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Ausgabe:

1983

Spalte:

685-687

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Whittaker, John H.

Titel/Untertitel:

Matters of faith and matters of principle 1983

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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685

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

686

Whittaker, John H.: Matters of Faith and Matters of Principle. Reli-
gious Truth Claims an Their Logic. San Antonio: Trinity Univer-
sity Press 1981. X, 173 S. 8' = Trinity University Monograph Series
in Religion, 6. Lw. $ 12.-.

Whittaker ist amerikanischer Theologieprofessor, Direktor des
„Programmes" für Religiöse Studien an der Lousiana State University
. Sein Buch ist eine Art Apologie für Religion überhaupt. Er verteidigt
die religiösen Glaubensüberzeugungen als Lebenswahrheiten im
Unterschied zu theoretisch-philosophischen Spekulationen, unterstreicht
das existentielle Moment an ihnen und sieht sie als Richtlinien
für unser Leben und Fertigwerden mit den im weitesten Sinne ethischen
Fragen. Doch verwahrt er sich gegen den Vorwurf des Pragmatischen,
dem entgegen er die Dimension des Ontologischen, beispielsweise an
der Frage nach der Existenz Gottes, verteidigt. - Es sei über die sechs
Essays dieses Buches noch einiges im einzelnen referiert:

L On Certainty, Faith, and Doubl. Der religiös glaubende Mensch,
der mit den Zweifeln und Forderungen des Nichtglaubenden konfrontiert
ist, nimmt eine Stellung ein analog zu derjenigen eines gewöhnlichen
, im alltäglichen Leben .Glaubenden', der mit dem philosophischen
Skeptizismus konfrontiert wird (S. 9). Das führt W. zu einer
ausführlichen Auseinandersetzung mit dem philosophischen Skeptizismus
. W. führt eine Reihe von Beispielen an, wo Aussagen aus der
Evidenz wahr sind (Moores Beispiel: daß er zwei Hände hat) oder als
historische Fakten unzweifelbar sind. Aber der spekulative philosophische
Skeptizismus hinterfragt jedes bloße Bewußtsein, etwas sicher
zu wissen. „Der einzige Weg, dem Skeptiker zu antworten, ist, zu zeigen
, daß der Zweifel manchmal völlig unangebracht ist, daß es
keinerlei Sinn gibt, gewisse Dinge zu bezweifeln" (S. 12). Auch Wittgenstein
, der kein Skeptiker war, versuchte zu zeigen, daß der Zweifel
oft keinerlei Sinn gibt. Er nannte Glauben - im Alltäglichen, com-
monsensical belief - certainties und unterschied diese von knowledge
(S. 130. - Religiöser Glaube ist freilich nicht mit den axiomatischen
Gewißheiten des Alltäglichen (wie daß der Mensch einen Körper hat)
einfach gleichzusetzen, ist aber mit diesen doch insofern vergleichbar,
als sie beide eine Beziehung zur Lebenspraxis haben (S. 29) und das
existentielle Denken bestimmen (S. 31). Religiöse Behauptungen
ähneln certainties, ohne gewiß zu sein, sie spielen eine axiomatische
Rolle, ohne fraglos zuverlässig zu sein (S. 31). W. ordnet sie in eine
besondere Klasse ein, in die von principles. Zu diesen im folgenden.

II. Matters of Faith and Malters of Principle. W. gibt eine Übersicht
über das, was er principles nennt. Beispielsweise ist der Grundsatz,
daß die Natur in allen ihren Wegen ,uniform' (einheitlich) ist, die Einheitlichkeitsvoraussetzung
der Induktion. Dies kann nicht streng, im
Einzelfall, bewiesen werden, aber ist doch "a regulative ideal of scientific
inquiry" (S. 44). Ganz in Analogie hierzu sieht W. den Schöpfungsglauben
, "the doctrine of divine creation" (S. 66). Er verbürgt
die Sinnhaftigkeit der Welt und aller Einzelschicksale und ist eine Art
teleologischen Gegenstücks zum „Glauben" an die Uniformität bzw.
Gesetzmäßigkeit der Natur. Weitere Beispiele für principles sind u. a.
Psychologische oder ökonomische Theorien, die die Verhaltensweisen
der Menschen auf einheitliche Muster bringen, aber bestreitbar
sind. - Principles sind wie „Linsen", die die Dinge in eine
bestimmte Optik bringen, beispielsweise daß der Mensch einen freien
Willen hat oder daß Menschen unveräußerliche Rechte haben
(S. 57f). Derselben Kategorie angehörig sind religiöse Glaubensüberzeugungen
. Sie heben unser Verstehen der Welt, des Menschen und
unserer selbst (Endlichkeit, Schicksal, Tod und Leiden) äuf eine
höhere Dimension.

"I. Predestination as a Typically Religious Belief. Der Glaube an
eine göttliche Prädestination zum Heil wie zum Unheil wird, in An-
'ehnung an Luther, als ein Beispiel dafür herausgestellt, daß es bei
Glaubensüberzeugungen ganz auf eine bestimmte Tendenz, auf einen
Point oder focus ankommt, außerhalb dessen rein theoretische Konsequenzen
, die an sich logisch zwingend sind, nicht gezogen werden dürfen
. Als metaphysische Theorie oder „Hypothese" führt der Prädestinationsglaube
auf absurde Konsequenzen, stellt sich jedenfalls als
schreckliche und drohende Lehre wie über einen grausamen Gott dar.
Aber für Luther war er Trost und Evangelium. Es kommt darauf an,
seine Rolle als ein religiöses Prinzip zu verstehen: Vergewisserung
darüber, daß es nicht auf menschliche Leistung ankommt, nicht
darauf, daß der Mensch aus sich heraus etwas aus sich macht.

IV. Are Religious Beliefs Truth Claims? Was ist es mit dem Wahrheitsanspruch
religiöser Aussagen? W. führt ein Doppeltes vor.
Einerseits, daß religiöse Aussagen subjektiv sind und daß ihnen Interpretationen
der Wirklichkeit zugrunde liegen (wie Vorsehung in der
Geschichte), wie solche vom Nichtglaubenden nicht geteilt werden.
Andererseits verficht W. die These: daß es hierzu Analogien auch im
nicht-religiösen Bereich gibt und daß man kaum etwas gelten lassen
kann, wenn man die Kriterien der Positivisten wie empirische Verifi-
zierbarkeit zugrunde legt. Es gibt unbezweifelbare Aussagen, die doch
nur indirekt und durch gedankliche Ableitungen erhärtet werden können
wie die Aussage, daß die Welt eine Vergangenheit hat oder daß
allem Geschehen eine natürliche Ursache zugrunde liegt. In Analogie
zu derartigen grundsätzlichen Behauptungen sieht W. die Aussage,
daß Gott existiert - als zwar nicht objektiv beweisbar, aber doch
wahr hinsichtlich dessen, daß dies unserem Leben eine „teleologische
Rationalität" (S. 121) gibt. Ebenso komme es beim Glauben an eine
Unsterblichkeit der Seele nicht auf das "brüte fact", die Aussage im
wörtlichen Sinne, an, sondern auf das Generelle, auf denjenigen
Aspekt ("its very point") dieser Doktrin, daß es etwas unsere finite
und scheinbar sinnlose Existenz Transzendierendes gibt. Aber das
nähert sich nun doch sehr dem Pragmatischen. Hat eine Aussage
keinerlei Tragweite, dann ist sie abzuweisen, ebenfalls da, wo rein subjektive
Faktoren, bloßes Wunschdenken, offenkundig sind.

V. The Problem of Juslißcalion. In diesem Essay grenzt sich W. nun
doch stark vom Pragmatismus ab. "Useful beliefs can be false"
(S. 131). Nützlichkeit ist kein Kriterium der Wahrheit. "The purely
practical effects . .. do not profe anything" (S. 133). Aber ein Beispiel
wie der Glaube an die Unfehlbarkeit des Papstes zwingt doch zu
Unterscheidungen. Nicht alle religiösen Aussagen zielen auf die
objektiv uns umgebende Welt. Manche sind ihrem Wesen nach pragmatisch
. Oder ist die religiöse Sphäre eine Sondersphäre, wo die Intuition
oder ein besonderer Sinn für religiöse Wahrheit oder Erfahrungen
von Offenbarungen für die Wahrheit bürgen? (S. 135) „Das Problem
ist unlösbar, wenn man einen Beweis für eine einzelne religiöse Einsicht
erwartet, aber es besteht kein Grund, die generelle Möglichkeit
zu leugnen, daß jemandes Verständnis durch die Annahme religiöser
Prinzipien wächst." (S. 135) Religiöse Prinzipien sind als vernünftig
ausweisbar „allein in dem Sinne, daß sie passend oder einwandfrei
behauptet werden können" (S. 142). Natürlich können sie Täuschungen
sein. Aber die bloße Möglichkeit des Irrtums berechtigt nicht zur
grundsätzlichen Skepsis.

VI. The Exclusiveness of Religious Conviction. Religiöse Überzeugungen
sind keine rein theoretischen Aussagesysteme, wo eines das
andere, wenn es entgegengesetzte Aussagen macht, ausschließt. Religiöse
Überzeugungen stehen derart im Kontext existentiellen Erlebens
sowie eines Vorverständnisses hinsichtlich des Laufes der Welt,
daß sie oftmals, von Religion zu Religion, kaum miteinander zu vergleichen
sind. Der logische Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist auf
den Religionsvergleich kaum anzuwenden, weil These wie Antithese
meistens nicht dasselbe sagen bzw. bestreiten. Der abstrakte Religionsvergleich
ist auch für den normalen Glaubenden abwegig, um
der Wahrheit seiner Überzeugungen gewiß zu werden. W. fuhrt in
diesem Zusammenhang weitgehend die Analogie zwischen Glaube
und ehelicher Liebe durch, um die besondere Eigenart dgs Glaubens
gegenüber dem abstrakt theoretischen Denken abzugrenzen. "Principles
" im Sinne von Glaubensüberzeugungen sind keine "hypo-
theses". „Die fremden Glaubensüberzeugungen anderer religiöser
Kulturen brauchen weder bekräftigt noch abgewiesen zu werden; oftmals
können sie schlicht ignoriert werden." (S. 150) „Jemand, der
liebt, braucht nicht jede andere Person, die er lieben könnte, vor sei-