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1983

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

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ein neues Verständnis von Offenbarung an, das in die Bestimmungen
der Dogmatischen Konstitution „Dei Verbum" eingegangen ist und
von Seckler als „Modell der realen Selbstmitteilung Gottes" (225)
bezeichnet wird. Gott teilt nicht etwas mit, sondern sich selbst und
eröffnet damit eine Weise von Gemeinschaft, die auf freier und personhafter
Verbindung des Menschen mit Gott beruht und nicht auf
Unterwerfung unter übernatürliche Wahrheiten. Damit hat Seckler
eine Problemlage umrissen, die für das ökumenische Gespräch weitreichende
produktive Folgen haben kann.

Im letzten Beitrag des Bandes („Perspektiven eines messianischen
Christusglaubens") versucht H.-J. Kraus am Leitfaden des Begriffs
vom „Kommen Gottes" Defizite der bisherigen Christologie zu
benennen und aufzuarbeiten. Ausgehend von dem „unlösbaren und
nicht problematisierbaren Zusammenhang" des Christusgeschehens
mit den heiligen Schriften Israels (241) sieht Kraus im Christusereignis
wohl das Ziel, nicht aber das Ende der Gottesgeschichte erreicht
(243f). Dieses Urteil, verstanden als kritisches Korrektiv gegenüber
bestimmten Ausformungen von Christologie (vgl. 2380, müßte
allerdings so begründet und ausgearbeitet werden, daß das grundsätzlich
Neue des Christusereignisses und damit also die qualitative Differenz
von Altem (Testament) und Neuem (Testament) zur Sprache
käme. Der wenig glückliche Begriff eines „messianischen Christusglaubens
" scheint aber die Schärfe gerade dieses Problems mehr zu
verdecken als bewußt zu machen (cf. 251 f).

Der Reichtum der historisch orientierten Abhandlungen des
großen Mittelteils kann hier auch nicht annähernd gewürdigt werden.
Die Untersuchungen stellen jedenfalls eine Fundgrube an Gelehrsamkeit
dar und tragen mit ihrer historischen Perspektive in besonderer
Weise zum Verständnis der jüdischen Frömmigkeitsgeschichte bei.
Insgesamt dokumentiert dieser gehaltvolle Band sehr eindrücklich
den augenblicklichen Stand des notwendigen Dialogs zwischen Juden
und Christen, der sich aber immer noch im mühevollen Stadium des
Anfangs befindet.

Hamburg Hermann Fischer

Bozzi, Rodolfo: Tecnicaefilosofiadel diritto(Gr. 64,1983 S. 25-51).
Garcia Alvarez, Jaime: Cultura, filosofia y fe cristiana (RAE 23, 1982
S. 69-93).

Moioli, Giovanni: I mistici c la teologia spirituale (Teologia VII, 1982
S. 127-143).

Möllmann, Elisabeth u. Jürgen: Becoming human in new Community
(CThMi9, 1982 S. 259-270).

Rössler. Dietrich: Religion vom Katheder. Evangelische Theologie an der
Universität (EK 16,1983 S. 312-314).

Serentha, Mario: Teologia „dogmatica": una qualifica ancora adeguata?
(Teologia VII, 1982 S. 272-308).

Systematische Theologie: Dogmatik

Ratschow, Carl-Heinz: Jesus Christus. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1982. 284 S. 8* = Handbuch Systematischer
Theologie, 5. Kart. DM 54,-.

Mit besonderer Erwartung wendet man sich diesem 1982 erschienenen
5. Band des HST zu, ist doch sein Inhalt - Christologie - gut
geeignet, die Gesamtkonzeption des Handbuches zu erweisen und zu
bewähren. Dazu kommt, daß der Herausgeber des HST selbst der
Autor dieses Bandes ist. Bekanntlich liegt dem Handbuch folgende
Arbeitshypothese zugrunde: „Man muß ... annehmen, daß sich nach
v'er Jahrhunderten seit der Reformation der christliche Glaube im
Widerschein der eigentümlich neuzeitlichen Beleuchtung ebenso
andersartig darstellt und versteht, wie sich der denkerische Ausdruck
unter den Bedingungen, die das moderne Denken setzte, verändert
nat." (13) Das Handbuch will sich auf die Veränderungen des „denkerischen
Ausdrucks" (= Systematische Theologie) konzentrieren. Gelegentlich
soll auch der „Schluß auf den Glauben selbst" gezogen
werden. (Man wird gerade darin ein interessantes Spezifikum dieses
HST im Unterschied zu anderen ähnlichen Unternehmungen sehen
können.) Um darzustellen, „ob und wie sich der theologische Ausdruck
des evangelischen Glaubens vom 16. zum 20. Jahrhundert verändert
hat", wird für alle Bände des Handbuches folgendes dreiteiliges
Verfahren angewendet:

Zuerst wird jeweils die reformatorische Position erhoben, und zwar
im Blick auf Luther, Melanchthon und Calvin. Dabei soll der Gesichtspunkt
des Vergleichs mit der Theologie des 20. Jahrhunderts
leitend sein. Daraus ergeben sich verständlicherweise Beschränkungen
. Sie sehen so aus, daß jeweils das Spätwerk der Reformatoren herangezogen
wird (Einzelheiten zur Christologie s. u.). Hier kann natürlich
die Frage aufkommen, warum die Bekenntnisschriften grundsätzlich
keine Berücksichtigung finden (einzelne Verweise erfolgen
allerdings), zumal das Prinzip der Bekenntnisbindung am Anfang der
allen Bänden gleichlautend vorausgestellten Einleitung (aus der bisher
zitiert wurde) erwähnt wird. Vielleicht ist auch hier der Gesichtspunkt
der Vergleichsfähigkeit ausschlaggebend gewesen, denn die zweite
Position, die im Handbuch folgt, ist der „modernen evangelischen
Theologie" (15) gewidmet.

Die auch hier notwendige Beschränkung ergibt folgende Auswahl:
Althaus, Tillich, Barth (gelegentlich ergänzt durch Eiert und Otto
Weber). Natürlich ließen sich auch hier Ergänzungswünsche anmelden
; aber man wird dem Handbuch gewiß nicht gerecht, wenn man
nicht bereit ist, seine Konzeption als Arbeitsgrundlage zunächst einmal
zu akzeptieren1.

Dazu gehört als dritte Position die Verbindung der beiden vorausgegangenen
in folgenden Schritten: 1. Aufweis der Verschiedenheiten -
2. Erklärungsversuch der Veränderungen - 3. Berücksichtigung von
Tendenzen theol. Neuorientierung, die anders als die zur Darstellung
gekommenen Dogmatiken verlaufen. Das Selbstverständnis des HST
wird diesem Aufbau entsprechend als „Hilfsarbeit für das dogmatische
Denken" beschrieben, der Gedanke an eine „Super-Dogma-
tik"( 16) abgelehnt.

Der Eigenmeinung der Verfasser zur Sache soll im Handbuch nur
„indirekt" Raum gegeben werden. Das schmälert freilich in keiner
Weise ihre Leistung, bringt aber wohl auf zurückhaltende Weise auch
zum Ausdruck, was für Handbuch-, Lexikon- und vergleichbare
Arbeit gilt, nämlich einen gewissen Grad von Entsagung. Dennoch
bleibt (jedenfalls im HST) genug erkennbare Eigenständigkeit. Das
zeigt auf seine Weise auch der Christologie-Band, auf den wir jetzt
näher eingehen wollen. Allein schon der (m. E.) gelungene Versuch,
im Teil A (Die refbrmatorische Christologie) auf 17 Seiten Luthers
Position darzustellen, verdient höchsten Respekt. Es wurde schon
angemerkt, daß für die Reformatoren jeweils das Spätwerk herangezogen
werden soll, für Luther bedeutet das laut Einleitung die Disputationen
von WA 30 I.II (gelegentlich wird dieser Rahmen überschritten
). Ratschow sieht in Luthers Betonung der Personeinheit den zentralen
Gesichtspunkt seiner christologischen Überlegungen (23).
Daher kann man Luther nicht für eine theologia ab imo in Anspruch
nehmen; vielmehr ergibt sich die Bedeutung der Lehre von der com-
municatio idiomatum als Konsequenz im Sinne einer „Klarstellung
und Sicherung der Personeinheit" (24). Welche Spannungen die Christologie
Luthers enthält, wird deutlich, wenn Ratschow gemäß Luther
einerseits von Einssein Gottes und Christi spricht, andererseits aber
das Verhältnis von „gebietendem Gott und gehorsamem Sohn"
bedacht sieht (33), wobei ausdrücklich angemerkt wird, letzteres sei
keine Kritik Luthers an der Zwei-Naturen-Lehre, sondern erkläre sich
im Zusammenhang der konkreten Rede vom „inkarnierten Dasein"
Jesu Christi. Dem Thema „Konkrete und abstrakte Aussagen in der
Christologie"2 geht Ratschow ebenso nach wie dem Verhältnis von
„Christologie und Soteriologie" (hier u. a. das Problem „Einheit des
Glaubens mit seinem Gegenstand" [29fJ) sowie der christologischen
Frage nach den Gesetzeswerken (31 IT). Abschließend zu Luther geht