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Ausgabe:

1983

Spalte:

671-673

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Banks, Robert

Titel/Untertitel:

Paul's idea of community 1983

Rezensent:

Strobel, August

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

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die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung Jesu verstehen, was die
blinden Jünger damals nicht „sehen" konnten (200f).

Ferner scheint mir u. a. die Voranstellung von 12,41-44 unmittelbar
vor Kap. 13 überinterpretiert zu werden: Jesus lobt eine Frau, die
ihr Opfer für den Tempel gibt, der bald zerstört werden soll. Die Botschaft
des Evangelisten an seine Leser sei diese: wie bedrohlich ihre
Lage auch werden mag (Verfolgungen, apokalyptische Situation!),
"this should not change their basic ethical response"(vgl. 2Thess;
1550- Und doch besitzt diese Auslegung mindestens einen homiletischen
Wert, weil sie sozusagen auf der Fluchtlinie der markinischen
Darstellung zu liegen scheint. Dies ist nun keine isolierte Beobachtung
. Es gibt in diesem Buch vieles, bei dem man bezweifeln kann, ob
Markus es wirklich so meinte; und zugleich hat man doch das Gefühl,
daß das auch nicht so sehr davon entfernt ist, was Markus hätte meinen
können.

Das Buch hat also ein doppeltes Gesicht. Auf der einen Seite ist es
ein technisches Werk für den Spezialisten. Auf der anderen Seite aber
enthält es vieles, was gerade dem Praktiker hochrelevant sein wird im
Blick auf seine pastorale Aufgabe, die Best als das Hauptziel auch des
Markus herausstellt. Es ist zu hoffen, daß möglichst viele Leser aus
beiden Gruppen das Buch in die Hand nehmen werden.

Zum Schluß noch ein Wunsch. Es wäre ein wertvoller Dienst fürdie
Markusforschung, wenn Professor Bests zahlreiche Aufsätze zum
Markusevangelium (deren Argumentation in diesem Buch im einzelnen
nicht wiederholt werden konnte) einmal in einem Band gesammelt
und so leicht zugänglich gemacht werden könnten.

Helsinki Heikki Räisänen

Banks, Robert: Paul's Idea of Community. The Early House Chur-
ches in their Historical Setting. Exeter: Paternoster Press 1980.
208 S. 8'. Kart. £ 4.40; geb. L 7.60.

Der bunte Umschlag zeigt in der Manier eines Kochbuches lauter
fröh liehe Gesichter, aber der Inhalt enthüllt sich als die gekonnte Darstellung
des paulinischen Kirchengedankens in ebenso durchdachter
wie auch wissenschaftlich überzeugender Weise. Alles ist an dieser
Darstellung griffig und solide, wobei sie umfassend einführt in ein zentrales
Gebiet paulinischer Theologie, das überdies sehr schnell zum
Vergleich mit der heutigen Gestalt der Kirche und ihren Möglichkeiten
herausfordert. In strenger Berücksichtigung der Umweltsituation
entwickelt der Vf. das Wesen und die Eigenart des paulinischen
Gemeinde- und Kirchenbegriffes, zunächst auf dem Hintergrund
der sozialen und religiösen Situation (cp. 1), sodann im Blick
auf die zentralen Vorstellungen des Kirchenverständnisses (bes.
cp. 2-14) und auch des apostolischen Dienstes (cp. 15-18). Es ergibt
sich, daß das Gemeinschaftsverständnis des Apostels in keiner Weise
auf ein erstarrtes theologisches System zurückweist, sondern das Ergebnis
einer lebendigen Entwicklung ist, um in jeder Hinsicht auf die
praktischen Erfordernisse der Stunde Rücksicht zu nehmen. Die pluralistische
und kosmopolitische Situation des antiken Menschen wird
eingehend und lebendig skizziert, als Einbindung in die Lebensprinzipien
der politeia und oikonomia und zugleich als Angewiesenheit
auf die koinonia der Menschen sehr verschiedener Herkunft und Rassen
. Es war ein Lebenshintergrund, auf dem es zur Ablösung von traditionellen
Religionsformen kommen sollte, und zwar im Judentum
ebenso wie unter den Griechen und Römern (17-20). Die Gemeinden
des Paulus erwiesen sich als ein Teil der größeren Entwicklung
("towards the spontaneous association of individuals in society", 22)
und als eine Parallelbewegung insbesondere hin zu den religiösen Bruderschaften
, die damals im Judentum und Hellenismus gleicherweise
Menschen anzogen und Anhänger fanden. Der Vf. schildert sodann
(cp. 2) in präziser Weise die „Ankunft der radikalen Freiheit" (23-32),
wobei die neue Grundlage des paulinischen Denkens betont wird; als
„Independence", sc. von Sünde, Gesetz, Tod und Mächten, als

„Dependence", sc. von Christus und seinem Geist und endlich als
„Interdependence", sc. mit dem Mitmenschen und der Welt (32).

Im folgenden kommt es zur Darstellung der wichtigsten Einzelthemen. Als
Hausgemeinde hat die Kirche eine soziale Dimension (cp. 3). Der BegrifTder
ekklesia weist auf vorchristliche Ursprünge hin, in der jede menschliche Versammlung
gemeint war. Der Gebrauch des Begriffes bei Paulus zielt aber mehr
noch auf die Versammlung „vor Gott" (341) und vor allem auf eine "divinely-
created afTair" (37). Die etwas späteren Briefe enthalten gar eine vertiefte theologische
Reflexion, in der die Kirche als „himmlische Wirklichkeit" begriffen
ist (cp. 4). Alle Christen gehören dazu: "It isthrough gatheringthat the Community
comes intobeingand is continually recreated" (51). Indessen besagt der Begriff
der ekklesia noch keineswegs die Sache selbst. Der Vf. tritt ihr näher über
eine Reihe von Abschnitten, die die christliche Gemeinschaft als „Familie"
(cp. 5), als „Körper" (cp. 6) sowie als Ort der Erkenntnis und des Glaubens
(cp. 7) beschreiben.

Indem Paulus etwa die Gemeinde als einen organischen Körper begreift, gibt
er zu erkennen, daß er über den Harmoniegedanken hinaus auf eine Entwicklung
hin zur Reife argumentiert (71). Sofern Wissen und Erkenntnis einen.
Schlüsselplatz in seiner Vorstellung von der Gemeinde einnehmen, weisen sie
auf Auseinandersetzungen hin, die unvermeidlich mit konkurrierenden Ansprüchen
geführt werden mußten (Mysterienkulte, Stoiker und Kyniker, Judaismus
) (77-79). Die Strukturen des paulinischen Gemeinschaftsdenkens werden
hier im besonderen anschaulich. Der Vf. beschreibt, was es um den natürlichen
Ausdruck der Fellowship ist (80-90), nämlich in ihren Erscheinungsformen:
Taufe, Mahl, Austausch des Bruderkusses etc. Er stellt sich den Themen
„Gaben und Dienst" (cp. 9) sowie „Charisma und Ordnung" (cp. 10) (91 -112),
um zu zeigen, wie sehr es sich um „einen revolutionären Entwurf in der alten
Welt" gehandelt hat (112). Was die Glieder der Kirche kennzeichnet, ist „Einheit
in der Verschiedenheit" (cp. 11), wobei die hergebrachten Trennungen rassischer
, sozialer und geschlechtlicher Art überwunden wurden (113-121). Soziale
Privilegien fordern zum Dienst am Bruder heraus. Sie haben dann ihren
trennenden Charakter abgelegt (121). Das Neue der christlichen Gemeinschaft
erhellt sich nicht minder am „Beitrag der Frau in der Kirche" (cp. 12), der volle
Mitgliedschaft zu erkennen gibt (122-130), sowie an der anerkannten Stellung
der Minderheiten. Wo Verschiedenheiten .noch eine Rolle spielen, sind sie als
„Sprungbrett für einen hilfreichen Dienst in der Gemeinschaft" positiv begriffen
(130). Im cp. 16(131-141) über die „Zugehörigkeit und die Verantwortlichkeiten
" wird entfaltet, wie herkömmliche Unterscheidungen in der Gemeinde
Jesu nicht mehr gelten, etwa von Priester- und Laientum, von führenden und
geführten Mitgliedern, von heiligem und gewöhnlichem Volk. Im Gegensatz
hierzu betont Paulus die korporative Verantwortung aller in Fragen der Organisation
, Wohlfahrt. Ordnung und des Gemeindewachstums. Was die Gemeindeordnung
betrifft (cp. 14: "Service and recognition"). so strebt er für seine Gründungen
ein hohes Ziel an: "Maturity is the aim of all and Paul nowhere limits its
achievement to an elite." (143) Der Apostel stattete dabei weder den einzelnen
mit Autorität aus noch eine bestimmte Gruppe, sondern er schloß die Gemeinden
zusammen nach dem „diakonischen Prinzip" (150). "We have here, in a
real sense, a partkipawry society in which authority is dispersed throughout the
whole membership." (151) Auch die Strukturen der Arbeitsweise des Paulus
(cp. 15) sind in gewisser Hinsicht wegweisend: seine Gewinnung und sein
Umgang mit einem Mitarbeiterteam, sein Abbau rassischer und sozialer Vorurteile
, und vor allem seine Anerkennung der Rolle der Frau. Dabei gilt: "The
Jewish/Gentile identity of his colleagues seems to have been his most adven-
turous practice." (160) Was die Stellung des Apostels in der Gemeinschaft
angeht (cp. 17), so finden sich zahlreiche beispielhafte Verhaltensweisen, vor
allem dergestalt, daß sich Paulus, wie der Sprachgebrauch ausweist (vgl. die
häufige Verwendung des Präfixes syn-), mit den Schwächen und Stärken der Gemeinden
identifiziert hat(179). Ersah sich dabei letztlich vom Beispiel der Hingabe
Jesu geleitet, weshalb der Vf. hier vom „Herz der Sache" spricht (178). Das
Beispiel Jesu selbst war ihm Hilfe, das rechte Verständnis zwischen Autorität
und Freiheit zu finden (180-187). Die Darstellung schließt mit der wegweisenden
Einsicht, daß die Prinzipien, die der paulinischen Idee der christlichen Gemeinschaft
zugrundeliegen, im 20. Jahrhundert noch ebenso revolutionär und
herausfordernd sind wie damals im ersten.

Wir haben versucht, den Inhalt des Buches in einer Art Übersicht zu
vermitteln. Als Frucht einer jahrelangen Beschäftigung mit der Materie
liegt eine lehrreiche und gewinnbringende Darstellung vor, die
Wissenschaftlichkeit und Allgemeinverständlichkeit gleicherweise
auszeichnet. Literaturverzeichnis und eingehendes Glossar unterstreichen
dies. Die gesamte Arbeit überzeugt nicht zuletzt durch ihren
Verzicht auf phantasievolle Hypothesen jeder Art. Die Aussagekraft