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1983

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

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weilen sind die gewählten Titel auch irreführend-: 1,6 ist eigentlich keine
.Ermanschrift an die andern prediger', und der Brief an Theobald Nigri (1,7)
kann, selbst wenn gleich oder ähnlich lautende Briefe an die anderen Prediger
gegangen sind, nicht .Etliche Schrifften' genannt werden. Ganz allgemein ist
auch die Bezeichnung ,Der Prediger Supplication an den Rat' (II, 11), bei der es
sich um eine nähere und nicht falsch zu deutende Erklärung des ersten Gutachtens
der Predigergegen das Interim handelt.

Für die Bearbeitung gerade dieses Bandes konnte glücklicherweise -
unterstützt von H. J. Rott und M. de Kroon - Werner Bellardi gewonnen
werden, der sich schon früher intensiv mit den Texten befaßt hat.
Von ihm stammt ja nicht nur die grundlegende Arbeit zu der christlichen
Gemeinschaft', sondern auch wesentliche Beiträge zur Auseinandersetzung
mit den ,Epikuräern' und dem Interim in Straßburg.
Seine Einleitungen sind knapp und informativ, besonders gelungen
die konzisen Gesamteinleitungen zu den beiden handschriftlichen
Komplexen.

Unklar bleibt die Verwendung der Kursive in den Einleitungen, die an keiner
Stelle unbedingt erforderlich wäre. Ganz unbefriedigend sind die Angaben zur
Überlieferung. Schon deren unterschiedliche Siglengebung wirkt irritierend.
Die zur Bezeichnung gewählten Buchstaben A, B, C usw. beziehen sich
üblicherweise, und so gelegentlich auch hier (vgl. S. 208; 246 u. ö), auf Alter
und Abhängigkeit der Überlieferung. Um so erstaunter ist man, wenn man erst
genauer Lektüre entnehmen muß, daß bei II, 10 die Überlieferung A und D Abschriften
von E darstellen (S. 484). Dabei bezeichnet hier das E allerdings die
Art der Überlieferung, nämlich einen unvollständigen Entwurf Bucers. Ungut
ist aber auch, daß hier mit dem Siglum K ganz verschiedene Schriftstücke als
.Kurzfassungen' verbunden und mit dem ,großen Gutachten' zusammengebracht
werden. Denn bei K handelt es sich um eine Kurzfassung, deren Zweck
nicht ganz geklärt wird, bei Ke und Kr (e = Entwurf, r= Reinschrift) aber handelt
es sich um ein ganz anderes Schriftstück (11,11!), das auch keineswegs eine
vom Rat verlangte .Kurzfassung' (S. 482), sondern eine genauere Erklärung der
Prediger darstellt. An anderen Stellen bezeichnen die Siglen nicht die Überlieferungsform
, sondern den heutigen Aufbewahrungsort der Handschrift (L = Leipzig
, S. 469; C = Cambridge, S. 423) oder etwa den Schreiber (S = Söll, S. 423).
Gelegentlich wird auch eine Abschrift ohne Siglum aufgeführt (S. 341; 1,9). Das
alles erleichtert dem Benutzer die Arbeit mit den textkritischen Apparaten
nicht.

Wünschenswert wäre darüber hinaus die Vollständigkeit der Angaben über
die Überlieferung. In dieser Hinsicht werden vor allem die Editionen stiefmütterlich
behandelt. So kann man auf S. 468 nur der Anmerkung 5 beiläufig entnehmen
, daß der folgende Brief bereits in der politischen Korrespondenz'
publiziert wurde. In vielen Fällen hätte auch der textkritische Apparat entlastet
werden können, wenn man die entsprechenden Bemerkungen (vgl. etwa
S. 160/61, Anm. b-e; S. 173, Anm. 103) in die Handschriftenbeschreibung aufgenommen
hätte. Zuweilen erhält man erst an ganz anderer Stelle weitere Aufklärung
. So geht erst aus dem Vergleich der Angaben auf S. 292 hervor, daß die
Handschrift C von 1,5 um 1600 entstanden ist; die Handschriftenbeschreibung
aufS. 359 hätte schon nach S. 351 angefügt werden müssen, und daß es zu 11,10
und 11 nur eine zusammenfassende Einleitung gibt, müßte im Inhaltsverzeichnis
und an der entsprechenden Stelle vermerkt werden.

Die Textgestaltung entspricht den Richtlinien für die Deutschen
Schriften Bucers.

Das bedeutet also, daß es trotz der Verwendung heutiger Zeichensetzung bei
der seinerzeitigen Groß- und Kleinschreibung bleibt, obwohl das nicht nur die
schnelle Lektüre der Texte erschwert, sondern auch immer wieder zu einer zu
diskutierenden Zeichensetzung führt. Kombiniert mit der Beibehaltung der originalen
Trennung oder Zusammenschreibung kann darüber hinaus das Verständnis
erschwert werden. So sind aufS. 298,19 mit „vn Christen" Unchristen
(NichtChristen) gemeint.

Textkritischer und erläuternder Apparat bieten, ohne zu knapp
oder zu extensiv zu werden, was zum Verständnis der Texte hilfreich
,st, aber nicht immer alles, was heute wohl notwendig wäre.

Die Abtrennung der Apparate ist nicht immer einleuchtend. Schon daß die
Marginalien zum erläuternden statt zum textkritischen Apparat gerechnet werden
, scheint mir nicht günstig. Die Erläuterungen S. 316, Anm. f gehört in den
entsprechenden Apparat, dafür S. 167, Anm. 62 in die Textkritik.

Bei den Worterklärungen würde man sich eher mehr wünschen. An verschiedenen
Stellen scheinen sie mir nicht zutreffend: S. 99, Anm. 114 sind nicht die
Altesten, sondern die Eltern gemeint; S. 100, Anm. 119 handelt es sich doch
wohl um die .reichlichen' (= zahlreichen) Hexen und Heiligen; S. 107,
Anm. 183 ist bei .nachursachen' nicht an „nachträglich erfundene Gründe",

sondern an die causae secuiidae gedacht; S. 122, Anm. 11 geht es um das Ansehen
, das der Schreiber seiner Schrift zu geben versuchte; S. 125,1 f ist ,erbar
billich' ironisch gemeint; S. 138, Anm. 159: antreibt (nicht freistellt); S. 164,
Anm. 29: angesichts der Verneinung im Nachsatz darf nicht mit „uns dagegen
verwahrt" erläutert werden; S. 171, Anm. 86: Gefahr (nicht Ernst, Dringlichkeit
), nämlich für den, der das tut; S. 185,30 sind nicht die Ehegatten, sondern
die Ehalten (= Dienstboten) gemeint; S. 198, Anm. 2: die hatten sich nicht auf
das Evangelium berufen, sondern sich dessen gerühmt; S. 485,5 .vngesucht'
meint nicht „angesichts", vielmehr ist zu erläutern ,ohne viel Spitzfindigkeiten
oder was belastend sein könnte zu suchen'.

Einige Erläuterungen fielen mir auf, die so nicht zutreffend sind. So wundert
man sich, auf S. 121, Anm. 7 keinen Hinweis auf S. 114, Anm. 12 zu finden,
wo die Autorschaft von Wolf Schultheiß wahrscheinlich gemacht wird; S. 165,
Anm. 39 ist ebenso wie S. 213,lOan die CA zu denken; S. 199,Anm. 11 ist das
Aufstehen der Ratsherren gemeint ; und die Zeiten beziehen sich auf den Morgen
. S. 349 hätte die Anm. 49 gleich an die Stelle der Anm. 48 treten und diese
ausgelassen werden können. S. 371 beweist Anm. 78, daß der Hinweis auf das
Corpus Iuris Canonici nicht erkannt wurde. Das wird auf S. 516, Anm. 114 und
115 noch gravierender, weil dort das Zitat aus Origenes zu Psalm 57 nicht identifiziert
, sondern sein Name als irrtümlich für Ambrosius gesetzt bezeichnet
wird. Bucer meint an beiden Stellen dist. 6, c 1, C XXXIII, qu 3. Mit Erstaunen
liest man auch die Anm. 167aufS. 308, nachdem schon S. 307,Anm. 163/164
klargestellt haben, daß es sich nicht um Luther, sondern um Martin von Tours
handelt. Dessen von Bucer umgeformtes und ausgestaltetes Gebet wird in der
Legendaaurea überliefert (Übers, von R. Benz, Jena 1925, H,Sp. 377).

Andernorts vermißt man Erläuterungen, so etwa S. 93, Anm. 58, wo die
Authenticae nicht erklärt und identifiziert werden (vgl. S. 243, Anm. 295), aber
auch 229,9f; 498,21; 499,16; 512,23; 519,19; 520,15; 521,19; 521,23; 526,16.
Vor allem gibt es eine Fülle von Stellen, an denen implizite Bibelzitate und
Anspielungen auf biblische Texte hätten verifiziert werden können. Beiläufig
aufgefallen sind mir: S. 92,16; 97,23; 101,19; 105,7; 105,15; 107,14; 108,7;
121,11; 121,27; 124,17; 133,13; 135,7; 168,7f; 206,17; 218,10; 218,13;
219,13; 223,29; 223,32; 224,13; 248,30; 249,10; 249,16; 250,26; 260; 265,31;
294,13; 296,5; 297,27; 299,3; 301,15; 302,4.5; 306,15; 314,15; 315,5; 319,
Anm. 5 (Verse); 322,11 f; 324,24; 325,21; 337,25.

Der Band ist durch die üblichen Register erschlossen. Besonders hilfreich ist
die ausführliche Chronologia Bucerana, bei der man lediglich ausdrückliche
Hinweise auf die in den Band aufgenommenen Schriften vermißt.

Freilich sollte über diesen Wünschen an die Kommentierung nicht
vergessen werden, daß nicht der Kommentar, sondern die Edition der
Texte das Wesentliche ist. Und im Blick darauf ist man Bearbeitern
und Herausgeber zu Dank dafür verpflichtet, daß die so inhaltsreichen
und bedeutenden Texte aus Bucers letzten Jahren in Straßburg der
Forschung zugänglich gemacht wurden.

Heidelberg Gottfried Seebaß

Bonansea. Bemardino M.: The human mind and the knowledge of god
(FrS 40, 1980 S. 5-17).

Burr, David, Flood. David, u. Peter Olivi: On poverty and revenue (FrS 40,
1980S. 18-58).

Gilbert, M.: L'exegese spirituelle de Montfort (NRTh 114, 1982
S. 678-691).

Godding, Robert: Vie apostolique et societe urbaine ä l'aube du XIII1 siecle
(NRTh 1 14,1982 S. 692-721).

Henninger, Mark C: Henry of Harclay's Questions on divine prescience and
predestination (FrS 40,1980 S. 167-243).

Knoch, Wendelin: Christliche Anthropozentrik als Erbe der Scholastik
(ThG172,1982 S. 276—291).

Macken, Raymond: Der Aulbau eines wissenschaftlichen Unternehmens:
die „Opera Omnia" des Heinrich von Gent (FS 65, 1983 S. 82-96).

Müller, Barbara: Objektlose Nächstenliebe. Kierkegaards Verständnis der
Nächstenliebe in „Der Liebe Tun" (Diss. Marburg 1983).

Neufeld, Karl H.: „Römische Schule", Beobachtungen und Überlegungen
zur genaueren Bestimmung (Gr. 63,1982S. 677-699).

Schwager, Raymund: Logik der Freiheit und des Natur-Wollehs. Zur Erlösungslehre
Anselms von Canterbury(ZKTh 105,1983 S. 125-155).

-: Das Mysterium der übernatürlichen Natur-Lehre. Zur Erlösungslehre des
Maximus Confessor (ZKTh 105,1983 S. 32-57).

Zalba, Marcelino: Da doctrina de Ia confesiön integra de los pecados morta-
les en dos teölogos pretridentinos: Adriano VI y Juan de Medina (Gr. 63, 1982
S. 721-734).