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Ausgabe:

1983

Spalte:

748-749

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Halkin, François

Titel/Untertitel:

Le corpus athénien de Saint Pachôme 1983

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 10

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Im zweiten Teil seiner Untersuchung geht es dem Verfasser darum,
die apologetische Zielsetzung aufzuzeigen, die besonders bei den
Repräsentanten von religiösen Minderheiten sich mit der platonischaristotelischen
Unterordnungsethik verbunden hat. Eine stereotype
und undifferenzierte Kritik wandte sich gegen auswärtige Kulte (so
etwa gegen die Isismysterien) und beschuldigte sie der Unmoral, insbesondere
der Verkehrung häuslicher Ordnung (S. 65ff). Auch das
Judentum unterlag als östliche Religion dieser Kritik; so behauptete
Tacitus, daß Mose neue religiöse Praktiken, die allen anderen Religionen
entgegengesetzt waren, einführte und „die Juden alles für profan
halten, was wir als heilig verehren" (Tac, hist. V 4f). In dieser Konfrontation
befanden sich - meint der Verfasser - die hellenistischen
Juden Josephus und Philo, wenn sie feststellten, daß die jüdische Ordnung
des Hauses der römischen in allen Stücken entspreche und insbesondere
die Frau dem Mann sich unterordne (Jos, contra Ap. II 199;
vgl. Philo, de posterit. Caini 181). Das apologetische Interesse bei der
Adaption der klassischen Ethik bezeugt auch Dionysius von Halikar-
naß(l. Jh. v. Chr.), wenn dieser in seiner Lobrede auf Rom behauptet,
daß seit Romulus bei den Römern die Frauen sich in allen Dingen
dem Willen ihrer Ehemänner anzupassen haben (Ant Rom II 25,4-5).

Auf dieser Grundlage möchte der Verfasser auch der Haustafel des
1 Petr eine „apologetische Funktion" zusprechen, wobei insbesondere
zwischen der von Dionysius repräsentierten „römischen Aristokratie
" und den „Statthaltern" (1 Petr 2,14) eine Verbindungslinie gezo-
geq wird (S. 74). Ist in der Tat die „Haustafel" des IPetr auf dem
Hintergrund eines spezifischen sozial-politischen Hintergrundes, des
Konfliktes einer religiösen Minderheit mit der sie umgebenden
Gesellschaft zu sehen? Zweifellos wendet sich der 1 Petr an Gemeinden
, die Verfolgungen und Verleumdungen von Außenstehenden ausgesetzt
sind (vgl. 2,12; 3,16). Aber besagt dies, daß die „Haustafel" des
1 Petr im Blick auf solche Anfeindungen konzipiert ist? Hierzu mag
schon kritisch gefragt werden, ob die Bezeichnung „Haustafel" für den
1 Petr korrekt ist, da - anders als in Kol und Eph - nicht allein die
Situation des Hauses, sondern auch das Verhältnis der Gemeinde zum
Staat Gegenstand der Paränese ist (2,13-17). Darüber hinaus ist deutlich
, daß die vom Verfasser aufgezeigten Traditionen strukturell
unabhängig von den jeweiligen politischen und sozialen Situationen
durchgehalten werden, so daß die von ihm dargelegte apologetische
Tendenz schwerlich zur Substanz solcher Überlieferung gehört. Wie
sich aus IKor 14,34 ergibt, hat die paulinische Unterordnungsethik
ihren konkreten Bezugspunkt in den pneumatischen Äußerungen der
Gemeinde selbst, so sehr auch der Blick auf die Reaktion der Außenstehenden
die Mahnung zu wohlanständigem Verhalten im christlichen
Haus motivieren konnte und christliches Leben als immer wieder
gefordertes Zeugnis begreifen ließ. M. a. W.: Die neutestament-
liche Haustafelt, adition gilt zunächst innergemeindlichen Verhältnissen
; sie ist also - wie auch der Verfasser nicht gänzlich ausschließen
möchte - primär paränetisch ausgerichtet. Von hier aus wird der
Hauptthese dieser Untersuchung, daß die neutestamentliche Haustafelüberlieferung
apologetisch strukturiert sei, zu widersprechen
sein. Man hätte sich zur Unterbauung dieser These auch eine weitergehende
traditionsgeschichtliche Differenzierung gewünscht. So stellt
das Verhältnis der sozialethischen Pflichtenlehre des IPetr zu den
Haustafeln des Kol und Eph das Problem einer christlichen Zwischenschicht
, auf welche die jeweiligen Gemeinsamkeiten zurückzuführen
sind - ganz abgesehen von der zunehmenden Einflußnahme paulini-
scher Anschauungen, die sich für den IPetr nachweisen läßt und -
dem vorausgehend - des hellenistischen Judentums auf die frühchristliche
Haustafeltradition. Im übrigen ist die These von der Bedeutung
der griechischen Oikonomia-Überlieferung für die Entstehung und
Entwicklung der Haustafeltradition heute umfassender anerkannt, als
die Literaturnachweise des Verfassers erkennen lassen. Dennoch soll
ausdrücklich anerkannt werden, daß der Verfasser durch seine Untersuchung
diese These besonders eindringend begründet und durch
neues Material bestätigt hat.

Göttingen Georg Strecker

Dogmen- und Theologiegeschichte

Halkin. Francois: Le corpus Athenien de Saint Pachöme, avec une tra-
duetion francaise par A.-J. Festugiere. Geneve: Cramer 1982.
167 S. 4" = Cahiersd'orientalisme, II. Lw. sfr90.-.

Der durch ein reiches wissenschaftliches Oeuvre bekannte Bollandist
R. P. Francois Halkin, S. J.,1 hatte seine wissenschaftliche
Laufbahn mit einer Edition und Untersuchung der griechischen Viten
des Pachomios, des Begründers des koinobitischen Mönchtums,
begonnen.2 Als diese Arbeit bereits abgeschlossen war, wies ihn Albert
Ehrhard noch auf die Überlieferung im Cod'. Athen. 1015, s. X oder
X-XI, hin3. Das damalige Versprechen Halkins, das Athenische Corpus
zu edieren4, ist jetzt erfüllt5. Die Handschrift enthält 1. die Vita
prima (Bibl. Hag. Graec. 1396a), 2. die Paralipomena (BHG 1399a),
3. die Revelatio angelica (BHG 1399z), 4. den Ammoniosbrief (BHG
1397). Die Nrr. 1 und 2 hatte Halkin seinerzeit nach dem Cod. Laur.
XI9, a. 1021, und dem Cod. Ambros. D 69 sup. (olim N 141), s. XIV,
ediert (BHG 1396 und 1399), die Nr. 4 nach dem Cod. LaurA Die
Textunterschiede zwischen den beiden Corpora, dem Florentiner und
dem Athener, sind beträchtlich. Liegt uns die Vita prima im Cod.
Laur. in einer älteren Redaktion vor, die voller Fehler und Vulgarismen
steckt und die vor allem eine von Kap. 31-43 reichende Lücke
hat, so bietet der Cod. Athen, eine Überarbeitung «ä ameliorer le style
sans toucher au fond du recit»7, hat den vollständigen Text der
Kapp. 31-43, ist aber am Beginn mutiliert. Man muß also beide
Redaktionen zur Hand haben, um die älteste griechische Überlieferung
erheben zu können. Das gilt auch für die Paralipomena. Hier
haben beide Überlieferungen eine stark voneinander abweichende
Anordnung einiger Paragraphen. Der Cod. Athen, enthält außerdem
in § 27.28 eine größere Lücke. Zudem ist nach der Meinung von
Festugiere der Text des Cod. Laur. stellenweise kompletter und lebendiger8
. Da Halkin schon für seine erste Edition dieser beiden Texte
auch den Cod. Ambros. D 69 sup., eine dem Cod. Athen. 1015 verwandte
Tradition verwendet hatte, ist die durch das Athener Corpus
überlieferte Redaktion nicht in allem bis jetzt unbekannt gewesen
Interessant ist das Problem des Adressaten des Ammoniosbriefes. Dieser
Brief war bislang nur im Cod. Laur. bekannt. Hier fehlt eine Anrede
, doch nennt das Antwortschreiben (§ 37 = Subs. hag. 19, p. 121)
eindeutig den Namen Theophilos. Im Cod. Athen, nun heißt es in der
Adresse npöt; xiva Oecxpüij. Halkin faßt das als Adjektiv: «< ami de
Dieu». II ne s'agit doric pas necessairement de Theophile, archeveque
d'Alexandrie, comme on l'a cru trop souvent, mais sans doute d'un
eveque >. Die Deutung im Sinne eines Adjektivs wird dadurch gestützt
, daß der Adressat im ersten Satz des Briefes laut Cod. Athen,
noch einmal &EO(piX£oxax£ angeredet wird. Leider fehlt in dieser
Handschrift sowohl das Ende des Briefes als auch die Antwort, so daß
die Frage, ob der Adressat nun Theophilos hieß oder ob es sich um
einen ungenannten Bischof handelte, nicht eindeutig entschieden werden
kann. BHG 1399z schließlich ist nur im Cod. Athen. 1015 überliefert
. Doch handelt es sich um ein wenig originelles Stück, nämlich
nur um Kap. 32 bis 34 der Historia Lausiaca, wobei die Handschrift
im Beginn noch eine größere Lücke hat10.

Mit den Texten BHG 1396a, 1397 und 1399a enthält das Athener
Corpus die wertvollsten Stücke der griechischen Pachomiosüberlicfe-
rung. Halkin charakterisierte diese Überlieferung seinerzeit wohl zu
positiv, wenn er sagte: «La Vita Prima semble bien remonter
jusqu'aux disciples immediats du fondateur; peut-etre meine faut-il
reconnaitre dans ce venerable document la toute prerriiere biographie
de S. Pachöme, redigee, comme l'atteste une Vie copte, par les < frercs
interpretes > de la colonie grecque ou alexandrine de Pabau. L'Epitre
d'Ammon a toute l'autorite d'un recit de temoin oculaire ou auricu-
laire immediat. Les Paralipomenes presentent moins de garanties
d'historicite; cependant ils ne doivent pas etre posterieurs de beau-
coup ä la fin du IVC siede»". Die Vita prima verwertet koptisches Material
. Dieses wiederum enthält sicher originäre Informationen12.