Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

675

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Höing, Hubert

Titel/Untertitel:

Kloster und Stadt 1983

Rezensent:

Moeller, Bernd

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

675

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

676

Kirchengeschichte: Mittelalter

Höing, Hubert: Kloster und Stadt. Vergleichende Beiträge zum Verhältnis
Kirche und Stadt im Spätmittelalter, dargestellt besonders
am Beispiel der Fraterherren in Münster. Münster/W.: Aschen-
dorfT 1981. VIII, 209 S. gr. 8' = Westfalia Sacra, 7. Lw. DM 58,-.

Die Wahrheit über das Thema dieses Buches erfährt man erst am
Schluß seines sich verjüngenden Titels: Es handelt sich um eine Spezialuntersuchung
über xiie 1401 gegründete Niederlassung der Brüder
vom gemeinsamen Leben in Münster. Doch hat der Vf. vor allem aus
gedruckten Quellen sowie der Literatur Nachrichten über die übrigen
geistlichen Korporationen der kirchenreichen Bischofsstadt vom
Domkapitel bis zu den Beginenkonventen sowie über die Fraterhäuser
in anderen Städten vorwiegend Nordwestdeutschlands vergleichend
hinzugezogen und seine Forschung teilweise bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts, bis zur Säkularisation, fortgeführt. So ist die bei
H. Stoob (Münster) angefertigte historische Dissertation eine nützliche
, an Namen und Daten, sprechenden Karten und Tabellen reiche
Arbeit, die unser Bild vom Kirchenwesen der spätmittelalterlichen
Städte zwar nicht verändert, aber bereichert.

Im einzelnen werden Personalbestand und Mitgliedschaft, Beschäftigung
und wirtschaftliche Verhältnisse der Fraterherren sowie deren
Beziehungen nach auswärts untersucht. An überlokal interessanten
Resultaten kann man etwa die folgenden nennen: Das Münstersche
Fraterhaus, vorwiegend als Schülediospiz sowie mit Handschriftenproduktion
und, nach dem Vordringen des gedruckten Buches, mit
Hostienbäckerei beschäftigt, war ein Zentrum der Devotio moderna
mit beträchtlicher Ausstrahlung vor allem in westlicher und östlicher
Richtung und erlangte, obgleich es auch in seiner besten Zeit alles in
allem nicht mehr als etwa 50 Personen beherbergte, beträchtlichen
Wohlstand. Allein der von den Brüdern selbst bewohnte Gebäudekomplex
umfaßte am Ende ca. 5 800 qm. Damit nahm der Konvent
freilich unter den geistlichen Korporationen Münsters, die am Ende
des Mittelalters zusammen mit dem Klerus etwa 6 % der Bevölkerung
der Stadt stellten und noch zum Zeitpunkt der Säkularisierung etwa
10 % aller Hausstätten besaßen, nur eine mittlere Position ein. Pfründenwirtschaft
, Versorgungsdenken und Exklusivität waren in der
Münsterschen Geistlichkeit, wie überall, verbreitet, es gab in der Stadt
von daher Streit um Wirtschaftsfragen, Kirchenfeindschaft hingegen
findet sich nicht. Dennoch drängten die Zustände zur Reformation,
die freilich in Münster im Radikalismus des Täuferreichs zusammenbrach
.

Der Vf. vermag seinen „Modellfall als Realtypus" (8) forderlich
darzustellen, auch wenn das Buch den Rang einer vergleichbaren
Arbeit wie etwa der von Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und
Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, 1971, bei weitem nicht erreicht
.

Göttingen Bernd Moeller

Becker, Petrus: Die Regula Benedicti und die Grundlegung Europas (II).
Überlegungen auf Grund verschiedener Lektüre zum Mittelalter (EuA 57, 1981
S. 253-269).

Berneburg, Ernst: Jacob Burckhardts Würdigung des Mönchtums (ZThK 78,
1981 S. 289-319).

Diesner, Hans-Joachim: Inkarnationsjahre, .Militia Christi' und anglische
Königsporträts bei Beda Venerabiiis (Mittellat. Jb. 16,198 IS. 17-34).

Goetz, Hans-Werner: „Gespaltene Gesellschaft" und Einheitsideal: Bemerkungen
zum Gegenwartsbild Ottos von Freising (ZBKG 50,1981 S. 14-21).

Pfaff, Volkert: Papst Clemens III. (1187-1191). Mit einer Liste der Kardinalsunterschriften
(ZSRGK 97,1980 S. 261-316).

Rankka, Erik: Li ver del Juise. Sermon en vers du XHe siecle. Uppsala-
Stockholm: Almquist & Wikseil 1982. VII, 100 S. gr. 8" = Acta Universitatis
Upsaliensis. Studia Romanica Upsaliensia, 33.

Schulze, Manfred Günther: Von der Via Gregorii zur Via Reformationis. Der

Streit um Augustin um späten Mittelalter (Theo!. Promotion, Tübingen
1981).

Vennebusch, Joachim: Unbekannte Miracula des Caesarius von Heisterbach
(AHVNRh 184, 1981 S. 7-19).

Werner, Emst: Sultan Mehmed der Eroberer und die Epochenwende im
15. Jahrhundert. Berlin: Akademie-Verlag 1982. 71 S. 8' = Sitzungsberichte der
Sachs. Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philol.-hist. Klasse, 123,2.
Kart. M 7,50.

Zöllner, Walter: Die Urkunden und Besitzaufzeichnungen des Stifts Hamers-
leben (1108-1462). Leipzig: St. Benno 1979. 406 S. 8- = Studien zur katholischen
Bistums- und Klostergeschichte, 17. Kart. M 24,70.

Kirchengeschichte: Neuzeit

Cochlovius, Joachim: Bekenntnis und Einheit der Kirche im deutschen
Protestantismus 1840-1850. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1980. 320 S. 8' = Die Lutherische Kirche, Geschichte
und Gestalten, 3. Kart. DM 28,-.

Nach Einheit der Kirche fragen, hieß im 19. Jh., dessen Mitte „zu
einer umfassenden Besinnung auf das Wesen der Kirche" ansetzte
(S. 13), bei den deutschen Protestanten zugleich auch nach ihrem
jeweiligen Bekenntnis fragen. Es ist darum kein Wunder, daß sich in
den letzten Jahrzehnten, in denen innerprotestantische Einigung aufgrund
der viel bedrängenderen weltweiten ökumenischen Fragen
wesentlich schneller und widerspruchsloser vor sich gingen als
100-150 Jahre zuvor (man denke nur an die Leuenberger Konkor-
die!), auch historische Untersuchungen zu diesem Thema in rascher
Folge entstanden sind, die in dieser Erlanger Dissertation bereits verarbeitet
sind.

Eine Vorbemerkung sei gestattet: Auf den ersten Blick vermag der
Rez. - gleich dem Vf. hauptamtlicher Gemeindepfarrer - den anachronistischen
Eindruck nicht zu beseitigen, ob denn solche Arbeiten
einer Zeit anstehen, deren Kirchenleitungen Kirchenzugehörigkeit
nur noch nach dem Rechenschieber bemessen, also: Seelenzahl einer
Gemeinde = Kirchensteuerzahler, die z. T. keine größere Sorge haben
als Beerdigungen noch mit einem christlichen Anstrich zu versehen,
um die lebenden Gemeindeglieder überhaupt noch bei der Kirchensteuer
zu halten.

Dieser Hinweis ist keine abseitige Bosheit, sondern ermißt den realen
Abstand und Abstieg des Fragens nach dem Wesen der Kirche in
den letzten anderthalb Jahrhunderten. Will sagen, der Vf. hat recht,
daß er mit seiner Themastellung zu den ursprünglichen, neuprotestantischen
Fragestellungen nach dem Wesen der Kirche im 19. Jh.
zurücklenkt und damit auch der Gegenwart einen Dienst zu erweisen
sucht.

Die ca. 240 S. umfassende Arbeit - der Rest enthält in 19 Beilagen
wichtige, schwer zugängliche Dokumente - ist, nicht sehr klar, in
neun Kapitel gegliedert: Nach einem allzu kurzen „Gespräch über
Mission und Bekenntnis" und „Beiträge(n) zum Kirchenverständnis
der separierten Lutheraner in Preußen" steigt die Dissertation über
die ekklesiologischen Beiträge Franz Delitzschs, der Erlanger
J. Chr. K. v. Hofmann, A. v. Harleß und W. Löhe zu ihrem Höhepunkt
an: Der Entstehungsgeschichte der Lutherischen Vereine in
Preußen mit besonderer Berücksichtigung K. Fr. Göscheis.

Dem lutherischen Separatdenken gegenüber entfaltet Cochlovius
dann die Geschichte des nationalkirchlichen Einheitsdenkens, wie es
in der von 27 deutschen Regierungen beschickten Berliner Kirchenkonferenz
1846 zum Ausdruck kam und dem vorwärtsdrängenden
katholischen Einfluß gegenüber von gekrönten Häuptern wie Wilhelm
I. von Württemberg und Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
und ihren Ministern Pistorius, Eichhorn u. a. vorbereitet wurde.

Eine besonders reife Leistung gelingt dem Vf. im 7. Kapitel, in der
er Fr. J. Stahls schwer faßliches, aber dauerhaftes Kirchenmodell aus
den wenigen greifbaren Quellen deutlich herausmodelliert und mit M.