra-
tiver Fundamentalartikel" (S. 1480 interpretiert müßte den kritischen
Rückbezug auf die Klerikereide des Mittelalters mit ihrer Lehre
von der in den sieben Sakramenten verfaßten und durch das Papstamt
zusammengehaltenen Gnadenmittelanstalt der Kirche bedenken. Die
These, die Lutheraner der VELKD hätten in dem Bemühen, CA VII
festzuhalten, dies gerade fallen lassen (S. 152), bedürfte wohl einer
hieb- und stichfesteren Fundierung. Leider hat der Verfasser die einschlägigen
Arbeiten von Hans-Jörg Reese (Bekenntnis und Bekennen,
AGK28, Göttingen 1974) und Hans Jörg Urban (Bekenntnis, Dogma,
kirchliches Lehramt, VIEG 64. Wiesbaden 1972) nicht herangezogen
(für die Studie von Reese ist dies S. 213f, Anm. 46 vermerkt); sie hätten
Präzisierungen und Korrekturen der vier besprochenen Kapitel
ermöglicht.

Für den Leser besonders wichtig ist das fünfte Kapitel (S. 154-199)
zum Bekenntnisfundament^oder behutsamer zum Stellenwert der Bekenntnisse
innerhalb der nunmehr etablierten Bundeskirche in der
DDR. Seit 1969 hatte man unter der Fragestellung: „Wie verkündigen
wir heute die Rechtfertigung?" an gemeinsamen Statements gearbeitet
; die Rezeption der Leuenberger Konkordie kam zwischenhincin,
so schloß man 1974 mit fünf „Werkstattberichten" ab, denen ein
hoher Stellenwert zuerkannt wurde. Die eingeblendete Diskussion um
den Bekenntnischarakter der Leuenberger Konkordie folgt den behutsamen
Darlegungen von Peter Brunner; die Distanzierung von Brunners
Schlußfolgerung, daß eine Annahme der Konkordie die bisherige
Bindung an die Bekenntnisse verändere (S. 1700, ist mir nicht ganz
einsichtig geworden. Sie gründet wohl darin, daß die endzeitliche
Orientierung der reformatorischen Bekenntnisse, die übrigens auch
für die reformierten Symbole zutrifft, nicht realisiert ist, so erscheinen
diese lediglich als Hilfen zu einer sowohl biblischen als auch zeitgerechten
Verkündigung. Seit 1969 wird eine Gemeinschaft anvisiert,
welche „über den bisher unter den Kirchen in der DDR erreichten
Grad der Gemeinschaft hinausgeht" (S. 172); seit 1973 spricht man
davon, daß „die im Bund vereinigten Kirchen diejenigen kirchlichen
Elemente ihrer Gemeinschaft, die über das Leuenberger Modell hinausreichen
, genauer verstehen und konkreter entwickeln" sollten
(S. 177); hierzu wird das Stichwort von Hans-Otto Wölber von einer
„prozessual gewagten Kirche" (S. 178) aufgegriffen, zugleich ist auf
das ökumenische Konzept einer konziliaren Gemeinschaft verwiesen.
Die Bundessynode 1976 in Züssow bei Greifswald stellte fest, daß „die
Kirchengemeinschaft im Bund der Evangelischen Kirchen in der
DDR eine heute für unseren Raum angemessene Form des Kircheseins
" sei, welche eine „notwendige Ergänzung zum Kirchesein der
Landeskirchen" bilde (S. 1830- Aus der Situation heraus verständlich
, aber im geschichtlichen Kontext kaum einsichtig und auch in
ökumenischer Hinsicht unglücklich bleibt, daß der Plan einer Evangelischen
Kirche Augsburger Bekenntnisses nicht ernsthaft diskutiert
wurde. Die abschließenden Andeutungen über eine „Prä-Konsensus-
Gemeinschaft" (S. 192ff), zur Übereinstimmung im Unabdingbaren
bei einer von der Sache her vertretbaren Toleranzbreite, zu einem