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1983

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

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logie. Überraschend ist seine Entdeckung, daß Begriff und Vorstellung
erst genau eineinhalb Jahrhunderte alt sind. Lyons verfolgt die Rede
vom kosmischen Christus in der deutschsprachigen Theologie von
dem Schweizer Leonhard Usteri d. J. - in der 4. Auflage seiner „Ent-
wickelung des Paulinischen Lehrbegriffs ..." 1832 - über I. A. Dorner
, D. F. Strauß, R. Rothe, H. L. Martensen, B. Weiß und
A. Schweitzer bis hin zu O. Dilschneider, A. Köberle, K. Barth und
W. Dantine sowie der Diskussion der sechziger Jahre über J. Sittlers
Thesen auf der ökumenischen "Faith and Order"-Tagung 1961 in
Neu Delhi. Natürlich verfolgt Lyons die Rede vom kosmischen Christus
auch in der englischsprachigen Literatur von 1857 bis in die
Gegenwart, während im Abschnitt über die französische Diskussion,
die erst Anfang dieses Jahrhunderts begann, natürlich Teilhard de
Chardin schon im Mittelpunkt steht.

Am Schluß des ersten Teils legt Lyons die Gründe für seinen Vergleich
zwischen den christologischen Positionen von Origenes und
Teilhard dar: die Ähnlichkeit ihrer Fragestellungen nach der Vermittlung
zwischen dem Absoluten und dem Kontingenten, zwischen
Schöpfer und Schöpfung.

In Teil II untersucht Lyons im wesentlichen den „Subordinationismus
" des Origenes. Aber im Unterschied zu Arius ist bei Origenes der
Sohn dem Vater zugleich wesenhaft gleich, er besitzt zugleich kosmische
und göttliche Attribute. So hält Origenes die Gleichheit des
Sohnes mit dem Vater und seine Subordination im Gleichgewicht.

Die Christologie des Origenes - die Teilhard nach Lyons gut kannte
- wird nun für den Vf. zum Schlüssel für Teilhards änigmatische und
umstrittene Rede von der „dritten", der „kosmischen Natur" Christi.
Doch zunächst untersucht er den „theologischen und philosophischen
Hintergrund von Teilhards kosmischer Vorstellung Christi",
insbesondere bei Rousselot, Blondel und Le Roy, aber auch den Einfluß
des Thomas von Aquin.

Sodann stellt Lyons „Teilhards Vorstellung einer kosmischen Natur
in Christus" ausführlich dar. Dieser Gedanke ist bei Teilhard
schon früh angelegt, er entwickelt ihn jedoch vor allem in seinen letzten
Jahren. Dann taucht auch die Formel von der „dritten Natur"
Christi auf, wobei - gerade für Kenner von Teilhards veröffentlichtem
Werk - die zahlreichen Zitate aus den unveröffentlichten Tagebüchern
der letzten Lebensjahre interessant sind, in denen Teilhard
unbekümmerter, experimenteller und mutiger formuliert.

Lyons fragt nun, ob diese christologischen Gedanken Teilhards
häretisch sind. Doch er kommt zu dem Schluß, daß die „kosmische"
Natur Christi mehr zur menschlichen, inkarnierten Natur Christi
gehört und durch die Auferstehung eng mit ihr verbunden ist. Der kosmische
Christus Teilhards ist der Mittler zwischen dem Schöpfer und
der Schöpfung, zwischen Gott und dem Universum, wie es die heutige
Naturwissenschaft erkennt. Die „dritte Natur" Christi steht zwischen
der göttlichen und der menschlichen - aber wie bei Origenes, und im
Gegensatz zum häretischen Arianismus, wird von Teilhard die volle
Göttlichkeit Christi nicht geleugnet. Nur handelt es sich bei Origenes
um eine kosmische Christologie „von oben", bei Teilhard aber um
eine „von unten".

Neben der bisher besten und vollständigsten Zusammenstellung
von Teilhards Gedanken zur kosmischen „Natur" Christi trägt es
sicher viel zu ihrem Verständnis bei, sie in das Koordinatensystem
von Nicäa und Chalcedon, von Origenes und Arius, also des altkirchlichen
Naturen-Schemas zu stellen. Was bei Lyons aber nicht deutlich
wird, ist die Tatsache, daß Teilhard mit seiner Rede von der „dritten
Natur" eben diese Naturen-Terminologie als christologisches Denkschema
sprengt und überwindet.

Lyons sieht klar, daß Teilhard damit die Lehre von der Person
Christi erneuert, die Christologie der heutigen Kosmologie anpassen,
die traditionellen christologischen Kategorien überwinden will: Er
..wollte ein neues Nicäa, um nicht mehr Christi Beziehung zu Gott zu
bestimmen (dieses Problem war gelöst), vielmehr seine Beziehung
zum Kosmos", zum Universum (S. 215, ähnlich 198).

Doch der Vf. führt diesen Gedanken leider nicht weiter aus. Es ist

charakteristisch für die an sich erstaunlich ergiebige katholische Teil-
hard-Literatur - die vorwiegend von Jesuiten, Teilhards Ordensbrüdern
, geschrieben wird -, daß sie sich mit der positiven Beantwortung
der Frage nach Teilhards Rechtgläubigkeit begnügt. Das Ziel eines
„neuen Nicäa", einer Vermittlung des alten Dogmas mit dem neuen
Weltbild, wird zwar gesehen, aber man bleibt trotzdem beim alten
Nicäa und Chalcedon.

So wird auch der Faden des I. Teils am Ende leider nicht mehr aufgenommen
: Es wäre fruchtbar und erhellend gewesen, etwa die Konzeption
des kosmischen Christus bei den hegelianischen Theologen
des 19. Jahrhunderts wie Dorner und Rothe, aber auch in der angelsächsischen
„cosmic-Christ language" oder der Diskussion der sechziger
Jahre zu Teilhards Vorstellungen in Beziehung zu setzen. So
aber bleibt der Versuch einer „Revision der Christologie" bei der Feststellung
von Teilhards Orthodoxie stecken, statt die kühnen Ansätze
einer kosmisch-weltlichen Christologie, die Teilhard in seinen letzten
Lebensjahren vor allem in sein „Journal" notierte, für'unsere Zeit
weiterzuführen.

Aachen Sigurd Martin Daecke

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