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Ausgabe:

1983

Spalte:

598-600

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Speyer, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen 1983

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

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auch nur darauf anspielt, sind diese Überlegungen ebenso ungesichert wie
der Versuch, die pln. Vorstellung von der Gemeinde als dem wahren Israel
aus der Menschensohnvorstellung von Dan 7 herzuleiten, wo der
Menschensohn der individuelle Repräsentant des idealen Israels sei.

Innerhalb der pln. Imago-Christologie unterscheidet Kim dann
zwei Linien: einmal die an der Weisheit als Gottes Bild (Sap 7,26) und
damit an der Gottheit Christi orientierte (Präexistenz, Schöpfungsmittlerschaft
), zum anderen die an Adam und damit an der Menschheit
Christi orientierte (Gen 1,260- Als Imago Dei ist Christus beides:
der vollkommene Offenbarer Gottes und der neue Mensch, der Gottes
ursprüngliche Intention bei der Schöpfung verwirklicht. Für die
Adam-Christologie verweist Kim auf die rabbinische Überlieferung,
wonach die durch Adams Fall verlorengegangene und am Sinai nur
vorübergehend wiedererlangte Gottesebenbildlichkeit des Menschen
in messianischer Zeit wiederhergestellt werden soll. Pls. habe in Christus
die verlorene Imago Dei gefunden, so daß Christus dadurch im
Gegensatz zu Adam stehe. - In der Adam-Typologie spielt die Imago
Dei jedoch keine Rolle; IKor 15,49 ist jedenfalls nicht in diesem
Sinne zu interpretieren, sondern hier werden mit „Bild" jeweils verschiedene
Seinsweisen gegenübergestellt; auch sagt Pls. nicht, daß wir
durch Christus die Imago Dei zurückerhalten. Die Herleitung der
Adam-Typologie aus der Imago-Dei-Vorstellung ist also m. E. nicht
überzeugend. Dagegen ist Kim grundsätzlich darin zuzustimmen, daß
diese Typologie ihren Ursprung in der Damaskus-Erfahrung des Pls.
hat, freilich eher so, daß durch die Begegnung mit dem Auferstandenen
in seiner pneumatischen Leiblichkeit, die sich Gottes eschato-
logischem Schöpferwirken verdankt, das Gegenüber zu dem ersten
Geschöpf, Adam, bereits gegeben ist (1 Kor 15,20-22.45-49).

Kapitel 7 untersucht die Hauptaspekte der pln. Soteriologie. Hinsichtlich
der Rechtfertigungslehre wird (vor allem in Auseinandersetzung
mit G. Strecker) betont, daß diese von Anfang an integraler
Bestandteil des pln. Evangeliums war (Gal 1,1 lf; 2,2), gerade auf
Grund der Damaskus-Erfahrung, daß der vom Gesetz Verfluchte als
der Auferweckte Gottes Offenbarung ist. Kim zeigt, wie die entscheidenden
Züge der Rechtfertigungslehre im Damaskus-Geschehen verwurzelt
sind: die Rechtfertigung des Gottlosen ohne Gesetzeswerke,
aus Gnade, durch Glauben - der gesetzeseifrige, der Offenbarung Gottes
in Christus widerstrebende Verfolger der Gemeinde Gottes wurde
durch die freie Gnade Gottes zum Apostel berufen. Prinzipiell einsichtig
werden auch die pln. Versöhnungsaussagen sowie die Gedanken
über die Verwandlung der Glaubenden und die neue Kreatur als
Reflexionen über das Damaskus-Erlebnis verständlich gemacht. Nur
überzeugt hier ebenfalls nicht recht der Rückgriff auf die Vorstellung
von der Wiederherstellung der Imago Dei des Menschen durch Christus
, ebensowenig die Herleitung der Sohnschaft der Glaubenden aus
der Erscheinung Christi als Repräsentant des wahren Israels. - Sieben
zusammenfassende Thesen schließen das Buch ab.

Die mit dem Referat des Buches verbundenen kritischen Anmerkungen
wollen den positiven Gesamteindruck nicht schmälern. Die
anregende Studie verdient die aufmerksame Lektüre aller Pls.-
Exegeten, allein schon wegen der umsichtig abwägenden Diskussion
neuerer Abhandlungen zu den behandelten Einzelthemen; Kim
erweist sich dabei als hervorragender Kenner der exegetischen Literatur
und als verständnisbereiter Gesprächspartner. Zum anderen ist es
sein Verdienst, detailliert und nachdrücklich auf die Offenbarung des
Auferstandenen als die eigentliche Quelle der pln. Theologie hingewiesen
zu haben. Die Einseitigkeiten kann man dem Vf. umso mehr
nachsehen, als er durchaus auch erkennen läßt, daß Pls. urchristliche
Theologie aufgreift, die er dann im Lichte des Damaskus-Ereignisses
versteht. Mag man deren Prozentsatz auch höher veranschlagen, als
Kim es tut, insgesamt hat er seine Grundthese eindrucksvoll vertreten
: "Paul received his gospel from the Damascus revelation of Jesus
Christ... Only when this insistence of Paul is taken seriously can we
feally understand Paul and his theology" (335). In der renommierten
Reihe der WUNT hat das Buch einen würdigen Platz gefunden.
Berlin Christian Wolff

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Kirchengeschichte: Alte Kirche

Speyer, Wolfgang: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei
Heiden, Juden und Christen. Stuttgart: Hiersemann 1981. X, 209 S.

gr. 8" = Bibliothek des Buchwesens, 7. Lw. DM 140,-.

Die Bezeichnung des Christentums als Buchreligion - so umstritten
und vielleicht einseitig sie ist - macht eines deutlich: für seine Entstehung
, Ausbreitung und Existenz hat das Buch, vor allem das eine
Buch, eine einzigartige Rolle gespielt. Die Geschichte der Kanonisierung
und der textlichen Überlieferung der heiligen Schriften, aber
auch die Verbreitung und Unterdrückung religiöser Literatur überhaupt
, ist in ein weites Bezugsfeld eingebettet. Die Wege zu seiner
Erschließung können über die Religionsgeschichte (so Joh. Leipoldt -
S. Morenz) oder über die Religionsphänomenologie (so G. Lancz-
kowski) führen oder auch über die Sichtung einschlägiger Zeugnisse in
antiker und altchristlicher Literatur. Für diesen Zugangsweg gibt es
keinen zuverlässigeren Führer als W. Speyer (jetzt Salzburg), der aus
der Arbeit des F.-J.-Dölger-Instituts und des RAC hervorging und
eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu diesem Themenkreis vorgelegt
hat.

In der vorliegenden Studie, der Weiterfuhrung eines Beitrags aus
JbAC 13,1970,123^152, geht es ihm um die dunkle Folie der Bücherverbreitung
: die Büchervernichtung und Zensurierung. Jedem Kundigen
ist klar, daß uns die Literatur der Alten Welt nur zu einem Teil
erhalten ist. Nicht so sehr der Zufall als menschliche Entscheidungen
haben dazu geführt, daß vor allem religiöse, politische, philosophische
und erotische Literatur aus dem geistigen Kreislauf entfernt
wurde. Der Vf. tat gut daran, der verbreiteten aufklärerischen Sicht,
die in der Büchervernichtung vor allem ein Zeichen der Bevormundung
und Geistesknechtung sieht, die antik-mittelalterliche Vorstellung
entgegenzusetzen. Im religiös-magischen Weltbild bedeutet Vernichtung
(durch Verbrennen, Vergraben, Versenken) die Beseitigung