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Ausgabe: | 1983 |
Spalte: | 769-770 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Nembach, Ulrich |
Titel/Untertitel: | Keintzel, Raimar, Die Krisen der Partnerschaft 1983 |
Rezensent: | Nembach, Ulrich |
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Theologische Lilcraturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr.10
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Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß über die konfessionsverschiedenen
Ehen durchaus positiv gesprochen wird, „wenn beide
Ehepartner ihren religiösen Verpflichtungen nachkommen" (Z. 78).
Dagegen werden eine „Ehe auf Probe" oder freie Verbindungen ohne
zivile und kirchliche Eheschließung als „religiös irregulär" bezeichnet
, und es wird vom Papst noch einmal unterstrichen, daß die Kirche
wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zulassen
könne, denn dies „bewirkte bei den Gläubigen hinsichtlich der
Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung
" (Z. 84).
In seinem knappen Kommentar wird Franz Böcklean zwei Stellen
etwas ausführlicher. Einmal geht es um die Differenzen zur Enzyklika
„Humanae vitae" und die Frage, ob jeder einzelne eheliche Akt oder
die eheliche Liebe in ihrer Ganzheil auf die Zeugung von Nachkommen
gerichtet sein müsse. Dem Kommentator liegt daran zu zeigen,
wie die Entwicklung zur ganzheitlichen Betrachtung an Boden
gewinnt und damit auch den Theologen des Lehramtes wie den Priestern
weitere Klärungen aufgegeben sind. Der andere Punkt knüpft
daran an: wie weit reicht die Glaubenspflicht gegenüber den einzelnen
moralischen Aussägen des Papstes? Der Kommentator verweist auf
die (gewiß sehr vorsichtigen) Einschränkungen, die von der Fuldaer
Bischofskonferenz und der Würzburger Synode gemacht worden sind,
daß es nämlich grundsätzlich denkbar sei. daß ein Katholik in seiner
privaten Theorie und moralischen Piaxis von einer nicht unfehlbaren
Lehre des kirchlichen Amtes abweichen könne. Allerdings wird daran
deutlich, daß die katholische Kirche als „Lehrerin" auf diesem Gebiet
an die Grenzen ihres Anspruchs stößt.
Leipzig Joachim Wicbering
Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie
Keintzel, Reimar: Krisen der Partnerschaft. Der Weg zur Reife durch
Versöhnung oder Trennung. Mit einem Geleitwort von R. Leuen-
berger und juristische Beiträge von A. Fuchs u. H. H. Müller. Stuttgart
: Steinkopf 1981.302 S. 8 Kart. DM 32,-.
Der Autor, der schon mit mehreren Publikationen zu theologischen
und psychologischen Themen her orgetreten ist, legt nun ein in
mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Buch zu Krisen in der Partnerschaft
vor. Es verdankt seine Entstehung dem nicht alltäglichen
Lebens- und dem Arbeitsweg seines ulors-er lebte und arbeitete als
Theologe in Rumänien, der BRD Portugal, den USA und der
Schweiz, und der dabei praktizierten pluralen Sichtweite. Er bewegt
sich im Spannungsfcld zwischen Theologie und Psychologie, wobei er
juristische und psychotherapeutische Notwendigkeiten sorgfältig
beachtet. Zur Zeit arbeitet Keintzel 11 - Psychotherapeut und Eheberater
in Zürich.
Leucnberger bezeichnet in einem dem Buch vorangestellten Geleitwort
dessen Absicht, „ein verschwiegener Gesprächspartner (zu) werden
" (S. 11). Damit ist klar das eine Ziel benannt, den beiden Partnern
des jeweils betroffenen Paares zur Hille zu werden. Darüber hinaus
möchte Keintzel auch dem eventuell beteiligten Eheberater bzw.
Therapeuten helfen, und keineswegs zuletzt einen Beitrag zur aktuellen
wissenschaftlichen Diskussion leisten. Das gelingt Keintzel in
beachtenswerter Weise, indem er "I rennung wie Versöhnung einer
Partnerschaft als Krise begreift, die ZU einem Reifeprozeß Führen. Um
diese Reife geht es ihm letztlich.
Der Leser wird in diesen Prozeß dadurch miteinbezogen, daß der
Autor aufgrund seiner reichen Erfahrung den langen Weg in 7 Etappen
- zugleich die Kapitcleintcilung des Buches - von der Vorgeschichte
der Krise über die Krisen und ihre Ursachen, die Innenseite
der Krise, Hilfen zur Neuorientierung, heilsame Entscheidungen,
unheilvolle Entscheidungen bis zu Möglichkeiten der Hilfe führt.
Hinzugefügt mehr anhangweise, wenn auch als 8. Kapitel bezeichnet.
wird kurz skizziert das Ehe- und Scheidungsrecht in der Bundesrepublik
und der Schweiz. Die neueste Rechtsprechung des Verfassungsgerichts
der Bundesrepublik konnte nicht mehr eingearbeitet werden.
Sie muß einer evtl. Neuauflage überlassen bleiben. Diese sollte auch
die beiden anderen deutschsprachigen Länder, die DDR und Österreich
, mit einbeziehen.
Ausdrücklich besprochen seien: Keintzel geht es letztlich um Heilung
, wenn er von Reife spricht (vgl. S. 215ff u. ö.). Heilung bezeichnet
dabei nicht nur die Wiederherstellung der Ehe, sondern kann auch
deren Auflösung bedeuten. Das heißt aber nicht, daß Trennung oder
Versöhnung des Paares bei der Bewältigung der Krise in gleicher
Weise von dem Paar erlebt werden. „Das Gleichgewicht und das neue,
reifere Selbstwertgcfühl muß" - im Falle der Trennung - „erst durch
die Trauerarbeit hindurch wieder errungen werden. Dagegen kann
gelungenes Zusammenbleiben durchaus anders aussehen" (S. 217).
Nützlich ist bei der Hilfe bisweilen eher die Haltung eines Seelsorgers
als eines Therapeuten, „weil sie genau genommen jene Toleranz voraussetzt
, die eigentlich nur vom Glauben her echt erscheint"
(S. 216).
Eng damit hängt ein anderer Aspekt der Arbeit zusammen. Keintzel
bringt den christlichen Glauben und Freud miteinander ins
Gespräch, wie es nach meiner Kenntnis der Literatur bislang nicht
geschah. Beide durchziehen das ganze Buch. Dabei macht Keintzel
einen ähnlichen Reifeprozeß durch, wie er ihn für ein Paar in der
Krise beschreibt. Er ist stets mit Freud im Gespräch, er-innert sich
seiner. Beispielsweise geht die Darstellung der Trauerarbeit von
Freuds 1915 erschienenem Aufsatz über „Trauer und Melancholie"
aus, führt zur These, daß es das Wichtigste in der Trennungskrise ist,
auch als leer erlebte Traurigkeit als sinnvoll zu deuten, um dann zu
konstatieren: „Anleitung dafür kann Paulus viel besser geben als die
Psychoanalyse". Keintzel zitiert 2Kor 7.10 (S. 1540, obwohl andererseits
auch Freud um die Arbeit der Trauer weiß. Diese Exegese hat
ihre Basis darin, daß es Keintzel wie Paulus um den ganzen Menschen
geht. Deshalb gerät die Arbeit Keintzels nie zu einer vordergründigen
Legitimierung pastoralpsychologischen Vorgehens, sie erwächst aus
der Sache selbst.
Temperamentvoll wendet sich Keintzel gegen eine Relativierung
der Ehe bzw. des Eheversprechens bis zum Tode, für die C. G. Jung-
Schüler Guggenbühl eintritt (S. 97ff). Christen können ihren Mut zu
dem Versprechen von daher nehmen, daß sie ihrem Ja „mit Gottes
Hilfe" hinzufügen. Der Gegenthese Guggenbühls - sein Buch trägt
den Titel „Die Ehe ist tot - lang lebe die Ehe" -, die Ehe sei ein Weg
zum Heil im religiösen Sinn und zur Individuation, wird entgegengestellt
, daß hier ein System von angeblichen christlichen Idealen
gegen eine psychologische Ideologie eingetauscht werde. Der Grund
dalür sei das In-eins-Setzen von Erneuerung mit Emanzipation. Die
Folge seien neuc.Probleme. Diese bestehen darin, daß Selbstverwirklichung
dann als Ideal, Wert vor Liebe und Treue rangiere. Keintzel
scheint hier unausgesprochen einem Verständnis von Selbstverwirklichung
zu folgen, wie es etwa Bohren vorlegte, der übrigens nirgends
erwähnt wird. Unberücksichtigt bleiben die zahlreichen neueren Versuche
gerade auch nicht-christlich ansetzender Autoren, die Selbstverwirklichung
nur in bezugauf den anderen als möglich sehen.
Mit seiner Sprache gelingt es dem Autor, den fachlich interessierten
Leser wie den Betroffenen in gleicher Weise in seine Gedanken einzuführen
, mitzunehmen und ihm in der einen oder anderen Richtung zu
einer „Reife" zu verhelfen.
Göttingen Ulrich Ncmbuch
Clinebell. Howard: Wachsen und Hoffen, I. Theorie und Praxis der
wachstumsoricnticrtcn Beratung in Erziehung, Seelsorge und
psychischer Lebenshilfe. München: Kaiser 1982. 184 S. 8'. Kart.
DM 28,-.
Seitdem es eine weltweite Seclsorgebewcgung gibt, sieht sie sich mit
den gleichen Problemen konfrontiert wie die ökumenische Bewegung