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Ausgabe:

1983

Spalte:

668-669

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Exegesis 1983

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 9

668

der als Überschrift dienenden Toledotformeln stellen Genealogien
dar. Bei der literarischen Form der auf die Toledotformeln folgenden
Texte unterscheidet T. zwischen „erzählerischer Genealogie" einerseits,
der ein festes „Toledotschema"2 eigen ist, das der Verfasser der
P-Schicht „ebenso den größeren Einheiten seiner erzählerischen
Toledotkapitel zugrundelegt" (21), und „namenaufzählender Genealogie
" oder „Stammtafel" andererseits. Als Musterbeispiel für jene
führt er im einzelnen Gen 5 und Gen 11,10-26, für diese Gen 10 vor.

Der formale Unterschied ergibt sich aus der Verschiedenheit des Inhalts
sowie der Funktion im literarischen Zusammenhang. Die „erzählerische
Genealogie" läuft in „einer einzigen absteigenden Linie von Generation zu
Generation", sie nennt je Generation nur einen Sohn und führt im Rahmen der
Genesis die Erzählung durch genealogische Einengung bis zu den Patriarchen
weiter; sie ist damit notwendiges Glied des „erzählerischen Hauptzusammenhangs
der Genesis" und in der Form „im Wesentlichen ein Werk des Verfassers
der P-Schicht" (25 f). Die „Stammtafel" stellt „genealogische Verzweigungen"
dar, und zwar im Unterschied zur „erzählerischen Genealogie" mit ausgeführten
Seitenzweigen. Im Blick auf die Funktion stellt die Stammtafel Israel in die
Mitte und ordnet es in den Völkerkreis ein. Sie ist eher als „momentaner
Exkurs" denn als „notwendiges Glied für den erzählerischen Hauptstrang der
Genesis" (25-27) zu betrachten.

Mit Gen 25,12-18 und Gen 36 behandelt T. weitere Stammtafeln
mit Toledotüberschriften, die „in jeder Hinsicht" seinem Musterbeispiel
Gen 10 entsprechen. Es schließen sich mit Gen 6,9 (ff); 11,27
(ff); 25,19 (ff); 37,2 (ff) weitere erzählerische Toledotabschnitte an,
deren Umfang mit Hilfe der Toledotüberschrift und der Abschlußelemente
des Toledotschemas abgesteckt werden. Bei den Analysen
spielt immer wieder die Frage des Verhältnisses zwischen P-Schicht
und ihr vorliegendem Text herein; daß die P-Schicht eine die Genesis
erzählerisch insgesamt durch die Toledotformeln in „Toledotkapitel"
gliedernde Rahmenbearbeitung ist, sieht T. immer wieder in Einzelbeobachtungen
bestätigt (34.36-38 u. ö.). Daneben vermag er schließlich
auch hier die übrigen Elemente des Toledotschemas sowie
weitere strukturbildende Züge herauszuarbeiten.

Im letzten (4.) Kap. werden vor dem Hintergrund der bisherigen
Ergebnisse als besonders umstrittene Belege Gen 2,4 und Num 3,1
analysiert. Davon sei hier nur erwähnt, daß T. entgegen der üblichen
Auffassung3 Gen 2,4b ebenso wie V. 4a mit diskutablen Argumenten
zur P-Schicht rechnet. In Gen 2,4 und Num 3,1 als erstem bzw. letztem
Vorkommen der Toledotformel sieht er die systematische Gliederung
der literarischen P-Hauptschicht durch eben diese Formel letztlich
bestätigt. Gen 2,4 insgesamt erweist sich als 1 otdoiüberschrift
zum folgenden Toledotkapitel, das bis Gen 4,26 reicht. Gen 1 bildet
die einzige Weltschöpfungsgeschichte für P; Gen 2,4ff dagegen ist
„Bericht über die ersten Menschen". Ist dies richtig, spricht es für T.
„natürlich gegen die Urkundenhypothese" (57).

Damit ist T. abschließend wieder auf sein Hauptanliegen zu sprechen
gekommen, nämlich zu dem Nachweis beizutragen, daß P keine
selbständige Quelle sei, auch nicht die „Hauptredaktionsschicht",
sondern „Rahmenbearbeitung und Erweiterung einer schon vorliegenden
, deutlich strukturierten, literarischen Komposition",
gebunden an deren literarische Disposition, aber auch selbst neu
interpretierend und bestrebt, den Stoff gemäß dem Toledotschema zu
gliedern (59, vgl. auch 15f).

Die gegenwärtige (erneute) Aktualität der literarischen Fragen des
Pentateuchs bedarf keiner Betonung. Jede sorgfältige Detailstudie wie
diejenige von T. darf deshalb mit Aufmerksamkeit rechnen. Daß die
Meinungen auch bei engbegrenzten Forschungsgegenständen wie hier
der Toledotformel in den Einzelheiten bemerkenswert auseinandergehen
können, zeigt ein Vergleich der Arbeit T.s allein mit einem Aufsatz
von P. Weimar4, von dem sich übrigens die hier angezeigte
Studie m. E. durch eine angenehm unkomplizierte Diktion und
durchsichtige Argumentation abhebt. Die Untersuchung von T. sollte
aber auch im Blick auf verschiedene interessante Einzelbeobachtungen
sowie wegen ihrer nüchtern-klaren Durchführung und der sich
ergebenden ansprechenden Gesamtthese beachtet und genau nachgeprüft
werden. Es wird interessant sein zu sehen, ob und in welchem

Maße dieser Arbeit konstruktive Kritik und Weiterführung zuteil
wird.

Etwas störender als drei Dutzend relativ leicht erkennbarer Druckfehler und
kleiner Irrtümer sind gelegentlich ungenaue hebräische und Literaturzitate
(z.B. 8.1 1.15.17.54.56); manchmal sind auch Aufsätze und Monographien
pauschal ohne Seitenangaben zitiert, so daß Nachprüfungen mühsam sind. Es
handelt sich jedoch stets um Kleinigkeiten, die keinen wesentlichen Anstoß bilden
.

Rostock Hermann Michael Niemann

1 Die Hexateucherzählung. Lund 1976 (= Coniectanea Biblica, OT
Series, 7)

2 Die Einzelheiten finden sich S. 20f. 43ff.

3 Vgl. neuestens wieder J. Scharbert: Genesis 1-11. Würzburg: Echter 1983
(=NEB,Lfg.5),S. 48.

4 Die Toledot-Formel in der priesterschriftlichen Geschichtsdarstellung. BZ
N. F. 18, 1974, S. 65-93. T.s interessante Auseinandersetzung mit diesem Aufsatz
findet sich in einer fast 3(!)seitigen Anmerkung. Ob diese und weitere sehr
lange Anmerkungen zu der in „Coniectanea Biblica" glücklicherweise sonst-
nicht üblichen, dem Leser unbequemen Zusammenstellung der Anmerkungen
am Ende der Studie geführt haben?

Exegesis. Problemes de methode et exercices de lecture (Genese 22 et
Luc 15). Travaux publies sous la direction de F. Bovon et G. Rouil-
ler. Neuchätel-Paris: Delachaux & Niestie 1975. 311 S. gr. 8* =
Bibliotheque Theologique.

Im Winter 1972/73 haben Exegeten, Humanwissenschaftler und
Vertreter einer hermeneutischen Philosophie der Theologischen
Fakultäten von Fribourg, Genf, Lausanne und Neuchätel die in
diesem Band vereinten Vorträge zum Verständnis der beiden Texte
über die Opferung Isaaks und das Gleichnis vom verlorenen Sohn gehalten
. Das Ziel der Beratungen war e,s, «parcourir les principal voies
d'approche d'un texte biblique» (S. 9).

Der 1. Teil enthält das, was man mit «premiere lecture des textes»
überschrieben hat. G. Rouiller befaßt sich mit Gen 22 und F.
Bovon mit Luc 15. Dabei wird jeweils eine gründliche versweise
Interpretation geboten und bei Gen 22 noch der Beitrag der jüdischen
Exegese hinzugefügt (Auswahlbibliographie S. 34f.52-54). Der
2. Teil ist den Quellen der historisch-kritischen Methode gewidmet.
Nacheinander werden behandelt F. Chr. Bauer und J. Wellhausen von
G. Rouiller sowie H. Gunkel von F. Bovon. Dieser trägt die Exegese
des Luc-Textes durch J. Wellhausen und Rouiller die von
Gen 22 durch H. Gunkel vor. Auf die Bio-Bibliographie von H. Gunkel
auf S. 95f sei besonders hingewiesen. Der 3. Teil bietet den Dialog
mit den Humanwissenschaften. G. Antoine handelt über die neue
«Critique litteraire» im Blick auf beide Texte; L. Beirnaert betrachtet
Luc 15 von der Psychoanalyse und J. Leenhardt von der Literatursoziologie
her; P. Secretan und P. Ricoeur tragen zur Hermeneutik
unter verschiedenen Gesichtspunkten vor. Der 4. Teil zieht die
patristische Exegese heran. Hier werden Augustins Aussagen zu
Gen 22 und G. Rouiller behandelt, und Y. Tissot stellt die allego-
ries patristiques zu Luc 15 zusammen. Im 5. Teil wird eine zweite
„Lektüre" beider Texte von denselben Autoren wie bei der ersten
Lesung vorgenommen. Mit folgenden Sätzen schließt G. Rouiller
seine Überlegungen zu Gen 22 ab: «Le recit trouve ainsi sa contextua-
lite definitive dans l'histoire du peuple de l'Alliance, avec une theo-
logie qui se formulera lentement pour atteindre sa maturite dans les
ecrits deuteronomistes. Le geste du pere trouvera alors sa pleine
dimension d'exemple. II invitera toujours le peuple beneficiaire des
promesses ä renouvelersa confession de foi en presence d'un Dieu qui
comble; il ouvrira la chaine des imitations dans une atmosphere de be-
nedictions.»(S. 290)

Dieser Überblick zeigt, daß jeder Einseitigkeit in Bevorzugung nur
einer oder doch gewisser moderner Methoden bei der Interpretation
biblischer Texte energisch gewehrt wurde. Durch die Aufnahme von