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Ausgabe:

1983

Spalte:

781-783

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hardt, Michael

Titel/Untertitel:

Papsttum und Ökumene 1983

Rezensent:

Thunberg, Lars

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr.10

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in diesem Büchlein aufgeworfen wird, hat Bleyler ausgeklammert,
konnte aber auch von Loth nicht ausreichend beantwortet werden,
weil er u. E. die Zusammenhänge von Religion und Gesellschaft nicht
afrikanisch sieht. Auf jeden Fall aber wird man die Geschichte der
Kirchen Afrikas einmal nicht schreiben können, ohne sich mit der
Frage zu befassen, was in der Begegnung dieses Kontinents mit dem
Evangelium an sozial-religiösen Bewegungen ausgelöst worden ist.
Einige von diesen Bewegungen werden inzwischen zu Kirchen, die
immer noch lebendige Verbindungen haben zu traditionellen Deutungssystemen
dieses Kontinents. Was das für die Zusammenarbeit
mit ihnen bedeutet, haben wir noch nicht ganz verstanden.

Berlin Johannes Althausen

Ökumenik: Catholica

Hardt, Michael: Papsttum und Ökumene. Ansätze eines Neuverständnisses
für einen Papstprimat in der protestantischen Theologie des
20. Jahrhunderts. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh
1981. 163 S. gr. 8' = Beiträge zur ökumenischen Theologie, 20.
Kart. DM 22,-.

Im ökumenischen Gespräch nach dem II. Vatikanischen Konzil,
besonders in den letzten Jahren, ist die Frage nach dem Papsttum zu
einem Thema des seriösen Dialogs geworden. Nicht nur in regionalen
Gesprächen, wie sie zwischen Lutheranern und Katholiken in den
Vereinigten Staaten (fort-)geführt worden sind, ist dies der Fall, sondern
auch im bilateralen internationalen Dialog wird die Frage des
Primates des Bischofs von Rom nicht mehr umgangen. So ist der
Schlußbericht der internationalen anglikanisch-katholischen Kommission
(1982) von den Erwägungen zu diesem Thema in hohem
Grade geprägt, und beträchtliche Fortschritte in Richtung eines gemeinsamen
Verständnisses, mindestens gewisser Aspekte des Primates
, sind festzustellen. (Was die neue Kommission der beiden Partner
daraus machen will, wissen wir noch nicht.) Und schon im sogenannten
Malta-Bericht der ersten katholisch-lutherischen internationalen
Studienkommission (1972) wurde lutherischerseits festgestellt: „Es
wurde deshalb das Amt des Papstes als sichtbares Zeichen der Einheit
der Kirchen nicht ausgeschlossen, soweit es durch theologische Re-
interpretation und praktische Umstrukturierung dem Primat des
Evangeliums untergeordnet wird." Diese Formulierung wird später
auch in den Dokumenten der heutigen gemeinsamen Kommission
zitiert.

Nun ist das alles natürlich kein Zufall. Auf der protestantischen
Seite ging eine theologische Neubesinnung voraus, für die einzelne
Theologen verantwortlich sind. Diese Neubesinnung ist das Hauptthema
der Untersuchung von Michael Hardt. Er konzentriert seine
Aufmerksamkeit aufführende Theologen, die das Primatsthema behandelt
haben. In der nachkonziliaren Zeit muß er auch die Berichte
der offiziellen Dialoge behandeln, und zwar, um die Reaktionen der
Theologen auf diese Berichte mit einbeziehen zu können - das gilt
vom lutherisch-katholischen USA-Bericht über „Amt und universale
Kirche" (1974) und der Venedig-Erklärung der internationalen anglikanisch
-katholischen Kommission über „Autorität in der Kirche"
(1976)- aber durch die Strukturierung seines Textes vermeidet er leider
, den Statusunterschied zwischen diesen Berichten und den Stellungnahmen
einzelner Theologen zu markieren. Selbst wenn die Berichte
Positionen der nicht-katholischen Seite wiedergeben, sind sie
doch in der Hinsicht anders, daß sie inmitten eines fortlaufenden Dialogs
zustande gekommen sind. Mir scheint, daß der Vf. diese spezifische
Dialogsituation nicht genügend zur Kenntnis genommen hat.

Dies ist jedoch nur eine Nebenbemerkung zu einer sehr aufschlußreichen
und gründlichen Arbeit. Was der Vf. herausheben will, ist der
wirkliche Wandel in der Haltung der protestantischen Theologen.
Um die Radikalität dieser Neusicht zu beleuchten, muß er natürlich
seinen Ausgang beim I. Vatikanischen Konzil und den darauffolgenden
Reaktionen nehmen. Das sind die ersten zwei Kapitel, von denen
das zweite sich bis zum II. Vatikanischen Konzil erstreckt. Die angeführten
protestantischen Theologen sind: Karl Barth, Karl Gerhard
Steck, Peter Brunner und Paul Althaus. Im dritten Kapitel beschäftigt
sich der Vf. mit dem II. Vatikanischen Konzil und den Kommentaren
von Theologen wie Oscar Cullmann, Hermann Dietzfelbinger, Edmund
Schlink u. a. In einer Zusammenfassung kann er noch feststellen
, daß aufgrund der Konzilstexte kein eigentlicher Wandel des protestantischen
Urteils über das Papstamt vorliegt. Der Wandel geschieht
also danach, d. h. in der Folgezeit des Konzils, die eben von
den bilateralen Dialogen mit der römisch-katholischen Kirche geprägt
ist. Die erwähnten einzelnen Theologen hier sind viele, und man
muß sich fragen, ob nicht die Vielfalt der Gesichtspunkte und die
Tiefe des Engagements eben mit dem Fortschritt dieser Dialoge direkt
zu tun hat. Das hätte vielleicht vom Vf. noch stärker hervorgehoben
werden können.

Denkt man daran, was in der Reformationszeit die päpstliche Haltung
und Praxis und in der Zeit nach dem I. Vatikanischen Konzil das
Unfehlbarkeitsdogma für eine ökumenische Blockierung bedeutet
haben, kann man die Wende, die Hardt beschreibt, nur als eine koper-
nikanische bezeichnen. War damals das Papstamt der große Stein des
Anstoßes, so öffnet sich jetzt die Möglichkeit - langsam und zögernd
nur und mit bestimmtem Vorbehalt, aber trotzdem - dem Papstamt -
als universalem Petrusamt verstanden - eine präzise ökumenische
Einheitsfunktion zuzuerkennen. Mit dem Jurisdiktionsprimat möchte
man als Nicht-Katholik nichts zu tun hüben, aber eine pastorale und
repräsentative Primatsfunktion könnte allemal vonnöten sein. Diese
Haltung hängt nun zumindest mit zwei wichtigen Faktoren zusammen
: I. Die Päpste (besonders die letzten) erfüllen teilweise schon
eine solche Funktion auch für die Nicht-Katholiken; 2. die protestantischen
Kirchen müssen den Mangel an Manifestationsformen der im
Bekenntnis geglaubten universalen Kirche einräumen (im Vergleich
mit den nationalkirchlichen sind ja diese erstaunlich gering, und die
konfessionellen Weltbünde können ihrer Natur nach nur auf diesen
Mangel hinweisen). Das bedeutet natürlich nicht, daß man damit auf
die Vision des Weltkirchenrates von einer universalen konziliaren
Gemeinschaft verzichtet.

Hardts Studie macht nun - beinahe zwischen den Zeilen - auf zwei
bedeutungsvolle Tatsachen aufmerksam. Die eine ist, daß die konkrete
päpstliche Praxis (z. B. Johannes' XXXIII.) von theologischer
Relevanz gewesen ist. Das mag paradox erscheinen, hängt aber (teilweise
) mit der Einsicht zusammen, die in den amerikanischen
lutherisch-katholischen Gesprächen zum Ausdruck gekommen ist,
daß nämlich das Papstbild sich durch die Jahrhunderte beträchtlich
verändert haj - und darum auch heute und in der Zukunft veränderlich
sein kann. Die andere Tatsache ist, daß der theologische Wandel
unter den protestantischen Theologen mit reformationsoffenen Strömungen
und Tendenzen innerhalb der römisch-katholischen Theologie
verbunden ist. Es besteht also eine gegenseitige Neuorientierung in
bezug auf das nachkonziliare Verständnis des Petrusamtes. Letztes
bedeutet nun nicht, daß die Konvergenz bis zu Ende reicht oder
reichen kann. Für die Protestanten ist eine Dogmatisierung des
Petrusamtes eigentlich undenkbar, wie Hardt mit Recht betont. Die
Begründung scheint pragmatisch/historisch bleiben zu müssen. Aber
so wird ja auch z. B. in den lutherischen Kirchen das- Bischofsamt begründet
, und doch kann man so weit gehen, wie es im lutherischkatholischen
Dokument „Das geistliche Amt in der Kirche" geschehen
ist.

Wenn man weiter kommen will, muß man wahrscheinlich mit dieser
Verschiedenheit der Begründung leben (etwa zwischen de jure
divino und de jure humano). Die Frage ist, ob diese letzten Endes für die
katholische Kirche annehmbar ist. Auch mit einer anderen Verschiedenheit
muß man wahrscheinlich leben, die 1974 von Bischof H. Ten-
humberg als eine mögliche Lösung angedeutet wurde: daß, wenn die
protestantischen Kirchen „den Fortbestand des biblisch bezeugten
Petrusamtes im Bischof von Rom" anerkennen, Rom darauf verzieh-