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1983

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 1

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Bärenz, Reinhold [Hrsg.]: Die Kirche und die Zukunft des Christentums
. Mit Beiträgen von H. Fries, F.-X. Kaufmann und
R. Schnackenburg. München: Kösel 1982. 96 S. 8°. Kart.
DM 14.80.

Der Versuch, eine Neubesinnung zu sein: das beansprucht dieses
Bändchen. Einerseits liegt der Aufbruch der römisch-katholischen
Kirche in den 60er Jahren schon so weit zurück, daß davon keine entscheidenden
Impulse mehr auszugehen scheinen, auch wenn dieser
Aufbruch in den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils willentlichen
Ausdruck erfahren hat und damit weltweit für verbindlich
erklärt wurde. Andererseits sind Enttäuschung und Resignation
allenthalben sichtbar. Dieser „Neubesinnung" geht es darum, „die
ausgetretenen Pfade unserer Denkgewohnheiten zu verlassen und mit
anderen Augen diese Wirklichkeit sehen zu lernen" (9), die weder
abgeleugnet noch beschönigt werden kann und soll. Dazu äußert sich
als Neutestamentier Rudolf Schnackenburg, Zukunft der Kirche
- Perspektiven aus dem Neuen Testament (15-42). als Fundamentaltheologe
Heinrich Fries, Zukunft der Kirche - Kirche der Zukunft
(43-67). und als Soziologe Franz-Xaver Kaufmann, Soziologische
Überlegungen zur Zukunft des Christentums (68-95). Vorangestellt
ist ein einführendes Vorwort des Herausgebers Reinhold Bärenz,
Hat die Kirche eine Zukunft? (7-1 3).

M.P.

Colombo. Guiscppc: ..Teoccntrismo" e ..cristoccnlrismo" (Tcologia VI,
1981 S. 293-306).

Klsässer. Antonellus: Gesundheit und Krankheit (StZ 107, 1982
S. 373-384).

I.abbe, Yves: Categoricdc la modernite(NRTh 114,1982 S. 358-380).
Marquardt. Friedrich-Wilhelm: Christsein nach Auschwitz (ZdZ 36, 1982
S. 157-164).

Rcndtorff. Rolf: Das Scheitern des Christentums - Auschwitz als Glaubenskrise
(ZdZ 36,1982 S. 142-147).

Schoenborn, Ulrich: Evangelium - Ferment der Befreiung (DtPfrBl 82. 1982
S. 203-205).

Systematische Theologie: Ethik

Wiebering. Joachim: Handeln aus Glauben. Grundriß der theologischen
Ethik. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1981. 196 S. 8*. Lw.
M 8.20; Ausland 12,-.

Joachim Wiebering hat eine Einführung in Fragestellungen und
Themen theologischer Ethik verfaßt, die durch ihre knappe und treffende
Auswahl, durch verständliche Formulierungen und durch klare
Argumentation besticht. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, wie
das Vorwort zeigt, eine bei Studenten oftmals beobachtete Unsicher-
hei t, wie sich ein begründetes Urteil über ethische Orientierungen
überhaupt gewinnen läßt. Der Grundriß ist deswegen bewußt als Anleitung
zur Urteilsbildung konzipiert. Ergeht dazu einen „induktiven
Weg" und sucht ausgehend von Erfahrung und Betroffenheit Hilfe für
eine sachgemäße ethische Beratung aufzuzeigen (S. 10). Außerdem
stellt er sich die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Ethik:
..Die Spezifik der theologischen Ethik ist weithin umstritten" (S. 11).
Der mehrfach vorkommende Begriff „Spezifik" scheint dabei der Terminologie
des Kirchenbundes der DDR zu entstammen; anderwärts
redet man, ebenfalls abkürzend, vom „Proprium". Einzelthemen der
Ethik sind offenkundig nur paradigmatisch aufgenommen. Ein umfassendes
Lehrbuch müßte manche Themen ausführlicher behandeln
(z. B. Verständnis von Staat und politischer Macht, Arbeit, Eigentum,
Ehe und Familie). Auch fehlt das Stichwort Freiheit im Sachregister
und der Begriff Gerechtigkeit wird eher beiläufig erörtert.

In 6 Kapiteln wird der „Prozeß der Entscheidungsfindung" beschrieben
. Kapitel 1: „Aufgabe und Ort der theologischen Ethik"
(S. 1 5 ff) führt an die Notwendigkeit ethischer Reflexionen heran, setzt

sich mit der These des ethischen Relativismus auseinander (S. 16ff)
und zeigt, vor allem am Beispiel Kants (S. 19) auf, daß die Frage nach
dem Guten eine allgemeinmcnschliche, keine spezifisch christliche
ist. Diskutiert wird ferner „Der Ort der Ethik innerhalb der Theologie
" (S. 23ff). Diese Frage ist jedoch nicht nurein Einteilungsproblem,
sondern enthält zugleich eine Selbstverständigung über den Sinn von
Theologie im Gespräch mit allgemeinmenschlichen Erfahrungen und
mit anderen Wissenschaften, die sich ebenfalls mit der Deutung des
Menschen befassen. Eine stärkere Ausarbeitung (als S. 25-27 angedeutet
ist) der fundamentaltheologischen Aufgabe einer (theologischen
) Anthropologie könnte hier manches noch schärfer klären.
Denn ob beispielsweise Karl Barths spezielle Ethik (z. B. in KD III, 4)
stringent aus seiner theologischen Grundlegung folgt, wäre im einzelnen
zu erörtern und zu überprüfen.

Kapitel 2: „Ansätze und Methode der theologischen Ethik"
(S. 28ff) informiert über Karl Barths „Ansatz bei dem Gebot Gottes"
(S. 28), über den Ansatz einer Situationsethik (z. B. John A. T. Robinson
, Joseph Fletcher, Rudolf Bultmann, Dorothee Solle, S. 33), den
Ansatz bei der religiösen Sinngebung (S. 37ff: Franz Böckles Fundamentalmoral
, Trutz Rendtorffs Rückgriff auf E. Troeltsch). Die
eigene Position wird unter der Überschrift „Der Ansatz bei den Implikationen
des Glaubens" (S. 39ff) unter Berufung auf D. Bonhoeffer
- der überhaupt der theologische Kronzeuge schlechthin für Wiebering
ist - als Aufgabe einer Begründung des Handelns im Glauben
beschrieben, die „sich zugleich durch ihre Orientierung am Dasein
Jesu Christi für andere allgemein verständlich machen" soll (S. 43).
Über Zusammenstellung und Charakteristik kann man zwar gewiß an
manchen Stellen streiten; beispielsweise ist Augustins „Eudämonis-
mus" bei seiner oft zitierten These „ama et fac. quod vis" mitzubeden-
ken, die es m. E. verbietet, diesen Satz für eine „Gesinnungsethik" zu
beanspruchen; das „quod" ist nämlich nicht unbestimmt, sondern
das bonum (zu S. 36). Und kann man wirklich von „Liebe durch
Strukturen" und nicht nur von „Gerechtigkeit durch Strukturen"
sprechen (ibid)? Wichtiger als solche Einzelcinwände ist aber ein
Desiderat, nämlich eine eigene zusammenhängende - wenn auch
knappe - Darlegung des reformatorischen Ansatzes der Ethik (Gute
Werke, Freiheit eines Christenmenschen und Dienst der Liebe, Gesetz
und Evangelium, weltliches Amt und Beruf): Für den biblischen Stoff
liegt eine solche Übersicht in Kapitel 5 vor. Die Ausführungen zur
Methode folgen H. E. Tödts „Theorie ethischer Urteilsfindung"
(S. 45), ohne freilich deren inhaltliche Prämissen aufzugreifen und
eingehender zu erörtern.

Besonders gut geglückt ist Kapitel 3 „Zielvorstellungen für das sittliche
Handeln" (S.47ff). Wiebering skizziert hier Grundorientierungen
menschlichen Lebens phänomenologisch: „Die Suche nach dem
Glück" (S. 48fT- es ist dies die ursprüngliche Fragestellung der Ethik
bei Aristoteles, nämlich als Frage nach dem „guten" Leben und guten
Handeln), „Die Frage nach dem Sinn des Lebens" (S. 57fT- auch ein
wichtiges seelsorgerliches Thema!), „Die Sorge um die menschliche
Welt" (S. 67ff). Von Alltagserfahrungen über Beispiele aus der Geschichte
der Ethik wird hier der Weg zur theologischen Besinnung gegangen
. Über die Brücke der „Humanität" kommt es auch dahin, daß
sich „marxistische und christliche Ethik" zu berühren vermögen
(S. 67). Im Abschnitt „Humanität als Ziel christlichen Handelns"
(S. 72ff) werden sodann die Menschenrechte gestreift, freilich nicht
eingehender entfaltet und das dem Verfasser besonders wichtige
Thema der „Rücksicht auf die natürliche Umwelt des Menschen, auf
seine Mitkreatur" (S. 74) angesprochen.

Das 4. Kapitel „Ansprüche an das sittliche Handeln" bespricht als
Themen: „Die gesellschaftlichen Pflichten" (S. 7811), „Die Geltung
des Natürlichen" (S. 82ff- hier werden „Naturrecht" und „Schöpfungsordnung
" mitbedacht), „Die Stimme des Gewissens" (S. 92ff)
und: „Konflikte als sittliche Herausforderung" (S. lOOff). Besonders
hervorzuheben sind die Ausführungen über „die ethische Relevanz
des Kompromisses" (S. 103fl). Etwas mehr Auskunft wünschte man
sich über den Unterschied von Recht und Moral - ein Thema, das ja