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Ausgabe:

1983

Spalte:

728-730

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lang, Bernhard

Titel/Untertitel:

Ezechiel 1983

Rezensent:

Niemann, Hermann Michael

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 10

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(ebd.) Mit „peripheral prophecy" ist hier wohl im soziologischen
Sinne, entsprechend der griechischen Wurzel peripheru „umhertragen
" ein nicht ortsbeständiges, mobiles Wirken des Gottesmannes
gegenüber dem ortsbeständigen städtischen Seher („resident urban")
gemeint.

Der mit diesen Feststellungen beschrittene Weg wird fortgesetzt in
Chapter Four: Two Role Labels - hözeh and näbV - and one Role
(51-69). Diese beiden Begriffe bezeichnen Propheten, die sich gegenüber
dem rö 'eh und 'islhaj'elohim durch eine „central morality prophecy
" auszeichnen. Unterschieden werden sie dadurch, daß der
Begriff höseh eher von Männern aus dem judäischen Bereich verwendet
wird (Am 7,12; Mi 3,7; Jes28,15; 29,10; 30,10), während
dort der Begriff nabi' eher in kritischem Ton Anwendung findet.
Demgegenüber ist nabi' im Nordreich Israel als eigentliche Bezeichnung
für die Propheten gebraucht worden, wohingegen höseh hier
fehlt.

In Chapter Five: Distinguishing between the hözeh and the nabi
(70-88) versucht der Autor, die Unterschiede zwischen den beiden
Teilen Israels soziologisch und literarhistorisch noch weiter herauszustellen
, um damit die Unterschiede in der Begrifflichkeit für die inspirierten
Männer zu untermauern. Danach war dann der Seher orientiert
an der monarchisch konzipierten David-Zions-Theologie, während
unter den Stämmen des Nordreiches die Bundestheologie vorherrschte
. In Juda galt der Seher als Verkünder der Entscheidungen
des göttlichen Thronrats, in Israel ist der Prophet der „covenant
spokesman" (83), der an die Bundespflichten zu erinnern hat.

Chapter Six: The Study of Prophetic Roles (Further Issues) (89-97)
schließt den Gedankengang ab, in dem A. Role Skills (89), B. Role
Expectation (93), C. Complex Role Phenomena (95), d. h. die Probleme
zwischen und innerhalb der einzelnen Rollen untersucht werden
. Damit ist die Belastung gemeint, die auf die Rollen von außen her
zukommt, aber auch die. welche in ihnen selbst liegt („interrole" und
„intrarole conflict", 96).

Chapter Seven: Conclusions (98-99) faßt noch einmal den gesamten
erarbeiteten Stoff zusammen. Notes (100-119), Selected Biblio-
graphy (120-124) und Indices of Authors (125-127), of Biblical Pas-
sages (128-131) bereiten alles für einen guten Gebrauch auf und
machen dieses Buch zu einem handhabbaren Arbeitsinstrument.

Es kann nicht geleugnet werden, daß der Autoreine Reihe von ganz
neuen Aspekten beigetragen hat, die er auch geschickt begründet.
Dem jedoch, der den Stoff im einzelnen nachprüft, werden an dieser
oder jener Stelle berechtigte Zweifel aufkommen, ob die hier geübte
Interpretation zu solchen klaren und griffigen Folgerungen berechtigt.
Sie beruhen teilweise auf recht schmaler Textbasis, die auch nicht
immer so ganz eindeutig ist. Das alttestamentliche Prophetentum ist
eine doch sachlich und in ihrer historischen Entfaltung zu vielschichtige
und komplexe Größe, die nicht in ein so zwanglos selbstverständlich
wirkendes System eingepaßt werden kann. Die soziologische
Komponente ist dabei freilich nicht zu übersehen, aber ob sie das Prophetentum
so eindeutig zu klären in der Lage ist, wie es hier erscheint,
ist doch zu bezweifeln. Dennoch sei dem Autor für seine durchaus originellen
und weiterführenden Erkenntnisse gedankt. Die fernere Diskussion
, die tunlichst an den hier vorgetragenen Ergebnissen nicht vorübergehen
sollte, wird die Tragfähigkeit der Resultate zu prüfen haben.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Weippert, Helga: Schöpfer des Himmels und der Erde. Ein Beitrag zur
Theologie des Jeremiabuches. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk
1981. 111 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien, 102. Kart. DM 21,80.

Die Autorin meldet sich, nachdem sie schon an anderen Stellen in
die Diskussion um den Urbestand des Jeremiabuches eingegriffen hat,
mit einem anderen Thema zum gleichen Stoff zu Worte. Es geht hier
um die Aussage des Propheten und seiner Schüler über Gottes Schöpfungswerk
. W. bemüht sich um eine Integration der Schöpfungsaussage
in die Aussage von Gott als dem Herrn der Geschichte schon im
Jeremiabuch, nicht, wie nach G. von Rad weithin angenommen wird,
erst bei Deuterojesaja. Nachdem Vfh. ihre Grundposition über die
Zeitgeschichte und das geistesgeschichtliche Profil des Jeremiabuches
in L Einleitung (11-16) vorgetragen hat, nimmt sie die Differenzierung
in H. Jahwe als Schöpfer und Bundesgott (17-63) und III. Jahwe
als Schöpfer der Welt und Herr der Weltgeschichte (65-86) vor, was in
einer IV. Zusammenfassung (87-90) noch einmal resümiert wird. Ein

V. Exkurs I: „Eide, Zusagen", s'bu'öt, in Jer5,24 (91-94), sowie ein

VI. Exkurs II: Jer 32,36^11 und Jer 31,31-34. Variationen zu einem
Thema (95-102) bringen dann noch sprachliche Einzelbeobachtungen
vor. Ein Abkürzungsverzeichnis (103), Literaturverzeichnis
(105-109) und ein Verzeichnis der ausführlich behandelten Texte des
Jeremiabuches (111) schließen den Band ab.

Schon in ihrer Baseler Dissertation, Die Prosareden des Jeremiabuches
(veröffentlicht in BZAW 132, 1973; bespr. ThLZ 102, 1977
Sp. 254-56), steht Vfn. recht konservativ dem Text des Jeremiabuches
gegenüber; sie hat somit einen erheblich weiteren Spielraum für die
Argumentation ihrer These vom Schöpfergott Jahwe als jene, die den
Prosatext recht kritisch sichten oder dem Propheten gar gänzlich
absprechen. So werden als jeremianisch zu Grunde gelegt: 2,13;
4,23-28; 5,21-25; 14,19-22; 18,1-12; 27,5f; 31,31-34.35-37;
32,27.38-40, während 10,2-10.12-16; 32,17.36-41; 33,1-3.
19-22.23-26 als nachjeremianisch (exilisch oder nachexilisch) behandelt
werden.

Im wesentlichen geht es der Autorin darum, Jahwe als den (11.) Bundesgott
, als Schöpfergott gegenüber anderen Göttern (26), als Schöpfergott
und Erhalter des Volkes, der Dynastie und der Leviten (37), als
Gott des Chaosgerichts und der Neuschöpfung (49), den des Bundes
und der Schöpfung (56) darzustellen, den Gott, der seinem Volk die
Existenz im geschenkten Lande gewährt und damit der Geber aller
Güter des Landes ist (gewissermaßen ein Baal). Jenem zur Seite steht
Jahwe als der Schöpfer und Herr der ganzen Weltgeschichte (III.), der
seinem Volke über die Katastrophen der Unterwerfung unter fremde
Mächte hinweg die Zukunft gewähren kann, da er eben der Herr der
ganzen Welt ist. Beide Vorstellungen gehen ineinander über. Während
die erste Vorstellung schon vorjeremianisch ist, wird die andere
als eine jeremianische Schöpfung angesehen.

Eine recht scharfsinnige Arbeit, die jedoch voraussetzt, daß man die
literarischen Grundlagen der Autorin teilt, um ihr folgen zu können.
Über die Substanz des Jeremiabuches ist das letzte Wort noch nicht
gesprochen. Danach aber wird zu urteilen sein, was von allem dem
Propheten zuzusprechen sein wird, und was als geistiges Eigentum
Späterer einzuschätzen ist.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Lang, Bernhard: Ezechiel. Der Prophet und das Buch. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1981. IX, 184 S. 8° = Erträge der
Forschung, 153. Kart. DM 39,50.

L. ist durch seine Freiburger Habil.-Schrift (vgl. ThLZ 105, 1980
Sp. 740f) speziell für Ezechiel (= Ez) ausgewiesen. Innerhalb einer nur
noch schwer überschaubaren Ez-Forschung und nach dem imposanten
Kommentar Zimmeriis, dem er sich verpflichtet fühlt, hat er neue
Akzente gesetzt. Sieht Zimmerli Ez „vor allem als theoretischen Denker
", erkennt L. ihn „darüber hinaus" als einen, der „den Gang der
Politik zu beeinflussen suchte" (S. VII).

Im I. Kap. des Forschungsberichts („Die Entstehung des Buches",
S. 1-31) werden zunächst „gemäßigte Positionen" vorgeführt, beginnend
mit J. Herrmann, die einen Redaktor schon von Ez selbst
bearbeitete Stücke nach dessen Tod sammeln, redigieren, ordnen und
zusammenfügen sehen. Hierher gehören mit Unterschieden u.a.
Fohrer, Graf Reventlow und L. selbst. G. Hölscher erscheint als früher
Repräsentant für „radikale Positionen", die Ez vieles zugunsten
von Überarbeitern absprechen (ähnlich u. a. J. Becker, S. Herrmann.