Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

613-614

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

German, Terence J.

Titel/Untertitel:

Hamann on language and religion 1983

Rezensent:

Pältz, Eberhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

613

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

614

tiert ein Unverständnis der metaphysisch fundierteji Gnadenlehre
gegenüber. Als Versuche einer theologischen Antwort in diese verschärfte
Situation hinein werden A. Ritsehl, A. Rosmini-Serbati,
J. H. Newman und französische Apologeten des ausgehenden Jahrhunderts
vorgeführt (S. 163-168); die Entscheidungen gegen Bautain,
Bonnetty und Rosmini sowie das Vatikanum I schließen diesen Zeitabschnitt
ab. Die Skizze des 20. Jahrhunderts (§§11-12, S. 170-199)
verfolgt den Überschritt zur Immanenz und die hierdurch bedingte
Verdunkelung des Geschenkcharakters der Gnade bis in jüngste
Modeströmungen der Theologie hinein. Für uns dürften die Hinweise
auf A. Loisy, G. Tyrrell, M. Blondel, J. Marechal (S. 171-177) am
hilfreichsten sein. Die Ausflüge in die evangelischen Moden vom
Tode Gottes (G. Vahanian, T. J. J. Altizer, W. Hamilton, P. van
Buren), die über J. A. T. Robinson und H. Cox an den Bonhoeffer von
„Widerstand und Ergebung" rückgebunden werden (S. 187-191),
spielen eine Zeiterscheinung hoch und drohen den Skopus aus dem
Blick zu verlieren. Die Verweise auf die analytische und politische
Theologie sowie die Andeutungen zu einer „ludischen oder dionysischen
Theologie" deuten wohl richtig an, daß wir noch immer in der
Spannung zwischen Aufklärung und Romantik befangen sind
(S. 191-198). Der abschließende Hinweis auf H. U. von Balthasars
theologische Ästhetik mit dem Versuch, den Gnostizismus des verum
und den Ethizismus des bonum durch ein transzendierendes pul-
chrum zu komplettieren, wobei der Doxa Gottes die visio, voluptas
wie agape des Menschen korrespondieren solle (S. 198f), bleibt zu
änigmatisch. Nachdenkenswert dürfte sein, daß hier die leibhafte Gestalt
Jesu Christi nicht erscheint. So bleibt der Eindruck zwiespältig.
Positiv ist zu vermerken, daß eine kaum übersehbare Fülle an Information
übersichtlich aufbereitet und in einer lebendigen Sprache dargeboten
ist. Der Themenkreis Gnade und Rechtfertigung wurde
dabei in einen universalen geistesgeschichtlichen und theologischen
Horizont gestellt. Hierin liegt zugleich das Negative begründet: die
Konzentration auf das Zentrum geht zunehmend verloren, die
christozentrische Verankerung und endzeitliche Ausrichtung der
Rechtfertigung treten nicht eindeutig heraus.

Heidelberg Albrecht Peters

German, Terence J.: Hamann on Language and Religion. Oxford:
Oxford University Press 1981. IX, 187 S. 8° = Oxford Theological
Monographs. Lw.£ 12.50.

Der Vf., der an der Gregoriana Dogmatik lehrt, führt in fünf Kapiteln
in das Denken J. G. Hamanns (H. s), vornehmlich in dessen Gedanken
über Sprache und Religion, ein: I. H.'s Methods or Styles of
Human Living and Creating. II. u. III. H.'s Views Concerning Human
Creativity. IV. H.'s Fascination with Time in This World. V. H.'s
Communication with God and with His Fellow Human Beings. Die
Untersuchung dürfte geeignet sein, dem englischsprachigen Leser-
Publikum, dem in den letzten Jahrzehnten mehrere
H.-Monographien vorgelegt wurden (der Vf. nimmt Bezug auf
W. Lowrie, J. C. O'Flaherty, R. G. Smith, W. Leibrecht), den „Ma-
gus" als „fascinating character" und eigenständigen Denker vorzustellen
. Die entscheidenden Stationen seiner geistigen Entwicklung,
Ansatz, „Stil", Denkstruktur des Schriftstellers, der weitreichende
Radius seiner Lektüre, sein Bibelstudium, seine Lutherverehrung
werden ebenso beleuchtet wie die Wirkungen in Literatur- und Philosophiegeschichte
. Als verständnisvoller H.-Interpret, dessen Darstel-
'ung nahe am Text bleibt, vermag der Vf. den geistigen Ort H.s (auch
dessen Begegnung und Auseinandersetzung mit der philosophischen
Tradition und den zeitgenössischen Denkern, vorab I. Kant) zu erhellen
und dem Leser die dem Schaffen H.s immanenten Fragestellungen
und Denkanstöße zu vermitteln.

Obwohl die Arbeit nicht primär als Beitrag zur H.-Forschung anzusprechen
ist - in ihren Ergebnissen verbleibt sie innerhalb des von den
vorliegenden Monographien abgesteckten Forschungsfeldes, allerdings
ohne der Forschungslage voll Rechnung zu tragen - verdient die
anregende Untersuchung Beachtung, zumal der gelehrte Vf., dem
auch die in Philosophie und Dichtung der Gegenwart verhandelten
Probleme vertraut sind, die unverminderte Produktivität H.schen
Geistes erweisen kann. Auch die philosophiegeschichtlichen Ausführungen
zum Leib-Seele-Problem dienen der Präzisierung der Intention
H.s, dessen Inkarnationsverständnis und Bild von der Welt und
vom Menschen, bes. hinsichtlich der Auflassung von Leben und Tod,
Zeit und Geschichte, eingehend interpretiert werden. Das Ziel ist, Zugang
zu H.s kreativem und ganzheitlichem Denken zu erschließen.
Die Lektüre bestätigt auch, daß H. als Bibelleser und vollmächtiger
Deuter des 1. Glaubensartikels einer durch die ökologische Krise herausgeforderten
Theologie wichtige Impulse vermitteln kann. Schließlich
dürften die Ausführungen zu H.s Glaubensverständnis (S. 1280,
Hermeneutik (S. 132 ff) und „Autorschaft" (bes. S. 141 ff) beachtenswert
sein. Auf dem Wege zu der von K. Rahner angesprochenen
„Theologie des Wortes" (S. 12) ist H. in der Tat einer der wesentlichen
Begleiter. .

Die Feststellung "H. himself has a combination of Christian, Judaic, and
so-called pagan tendencies" (S. 166) gibt Anlaß zu Mißdeutungen. In diesem
Zusammenhang wäre die Intention H.s deutlicher von den Motiven, die auf die
Formung seines Denkens eingewirkt und im Zuge der Rezeption eine Neuprägung
erfahren haben, abzuheben. - Die Streichung überflüssiger und überdies
hypothetischer Assoziationen (z. B. S. 29 zu H. Bosch, zu J. Boehme; S. 129 zu
Nietzsche) wäre der Klarheit der Argumentation dienlich gewesen. S. 25 scheint
eine Verwechslung von Edward Youngs Nachtgedanken mit Novalis'
"Hymnen an die Nacht'" (erschienen 1800!) vorzuliegen. - In der Auswahlbibliographie
fehlen unter I (H.) einige wichtige Titel, u. a. die Bände der kommentierten
Ausgabe der Hauptschriften H.s (1955fT), die H.-Auswahl von
M. Seils (Entkleidung und Verklärung, 1963) und die weiteren Arbeiten des
gleichen Autors, bes. „Wirklichkeit und Wort bei J. G. H." (1961). Zum Mün-
steraner Kreis wäre u. a. zu berücksichtigen: Fürstenberg, Fürstin Gallitzin u.
ihr Kreis. Quellen u. Forschungen. Zusammengestellt v. E. Trunz, 1955. Zu
verweisen wäre auch auf die einschlägigen Artikel im Historischen Wörterbuch
der Philosophie (1971 ff), das nicht genannt wird. Zu einigen im Text zitierten
Autoren, u. a. zu Fr. Lieb, fehlen in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis
die näheren bibliographischen Angaben; zu J. Boehme und Oetinger
wird lediglich das Erscheinungsjahr des Faksimile-Neudrucks bzw. Reprints
ohne Erwähnung der Erstausgabe genannt.

Man vermißt ferner neuere Untersuchungen zur Geschichte der Hermeneutik
, angeführt wird lediglich E. Petersons Beitrag in ZSTh 1923 (die grundlegenden
Arbeiten von Wittgenstein und Gadamer sind natürlich dem Vf. vertraut
).

Bei den zitierten Texten und den bibliographierten deutschsprachigen Titeln,
auch in den Anmerkungen, sind eine übergroße Anzahl von Druckfehlern stehengeblieben
. Zu berichtigen wären die Eigennamen: Auberlen, Ebner,
KlucArhohn; der Titel von Lessings Schrift lautet: „Über den Beweis des Geistes
und der Kraft" (S. 19).

Nichtsdestoweniger vermittelt diese von einem römischkatholischen
Theologen verfaßte Monographie, die als Zeichen einer
geistigen Annäherung und Öffnung für das Werk des großen ökumenischen
Lutheraners zu werten ist, neue, das Verständnis der Schriften
H.s fördernde und die Gedankenwelt H.s erschließende Einsichten.

Jena Eberhard Pältz

Kristeller, Paul Oskar, u. Hans Maier: Thomas Morus als Humanist.

Zwei Essays. Bamberg: H- Kaiser-Verlag, 1982. 61 S. gr. 8' = Gratia.
Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung, 11. Kart.
DM 12,-.

Beide Essays sind „die offenbar einzigen Versuche von Wissenschaftlern
, die das Morus-Jahr angeregt hat, knappe, allgemeinverständliche
Bilder zu entwerfen" (Vorwort von Dieter Wuttke). Sie
sind bereits an anderer Stelle gedruckt worden. Kristeller konzentriert
sich auf den Humanisten Morus. Er schließt sich im wesentlichen der
bisherigen Forschung an, ordnet aber Person und Werk des Morus in
die seit langem vertretene Humanismuskonzeption ein und vermag